Warum die Inflation das Problem ist, und nicht Deflation

Die aktuellen Inflationsraten deuten darauf hin, dass sich viele der größten Volkswirtschaften in einer Deflation befinden. Léon Cornelissen, Senior Strategist im Economics & Strategy-Team von Robeco, glaubt jedoch, dass Inflation langfristig ein viel größeres Problem darstellt.

22.06.2009 | 20:15 Uhr


Die Kerninflationsraten für Mai in vielen wichtigen Märkten heizten die Bedenken bezüglich einer Deflation erneut an. In den USA lag der Verbraucherpreisindex im Mai im Jahresvergleich bei -1,3 % und verzeichnet damit den stärksten Preisabfall seit 60 Jahren. Weltweit zeichnet sich ein ähnliches Bild. In Japan lag der Verbraucherpreisindex im Mai bei 0,8 %, das bedeutet ein Minus von 1,4 %. Die Eurozone ist nicht vollständig von der Deflation betroffen, ein niedriger Verbraucherpreisindex bedeutet jedoch, dass die Inflation dort alles andere als steil ansteigt.

Diese Daten scheinen jenen Ökonomen Recht zu geben, die eine Deflation voraussagen - so auch Nobelpreisträger Paul Krugman, der in seiner Kolumne vom 29. Mai in der New York Times schrieb, dass "die Deflation eine eindeutige und unmittelbare Gefahr darstelle, und nicht die Inflation".

Léon Cornelissen jedoch ist anderer Ansicht. "Die Deflation bereitet mir derzeit keine Sorgen", sagt er. "In diesem Jahr wird es eine eher mäßige Deflation in den G7-Staaten geben. Langfristig mache ich mir mehr Sorgen über das steigende Inflationsrisiko."

Deflations-Ängste übertrieben
Nach Cornelissens Ansicht sind die Bedenken bezüglich einer Deflation übertrieben. "Das grundlegende Bild ist weniger deflationär als die Kerninflationsraten," betont er.

Obwohl die Kerninflation in der Eurozone im Mai beispielsweise 0 % betrug, lag die Kerninflation ohne Berücksichtigung der schwankenden Lebensmittel- und Energiepreise im Jahresvergleich bei 1,5 %. Das reicht immerhin fast an das Inflationsziel der EZB von 2 % heran.

Cornelissen erklärt, dass der dramatische Abfall der Kerninflation auf den Einbruch des Ölpreises zurückzuführen sei. Dieser sank von fast 150 USD je Barrel im letzten Sommer auf unter 35 USD je Barrel im Dezember.

Höhere Ölpreise steigern den Inflationsdruck.
Der Optimismus in Bezug auf die Wirtschaftskonjunktur - basierend auf Zukunftsindikatoren, die in der gesamten OECD auf eine Erholung des Wachstums hindeuten - führte jedoch zu einem drastischen Anstieg der Ölpreise. Zurzeit kostet ein Barrel Öl wieder 70 USD.

Dieser Aufschwung beeinflusst auch die Inflationserwartungen, die sich (nach Berechnungen anhand von inflationsgebundenen US-Anleihen) wieder im positiven Bereich bewegen. "Der Inflationsdruck steigt wieder ein wenig," meint Cornelissen.

Auch der Anleihemarkt bestätigt dies - so dass die bis zum Ende des Jahres zur Inflationsbekämpfung geplanten Zinssatzanhebungen der US-Zentralbank bereits jetzt eingepreist werden. Die Renditen auf zehnjährige US-Anleihen (US Treasuries) sind von 2,2 % Ende des letzen Jahres auf 3,8 % gestiegen, da auch die Risikoneigung aufgrund der Annahme, dass wir den schlimmsten Teil der Rezession bereits überstanden haben, wieder gestiegen ist.

Léon Cornelissen ist nicht der Meinung, dass die US-Zentralbank dieses Jahr noch aktiv wird. "Wir glauben, dass die langfristigen Renditen sich selbst ein wenig voraus sind", außerdem betont er: "Wir sind nicht von der Dauerhaftigkeit des Wirtschaftsaufschwungs überzeugt." Er wählt den Mittelweg und erwartet den Aufschwung für das Jahr 2010. Für ihn ist nicht nur die Nachhaltigkeit der positiven Anzeichen fragwürdig, sondern auch die pessimistische Sichtweise von einer Wirtschaft, die so schwach ist, dass eine nachhaltige Deflation zu befürchten ist.

Langfristig höhere Inflation zu erwarten
Seiner Ansicht nach wird die Inflation in den nächsten Jahren höher sein als in den letzten Jahren. Dies wird durch die Auswirkungen der aktuellen inflations- und wachstumsbegünstigenden Politik der Zentralbanken verstärkt, die dem Abschwung entgegenwirken soll.

Einige Ökonomen glauben, dass die US-Inflationsrate auf 6 % ansteigen könnte. Andere erwarten sogar eine Hyperinflation, die von der Zurückhaltung der US-Zentralbank in Bezug auf Anhebungen geschürt wird. Obwohl Cornelissen nicht von einem derartig drastischen Anstieg ausgeht, bemerkt er dennoch, dass den hoch verschuldeten Regierungen deutlich höhere Inflationsraten durchaus recht wären, da so das Ausmaß der Staatsverschuldung reduziert werden könnte.

Auch wenn Regierungen davon profitieren könnten, dass Inflation Schulden einfach verschwinden lässt, gilt das noch lange nicht für Anleger, die wohl auf gleiche Weise mit ansehen müssten, wie der Wert ihres Vermögens dahinschwindet. Wie sollte sich ein Anleger also in einer hochinflationären Umgebung verhalten? Cornelissen verweist auf indexgebundene Anleihen, Rohstoffe und - in geringerem Maße - Immobilien, um dem steigenden Inflationsrisiko zu begegnen.

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