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Interview

Das Coronavirus-Tagebuch: Hans-Jürgen Friedrich, KFM Deutsche Mittelstand AG

FundResearch dokumentiert den derzeit nicht alltäglichen Alltag von Finanzprofis. Heute: Hans-Jürgen Friedrich, Geschäftsführer der KFM Deutsche Mittelstand AG. Der Manager des Deutschen Mittelstandsanleihen Fonds bemerkt, wie Mittelständler in der Corona-Krise zusammenrücken.

26.03.2020 | 11:00 Uhr

Fondsmanager Hans-Jürgen Friedrich

Herr Friedrich, wie sieht Ihr Tag aus?

Hans-Jürgen Friedrich: Ich hüte alleine das Büro. Meine Kollegen sind alle im Homeoffice. Wir arbeiten trotzdem intensiv zusammen. Einmal täglich sind wir zu einer Telefonkonferenz verabredet. Aber natürlich telefonieren wir auch zwischendurch einzeln miteinander. Der Gesprächsfaden reißt nicht ab.

Telefonkonferenzen haben ja ihre eigene Dynamik. Man sieht einander nicht, manchmal geht es chaotisch zu, und wenn man sich bemerkbar machen will, muss man Gesprächslücken abpassen. Was je nach Temperament der Teilnehmer ja auch nicht immer einfach ist. Wie kommen Sie damit klar?

Hans-Jürgen Friedrich: Es war am Anfang tatsächlich eine Umstellung. Wir sind ein sehr lebhaftes Team. Da wurde in den Runden im Büro auch schon mal durcheinandergeredet. Erstaunlicherweise hat sich der Umgang miteinander in den Telefonkonferenzen verbessert. Ich habe den Eindruck, dass Alle aufmerksamer zuhören, sich gegenseitig ausreden lassen und freundlicher zueinander sind. Unsere Konferenzen haben an Disziplin und Produktivität gewonnen. Das hat mich angenehm überrascht.

Gilt das auch für Ihre Gespräche mit Managern?

Hans-Jürgen Friedrich: In der Tat. Bis vor der Corona-Krise haben wir die Mittelständler, in deren Anleihen wir investieren, vor Ort besucht oder bei uns empfangen. Das geht jetzt nicht mehr. Trotzdem sind wir intensiv mit ihnen in Kontakt. Das waren wir zwar schon vor der Krise, aber die Beziehungen haben sich in den vergangenen zwei Wochen nochmal spürbar intensiviert. Unsere Fragen gehen tiefer, die Antworten werden detaillierter, und über allem schwebt das Gefühl: Hey, es ist gerade nicht leicht. Aber wir bleiben optimistisch, stehen zusammen und hoffen für Alle das Beste. Und am Ende verabschiedet man sich mit einem „Bleiben Sie gesund“. Die vergangenen Wochen haben bei Vielen eine Extraportion Menschlichkeit und Ernsthaftigkeit hervorgekehrt, die in der normalen Hektik leider oft zu kurz kamen.

Sind auch die Investoren noch höflich, wenn sie sehen, was gerade am Markt passiert?

Hans-Jürgen Friedrich: Absolut. Unsere Kunden stellen uns zu Recht viele Fragen, aber nicht ungeduldig, sondern interessiert und neugierig. Sie wollen verstehen, was gerade an den Börsen und speziell am Anleihemarkt passiert. Und wir nehmen uns die Zeit, ihnen das zu erklären. Vor ein paar Tagen haben wir extra einen Newsletter aufgesetzt und informieren darin über aktuelle Entwicklungen und die Hintergründe. Das kommt sehr gut an – vor allem, weil wir es damit nicht belassen, sondern für Rückfragen zur Verfügung stehen. Der Dialog hat sich also auch auf dieser Seite positiv intensiviert. Der Umgang miteinander ist höflich und sehr freundlich.

Sind die Anleger nicht verängstigt?

Hans-Jürgen Friedrich: Natürlich herrscht großes Erstaunen über die Marktverwerfungen. Aber wenn die Kurse von Anleihen zwischenzeitlich an Wert verlieren, ist das doch etwas anderes, als wenn Aktienkurse sinken. Am Ende der Laufzeit werden Anleihen zu 100 Prozent zurückgezahlt – es sei denn, der betreffende Emittent ist zahlungsunfähig. Es geht also immer nur darum, ob ein Unternehmen überlebt und nicht darum, ob es langsamer oder schneller wächst. Und deshalb sind insbesondere deutsche Mittelstandsanleihen ein viel solideres Investment als viele Anleger glauben. Die Mittelständler, deren Anleihen wir im Portfolio haben, wirtschaften grundsolide und werden die Corona-Krise überleben. Davon sind wir überzeugt. Und wir geben diese Überzeugung, mit guten Argumenten untermauert, an unsere Kunden weiter. 

Was sind Ihre guten Argumente dafür?

Hans-Jürgen Friedrich: Das erste und wichtigste Argument lautet, dass die deutschen Mittelständler im Durchschnitt deutlich besser aufgestellt sind als vor der Finanzkrise 2008/2009. Viele Unternehmen aus diesem Bereich haben aus der Finanzkrise sehr wichtige Lehren gezogen und ihr Risikomanagement enorm verbessert. Die Eigenkapitalquoten sind hochgefahren worden, Sicherheitsmechanismen sind eingezogen worden, Rücklagen für Krisenfälle sind gebildet worden, und der Zusammenhalt wurde gestärkt. Die mittelständischen Unternehmen kommunizieren viel untereinander, tauschen auf Kongressen und Netzwerk-Veranstaltungen Knowhow aus. Das ist in den vergangenen Jahren eine Art verschworener Haufen geworden. Dazu kommt, dass viele Unternehmen ihre Mitarbeiterkommunikation und ihre Personalplanung weiter professionalisiert haben. Das Alles kommt vielen dieser Unternehmen jetzt zugute. Das gibt den Managern als auch Unternehmern und uns als Investoren ein gutes Gefühl.

Gute Gefühle sorgen ja noch nicht für volle Kassen. Vor allem, wenn die Bänder stillstehen. Die Mitarbeiter müssen bezahlt werden, Lieferanten wollen Vorkasse, Kunden warten auf die Waren und strecken die Zahlungen. So etwas stellt auch gut vernetzte Mittelständler vor Probleme, oder?

Hans-Jürgen Friedrich: Eine gute Vernetzung und ein guter Umgang miteinander helfen gerade in solchen Situationen. Wenn der Geld- und Warenkreislauf auf breiter Front zum Stillstand kommt, hilft gegenseitiges Verständnis füreinander. Und eine ehrliche und gute Mitarbeiterkommunikation hilft nicht nur in der Krise, sondern auch danach. Wenn die Produktion wieder hochgefahren wird, ist es sehr hilfreich, wenn der erfahrene Personalstamm während der Krise gehalten werden konnte. Auch das haben die mittelständischen Unternehmen in der Finanzkrise gelernt. Fachkräfte sind auch jetzt gefragt. Wie man progressiv mit der Situation umgeht, macht etwa der Spezialchemie-Hersteller PCC gerade vor. Die Firma hat ein Betriebsgelände von Bayer übernommen, plant 500 neue Arbeitsplätze aufzubauen und wirbt um Fachkräfte, die beim Chemieriesen aus Leverkusen gerade entlassen werden. Das nenne ich klug.

Leidet nicht auch PCC in der aktuellen Situation?

Hans-Jürgen Friedrich: PCC hat seine Produktion zum Teil umgestellt. Und das in kürzester Zeit. PCC produziert jetzt in großem Umfang Desinfektionsmittel und Seifen. Das ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie flexibel deutsche Mittelständler agieren können.

Können Sie weitere Beispiele für so viel Flexibilität nennen?

Hans-Jürgen Friedrich: Natürlich. Das Textilunternehmen Eterna produziert nun Schutzmasken statt Hemden, der eine oder andere Autozulieferer produziert nun medizinische Produkte, und selbst Immobilienunternehmen können besondere Chancen ergreifen, wie etwa die SeniVita Social Estate AG. Das Unternehmen hat ein eigenes, neues Konzept für seniorengerechtes Wohnen, Pflege in den eigenen vier Wänden und die Tagespflege unter einem Dach vereint. Das Unternehmen hatte zuletzt Probleme, eine Anschlussfinanzierung zu finden, fand im Rahmen der Corona-Krise aber beim Finanzministerium in Bayern besonderes Gehör und blickt nun dank landespolitischer Unterstützung sehr optimistisch in die Zukunft. Das ist ein Beispiel dafür, dass Krisen auch besondere Chancen bieten können. Es gibt weitere Beispiele, insbesondere von deutschen Zulieferern, die jetzt davon profitieren, dass große Unternehmen hierzulande plötzlich schmerzhaft bemerkt haben, wie abhängig sie von asiatischen Firmen sind. Das ist ein enormer Risikofaktor, der nun offensiv angegangen wird. In den Gesprächen mit Kunden kann die heimische Industrie mit ihrem Standortvorteil punkten und jetzt Verträge mit langen Laufzeiten durchsetzen. Unterm Strich wird der deutsche Mittelstand vielleicht sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Das klingt sehr optimistisch…

Hans-Jürgen Friedrich: Ich stehe dazu. Ich erfahre viel Gutes in den vergangenen Tagen – geschäftlich, aber auch menschlich. Die ganze Familie ist im Moment zu Hause, auch meine Tochter und mein Sohn , der noch studiert. Wir entdecken neu, wie gut es tut, eine Familie zu haben, auf die man sich verlassen kann. Wir bewerten Dinge neu. Und das erlebe ich auch gerade in der Wirtschaft. Da arbeiten Menschen, keine Maschinen. Die denken im Moment über vieles nach. Das tut sichtbar gut. Dass ausgerechnet ein menschenfeindliches Virus so etwas auslöst, ist schon irgendwie komisch.

Herr Friedrich, vielen Dank für dieses Gespräch.

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