Beim €uro-Roundtable in Hamburg diskutierten Finanz-Experten vor 35 ausgewählten Gästen über das Thema Technologie. Dabei warfen sie auch einen kritischen Blick auf die eigene Branche.
23.03.2018 | 11:30 Uhr
Im Rahmen der €uro-Roundtable trafen sich am Donnerstag, den 22. März, im Internationalen Maritimen Museum in Hamburg wieder Finanz-Profis, über über aktuelle Entwicklungen und Trends zu diskutieren. Im Brennpunkt der Diskussion rund um das Thema „Asset Management im Umbruch“ standen diesmal die Schlagworte Robotics, Big Data und Factor-Investing.
Die Experten Stéphane Lago (Axa IM), Stefan Lutz (Credit Suisse) Guido Hansmeyer (BMO), Kai Röhrl (Robeco) und Hagen-Holger Apel (DNB) beleuchteten die Chancen und Risiken der zunehmenden Digitalisierung aus zwei Perspektiven. So sprachen sie zum einen offen die Veränderungen durch neue Technologien in ihrer eigenen Branche an. Zum anderen zeigten sie auch Chancen für Anleger auf und erläuterten, welche aktuellen Trends derzeit besonders aussichtsreich sind und wie Anleger davon profitieren können.
Schon im Vorfeld der Diskussion hatte Keynote-Speaker Dr. Jens-Uwe Meyer, der zu den innovativsten Wirtschaftsvordenkern im deutschsprachigen Raum gehört, einen Ausblick darauf gegeben, wie Digitalisierung die Wirtschaft bereits erfasst. Und er skizzierte die Chancen neuer Businessmodelle, die herkömmliche Denkmuster komplett infrage stellen. Diese Anregungen griffen die Teilnehmer der Diskussionsrunde dankbar auf.
Shwishen statt Kleingeld zählen
So beschreibt Hagen-Holger Apel, Senior Client Portfolio Manager bei der norwegischen DNB Asset Management, eindrucksvoll, wie eine Handy-App im Nachbarland Schweden die Bezahl-Gewohnheiten verändert hat: Mit der App „Swish“, die von sechs schwedischen Großbanken entwickelt wurde, können Zahlungen mit einem Fingerwisch über das Display getätigt werden. Man benötigt lediglich die Mobilnummer des Empfängers für eine Transaktion. Der Betrag wird sofort überwiesen. „Das Verb swisha als Synonym für Bezahlen ist mittlerweile in den Sprachgebrauch übergegangen“, führt Apel aus. Schon an diesem Beispiel werde deutlich sichtbar, wie sehr Banken sich mehr und mehr zu technologischen Lösungsanbietern wandeln.
Mathematiker als Fondsmanager
Auch auf der Asset Management-Seite treiben Innovationen die Branche um. So erklärt Kai Röhrl, wie sich Factor Investing als eigene Disziplin innerhalb der verschiedenen Arten von Fonds und ETFs positioniert. „Wissenschaftler und Programmierer arbeiten hier Bewertungs- und Handelsmodelle aus, die dafür sorgen, das Factor-Fonds regelbasiert investieren“, so Röhrl. Bei der täglichen Umsetzung sei eine ausgereifte Technik absolut unverzichtbar, was übrigens nicht nur für diese speziellen Fonds gelte und bestimmte Skaleneffekte erst möglich mache. „Wir haben vor 16 Jahren mit 2.700 Mitarbeitern ein Anlagevermögen von 105 Milliarden Euro verwaltet. Heute managen wir mit 1.900 Mitarbeitern 300 Milliarden Euro“, so Röhrl. Was die Digitalisierung auf der anderen Seite für den Vertrieb bedeute, sehe man an den zahlreichen Filialschließungen in der Branche.
Der Robodoc im Portfolio
Welche Chancen Unternehmen mit neuen digitalen Geschäftsmodellen als Baustein im Portfolio bieten, zeigt Stefan Lutz von der Credit Suisse an einem Beispiel aus der Gesundheitsbranche auf. So sei etwa Teladoc, ein ehemals kleines Startup, zum größten Anbieter von Telemedizin in den USA aufgestiegen, weil es rechtzeitig in eine Marktlücke gestoßen ist. „In den Gesundheitssystemen der Industrieländer gibt es viel Optimierungsbedarf, nicht nur in den USA“, sagt Stefan Lutz. Auf der einen Seite machten die Krankenkassen Druck, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Auf der anderen Seite würden viele Möglichkeiten noch aus regulatorischen Gründen nicht ausgeschöpft oder weil man manche Themen rund um die Gesundheit sehr sensibel angehen müsse. „Wir sehen aber, dass das Thema Digitalisierung im Bereich Health Care seit einiger Zeit richtig Fahrt aufgenommen hat“ so Lutz.
Wie Nullen und Einsen unsere Welt durchdringen
„In nahezu allen Branchen ist zu erkennen, wie Digitalisierung Geschäftsmodelle radikal verändert“, sagt Stéphane Lago von Axa IM. Als Beispiele nennt er ein Unternehmen in Shanghai, das die Art der Bezahlung revolutioniert oder eine App, mit der Fondsmanager ihr Research optimieren, miteinander in Teams über Kontinente hinweg chatten oder auch den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Kundenkommunikation. „Es geht für uns als aktive Fondsmanager darum, dass wir aus den vielen Produktinnovationen die wichtigen, zukunftsweisenden Trends erkennen und in die Unternehmen investieren, die hier langfristig ganz vorne sein werden“, so Lago. Dafür brauche es im übrigen noch Fondsmanager aus Fleisch und Blut, auch wenn es um das Thema Robotik geht.
Nachhaltig investieren
Bei aller Euphorie fürs Digitale, mahnt Guido Hansmeyer von BMO, dürfe man das Thema Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren. „Unternehmen, die zwar innovativ sind, gleichzeitig aber nicht ausreichend auf Umwelt- und Sozialstandards achten, haben es schwer, sich am Markt in der ersten Reihe zu behaupten“, so Hansmeyer. Deshalb sehen sich die Fondsmanager von BMO auch die Unternehmen und ihre Produktionsstätten vor Ort an. „Unsere Erfahrung zeigt, dass sich Nachhaltigkeit und Ertragsstärke nicht ausschließen“, so Hansmeyer. Digitalisierung und Robotik würden zuweilen sogar dabei helfen, Ressourcen zu schonen und Produktionsverfahren nachhaltiger zu machen, zum Beispiel in der Landwirtschaft.
In der Schlussrunde der Diskussion ziehen die fünf Experten ein optimistisches Resümee. Digitalisierung, so die Erkenntnis, biete eine Reihe von Chancen - für die Finanzbranche, für die Wirtschaft und vor allem für Anleger, die die Gelegenheit beim Schopfe packen und mithilfe von Fonds in die passenden Themen und Strategien investieren.
(MvA)
(Bilder: Stephan Bestmann)
Diesen Beitrag teilen: