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Interview

Das Coronavirus-Tagebuch: Hauke Petersen, Vermittler

Viele Finanzprofis arbeiten derzeit von zu Hause aus. FundResearch dokumentiert deren nicht alltäglichen Alltag. Heute: Hauke Petersen, der normalerweise zwischen Hannover und Lissabon pendelt und im Januar von Peking nach Moskau gereist ist.

19.03.2020 | 07:30 Uhr

Herr Petersen, wie sieht Ihr Tag aus?

Hauke Petersen: Ich arbeite heute von meinem Balkon in Hannover aus. Im Gegensatz zu vielen Kollegen aus meiner Branche ist das für mich ganz normaler Alltag. Ich habe zwar noch ein Büro in einer Ladenzeile in Hannover. Dort sitzt eine Mitarbeiterin. Aber ich bin selten dort.

Hauke Petersen, Fondsvermittler

Wie halten Sie den Kontakt zu ihren Kunden? Haben Sie auf reine Online-Betreuung umgestellt?

Hauke Petersen: Nein. Das wäre mir zu unpersönlich. Ich telefoniere viel mit meinen Kunden. Das direkte Gespräch ist wichtig. Gerade in diesen Zeiten. Aber dafür muss ich nicht in einer Ladenzeile sitzen. Ich kann den persönlichen Kontakt zu den Kunden auch pflegen, wenn ich in Lissabon bin, meinem zweiten Wohnsitz. (siehe Bild oben, Anm. d. Red.)

Das dürfte angesichts der Reisebeschränkungen im Moment schwierig werden, oder?

Hauke Petersen: In der Tat. Eigentlich wollte ich in diesen Tagen längst in Lissabon sein. Das ist derzeit leider nicht möglich. Portugal hat die Grenzen für Ausländer vor ein paar Tagen dicht gemacht. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet die größte Errungenschaft, die wir in Europa in den vergangenen Jahrzehnten erreicht haben, nämlich die uneingeschränkte Reisefreiheit innerhalb der europäischen Grenzen, das erste Opfer der Corona-Krise ist.

Hauke Petersens Arbeitsplatz in Hannover: Blick in den Garten.

Was hätte die Europäische Union anders machen sollen?

Hauke Petersen: Ich sage nicht, dass Reisebeschränkungen angesichts der Verbreitung eines gefährlichen Virus keine geeignete Maßnahme wären. Ich bedauere es nur. Ich finde es sogar schade, dass die EU nicht früher reagiert hat. Man hätte sich Manches ersparen können. Die Aprés-Ski-Partys in Ischgl und Südtirol zum Beispiel. Das war unnötig. Zu dem Zeitpunkt hat man doch hier schon gesehen, was in Wuhan passiert. Andererseits ist man hinterher natürlich immer schlauer. Als sich in Wuhan die Katastrophe schon abzeichnete und immer mehr Menschen an dem neuen Virus gestorben sind, war ich in Peking. Da hat man nichts von den Ereignissen mitbekommen. Ich bin später ahnungslos mit der Transsibirischen Eisenbahn durch Wuhan gefahren. Das Corona-Virus war zu dem Zeitpunkt kein Thema. Die chinesische Regierung tut jetzt zwar so, als ob sie immer Alles im Griff gehabt hätte. Aber am Anfang wurde die Entwicklung in Wuhan vertuscht. Man hat in Peking viel Zeit verschwendet, bevor man angemessen reagiert hat.

Wann haben Sie von der Epidemie erfahren?

Hauke Petersen: Ein Freund hat mir eine SMS geschickt und mich gefragt, wie es mir geht. Und ob ich schon von dem neuen Virus gehört hätte. Da habe ich noch gedacht, es handele sich um einen neuen Computervirus. Erst in Moskau habe ich die Nachrichten gesehen und verstanden, was er meinte. Das war schon eine große Überraschung. 

Es scheint wohl in der menschlichen Natur zu liegen, Katastrophen erstmal zu verharmlosen. 

Hauke Petersen: Wie man es besser machen kann, führt Taiwan gerade vor. Dort hat man nach der Sars-Epidemie einen Notfallplan erstellt, der bereits konsequent umgesetzt wurde, als die ersten Fälle in China bekannt wurden. Die Regierung hat das potenzielle Ausmaß der Krise sofort erkannt und war der Entwicklung in anderen Ländern immer mindestens einen Schritt voraus. Das ist schon vorbildlich: Einreiseverbote, ein Verbot des Exportes von Schutzmasken, verschärfte Zollkontrollen und ein Programm, das Reisenden bei der Rückkehr nach Taiwan ermöglicht, ihre Reiseroute und Symptome zu melden. Dazu müssen sie einen QR-Code scannen. Reisende bekommen dann eine Nachricht, wie ihr Gesundheitszustand eingeschätzt wird. Das Corona-Virus hat sich bis heute in Taiwan nicht ausbreiten können, obwohl das Land so sehr wie kein anderes mit China verwoben ist. Das ist schon bemerkenswert.

China meldet nun auch Erfolge im Vorgehen gegen das Virus. Wie schätzen Sie das ein?

Hauke Petersen: Die Zahlen, die jetzt gemeldet werden, machen Hoffnung. Und ein Kunde von mir, der als Manager für VW in China arbeitet, hat mir berichtet, dass die Produktion in den Werken wieder langsam hochgefahren wird. Im Moment stellen die staatlichen Medien es so dar, dass die Europäer derzeit ein Coronavirus-Problem haben, während in China nun alles besser wird. Aber man muss die Entwicklung abwarten, um tatsächlich beurteilen zu können, wieviel Wahrheit in den Berichten steckt.

Planen Sie, bald wieder nach China zu reisen?

Hauke Petersen: Dafür ist es im Moment noch zu früh. Aber ich habe mir schon eine neue Reiseroute herausgesucht, die mich sehr interessieren würde: die neue Seidenstraße.

Das ist doch eher eine Transferroute für Waren und weniger geeignet für Individualreisen, oder?

Hauke Petersen: Das werde ich noch herausfinden. Aber ich möchte ein Gespür dafür bekommen, wie diese Länder aussehen. Ich empfehle meinen Kunden seit Jahren Fonds, die Anleihen aus Regionen kaufen, die vom Seidenstraßenprojekt der chinesischen Regierung profitieren. Beispiele dafür sind der Road and Belt Debt Fund von Invesco und der NN Frontier Markets Debt. Das sind Rentenfonds, die noch um die sechs Prozent Rendite per annum bieten. Wo finden Sie heute so etwas noch? 

Beide Fonds sind in der Corona-Krise unter Druck geraten.

Hauke Petersen: Stimmt. Aber was sind zehn Prozent Wertverlust, wenn Sie sich mal die Entwicklung von Aktienfonds ansehen. Schon nach der Lehman-Krise hat sich gezeigt, wie diese Fonds innerhalb eines Jahres wieder auf die alten Stände zurückkamen. Da hatten Aktienfonds noch eine lange Reise vor sich. Überhaupt: Ich empfehle meinen Kunden derzeit Renten- und defensive Mischfonds. Da gibt es im Moment gute Gelegenheiten. Und meine Kunden sind damit zuletzt ja auch gut gefahren.

Die Stimmung unter Ihren Kunden ist also gut? Trotz der Ereignisse und des Börsencrashs?

Hauke Petersen: Ja. Ich muss meine Kunden an dieser Stelle auch mal loben. Da herrscht keine Panik. Mein Eindruck ist ohnehin, dass die Privatanleger diesmal nicht für den Crash verantwortlich sind. Ich glaube, dass professionelle Handelssysteme überreagiert und die passiven ETFs dabei mit nach unten gerissen haben. Das ist ein sich selbst verstärkender Effekt. Man wird sehen, welche Lehre die Finanzindustrie und die Anleger diesmal daraus ziehen werden. Allein auf passive Fonds zu vertrauen, ist aus meiner Sicht jedenfalls nicht der Königsweg. Aber jetzt schauen wir erstmal, wohin die Reise geht.

Apropos Reise: Wann fliegen Sie wieder nach Lissabon?

Hauke Petersen: Wenn es wieder problemlos möglich sein wird. Ich hoffe, bald.

Herr Petersen, vielen Dank für dieses Gespräch.

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