Studie: Finanzspekulation könne dazu beitragen, dass Agrarmärkte besser funktionieren.
11.12.2012 | 07:45 Uhr
Finanzspekulationen mit Agrarrohstoffen sind in den vergangenen Monaten vermehrt in die Kritik geraten. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen fordern, die Geschäfte von Finanzinvestoren mit Lebensmitteln zu beschränken bzw. vollständig zu verbieten. Die Spekulanten an den Agrarrohstoffmärkten seien, so der Vorwurf, für die weltweit steigenden Lebensmittelpreise und damit für den Hunger in armen Ländern verantwortlich. Die Organisationen haben Studien in Auftrag gegeben, die diesen Zusammenhang belegen sollen.
Jetzt hat sich die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg dem Thema angenommen. Die Wirtschaftsethiker Professor Ingo Pies und Matthias Georg Will haben in Zusammenarbeit mit dem Direktor des Instituts für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO), Professor Thomas Glauben, und Dr. Sören Prehn eine umfangreiche Literaturauswertung vorgenommen. Für diese Studie habe es keinen Auftraggeber gegeben. Lediglich die Universität Halle-Wittenberg und das IAMO seien daran beteiligt gewesen, teilte eine Sprecherin des IAMO auf Nachfrage von FundResearch mit. Zudem sei das Projekt ausschließlich aus Eigenmitteln finanziert worden.
Anhand 35 empirischer Studien untersuchten sie die Fragestellung, ob die Zunahme der Finanzspekulation in den vergangenen Jahren das Niveau bzw. die Volatilität der Preise für Agrarrohstoffe habe ansteigen lassen. Die Ergebnisse sind durchaus überraschend: Sie zeigen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Forschungsarbeiten die vorherrschende Befürchtung zum Einfluss der Spekulationen auf die Agrarrohstoffmärkte nicht bestätigen kann. „Gemäß aktuellem Erkenntnisstand spricht wenig für die Auffassung, dass die Zunahme der Finanzspekulation in den letzten Jahren das Niveau der Preise hat steigen lassen“, schreiben die Forscher. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall: „Die Finanzspekulation kann dazu beitragen, Agrarmärkte besser funktionieren zu lassen“, erläutert Thomas Glauben vom IAMO. Für die dramatischen Preisentwicklungen der Jahre 2007/2008, 2010/2011 und 2012 seien realwirtschaftliche Faktoren verantwortlich gewesen. „Auch wenn die Forschungsliteratur sicherlich noch Fragen offen lässt, spricht angesichts des aktuellen Erkenntnisstands vieles dafür, den zivilgesellschaftlichen Alarm als Fehl-Alarm einzustufen“, sagt Glauben. Nicht die Finanzgeschäfte, sondern Probleme im Agrarsektor seien für die Lebensmittelknappheit in Entwicklungsländern verantwortlich, resümiert Wirtschaftsethiker Ingo Pies: „Wer den Hunger in der Welt bekämpfen will, muss realwirtschaftlich dafür Sorge tragen, dass das Angebot an Nahrungsmitteln mit der auf absehbare Zeit steigenden Nachfrage Schritt halten kann.“
(PD)
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