Lohnerhöhungen in China steigern den Konsum

Victoria Mio, Fondsmanagerin des Robeco Chinese Equities, nennt als wichtigste Anlagethemen für den Rest des Jahres 2010 in China Einkommensumverteilung, Technologie und alternative Energien. Die Anlagebedingungen in China verändern sich schnell. Einerseits sind die Anfang des Jahres 2010 geäußerten Befürchtungen zu einer Überhitzung der Wirtschaft verschwunden, doch bereits sorgen sich die Anleger über verzögertes Wachstum, was eine harte Landung für die chinesische Wirtschaft bewirken könnte.

30.07.2010 | 18:02 Uhr


Angesichts des BIP-Wachstums von 11,9 % im ersten Quartal ergriff die Regierung strikte Maßnahmen zur Drosselung der Wirtschaft. Dies scheint zu funktionieren. Im zweiten Quartal lag das Wachstum bei "nur" 10,3 %, das Wachstum in der Industrieproduktion fiel im Jahresvergleich im Juni auf 13,7 % von zuvor 16,5 % im Mai.

"Die Ära der Billiglöhne in China scheint vorüber zu sein"

Behörden arbeiten auf eine weiche Landung für die chinesische Volkswirtschaft hin

Fondsmanagerin Victoria Mio rechnet mit einer weichen Landung: "Kurzfristig erwarten wir, dass das Wachstum der Wirtschaft weiter abnimmt, bis ein gesunderes, nachhaltiges Niveau erreicht wird." Sie bekräftigt, "Wir halten unsere Prognose für das BIP von 9 bis 10 % in diesem Jahr aufrecht und bleiben bei unserer positiven Gesamteinschätzung für die mittel- und langfristigen Perspektiven."

Doch die Drosselung einer übersprudelnden Wirtschaft ist nur eines der aktuellen Ziele der chinesischen Behörden. Sie versuchen außerdem, das bisher exportorientierte Wachstumsmodell zunehmend auf die Inlandsnachfrage abzustützen.

Die Streichung der Exportsteuernachlässe weist auf das Ende der Fördermaßnahmen hin
Ein Schritt in diese Richtung war die kürzliche Streichung einiger Steuerermäßigungen für Exporte. Dies verdeutlicht auch, dass die Behörden langsam die lockere Geldpolitik und staatlichen Fördermaßnahmen beenden wollen, welche in der Krise eingeführt wurden.

Angesichts dieser Veränderungen zieht sich Victoria Mio allmählich und selektiv aus den Sektoren zurück, die am meisten vom staatlichen Stimulierungspaket und der Geldschwemme profitiert haben. Dazu gehören die Teile der Autoindustrie, die Immobilienbranche, der Infrastrukturbereich sowie die Metall- und Bergbauindustrie.

Lohnsteigerungen könnten die Ära der Billiglöhne in China beenden
Gleichzeitig leitet Victoria Mio neue Anlagethemen ab, die sich aus den jüngsten makroökonomischen Entwicklungen ergeben. Das erste Anlagethema ist die Umverteilung der Einkünfte aufgrund von erheblich höheren Löhnen für chinesische Arbeiter.

Diese überfällige Verbesserung folgt der Einsicht, dass die Mitarbeiter ihre aktuellen Arbeitsbedingungen nicht länger tolerieren würden. Die Hon Hai Group, der taiwanesische Hersteller von Apple´s iPod und iPad, erhöhte die Gehälter seiner Mitarbeiter in Shenzhen deutlich, nachdem es unter den Mitarbeitern zu einer Reihe von offensichtlichen Selbstmorden gekommen war.

Auch der japanische Autohersteller Honda sah sich gezwungen, die Bezüge seiner Mitarbeiter um 33 bis 66 % zu erhöhen, nachdem durch Streiks seine Montagebänder im sonst so emsigen China zum Stillstand kamen. Dies sind nur zwei Beispiele eines allgemeinen Trends. Ähnliche Lohnerhöhungen erfolgen landesweit.

Ein Wendepunkt für die Arbeitskosten
"Die Ära der Billiglöhne in China könnte vorüber sein", so Victoria Mio. Nach ihrer Ansicht dürften die Gehälter über mehrere Jahre erheblich steigen. Sie sieht drei Faktoren, die eine "Wende für die Arbeitskosten" bedeuten.

Einmal gibt es ein Ungleichgewicht zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Arbeitskräften. Während der Krise wurde eine große Zahl von Wanderarbeitern entlassen. Daraufhin sorgte die Regierung für Anreize, um die Beschäftigung in den zentralen und westlichen ländlichen Gebieten zu erhöhen, in welche die Wanderarbeiter zurückkehrten. Eine unerwartete Konsequenz dieser Maßnahmen war jedoch, dass nach Ende der Krise viele Wanderarbeiter nicht mehr nach den arbeitsintensiven Fertigungszentren zurückkehrten, was dort einen Mangel an Arbeitskräften bewirkte.

Die Umstellung auf den Binnenkonsum erfordert höhere Löhne Der zweite Faktor ist die Absicht der Regierung, die Wirtschaft vom Exportfokus auf eine am Binnenkonsum orientierte Wirtschaft umzustellen. Eine exportorientierte Wirtschaft ist nur mit Billiglöhnen möglich, eine am Binnenkonsum orientierte Wirtschaft verlangt nach höheren Einkommen. Die Regierung unterstützt daher stillschweigend diese Veränderungen am Arbeitsmarkt.

Drittens stellt Victoria Mio fest, dass die Lohnerhöhungen nicht mit dem BIP-Wachstum und den Produktivitätszuwächsen Schritt gehalten haben und die Gewinne auf Kosten der privaten Einkommen gestiegen sind. "Die Lücke zwischen den Lohnzugewinnen und den Produktivitätssteigerungen wird geringer werden und somit die Kaufkraft der Konsumenten verbessern."

Lohnanstieg hat positive Konsequenzen für den Konsum
Insgesamt ist Victoria Mio der Ansicht, dass die Erhöhung der Arbeitskosten für die Wirtschaft mehr positive als negative Effekte haben wird. "Die jüngsten Lohnerhöhungen festigen unsere Überzeugung, den Konsumsektor überzugewichten und die exportorientierten Segmente unterzugewichten."

Durch steigende Gehälter für die Niedrigverdiener dürften Verbraucherprodukte und Dienstleistungen für mittlere und niedrige Einkommensschichten die Hauptprofiteure der kommenden Jahre sein, darunter auch die Produzenten von Konsumgütern in den ländlichen Gebieten sowie in den mittleren und kleineren Städten.

Insbesondere die Hersteller von alltäglichen Gebrauchsgütern, elektronischen Haushaltsgeräten, Kleinwagen und Pkws der Mittelklasse, preisgünstige Hotels, Fluglinien und Betreiber von mautpflichtigen Straßen dürften eine steigende Nachfrage verzeichnen.

Victoria Mio hat den Fonds Robeco Chinese Equities durch verschiedene Ergänzungen im Portfolio auf dieses Thema ausgerichtet, neuere Positionen sind etwa der Haushaltsgerätehersteller Haier Electronics, Daphne, ein Schuhproduzent und -händler, sowie der Kleiderhersteller Bosideng.

Teurere Arbeitskosten werden sich hingegen negativ auf den Exportsektor auswirken. Die Herstellung von extrem billigen Produkten wird sich wahrscheinlich nach anderen asiatischen Länder verlagern, auch wenn es logistisch gesehen für dortige Konkurrenten schwierig sein wird, China schon kurzfristig zu ersetzen.

Zur Senkung der Kosten sind Technologie und Innovationen entscheidend
Ein zweiter Effekt höherer Lohnkosten in China ist, dass dadurch eine Modernisierung der Industrie gefördert wird. "Die Unternehmen werden einsehen, dass sie sich in Zukunft nicht mehr auf billige Arbeitskräfte verlassen können", so Victoria Mio. Doch der teurere Faktor Arbeit ist nur Teil einer allgemeinen Kostensteigerung für die Unternehmen in China. Ein anderes Problem sind die höheren Rohstoffpreise.

Daher müssen die Unternehmen nach Möglichkeiten zur Kostensenkung und zur Effizienzsteigerung suchen. Fabriken müssen modernisiert und technische Innovationen beschleunigt werden. Die Technologie ist das zweite Anlagethema für Victoria Mio.

Angesichts dieser Situation ist sie überzeugt, dass insbesondere Firmen, die IT-Dienstleistungen, Hard- und Software anbieten, mit einer starken Nachfrage rechnen können. Das beste Beispiel dafür ist die Kingdee International Software Group, ein führender chinesischer Software-Anbieter für Unternehmensführung.

Alternative Energie: ein Hauptanlagethema für die nächste Dekade
Das dritte Anlagethema für Victoria Mio sind alternative Energien. In China existiert eine gewaltige Nachfrage nach Energie. Die eigenen Energiequellen sind unzureichend. In nicht allzu ferner Zukunft dürfte Energiemangel das Wirtschaftswachstum Chinas behindern.

Victoria Mio befasst sich daher eingehend mit Chinas 12. Fünfjahrplan für Energie und dessen Konsequenzen für die strukturelle Entwicklung ab 2012. "Die Versorgungssicherheit der Energie wird eines der Hauptziele des Planes sein."
China hat die Energiestrategie priorisiert: 1. Erdgas, 2. Atomkraft, 3. Windenergie und 4. Wasserkraftwerke. Auf absehbare Zeit bleibt Kohle jedoch weiterhin die Hauptenergiequelle. Es ist offensichtlich, dass die Entwicklung alternativer Energien ein Hauptanlagethema für die kommenden 5 bis 10 Jahre sein wird.

Eine Kernanlage von Victoria Mio zu diesem Thema ist Kunlun Energy., Dieses Unternehmen orientiert sich um, von der Suche und Förderung von Öl und Gas hin zum Verkauf von Erdgas und der Entwicklung alternativer Energien. Ein weiterer Favorit ist China High Speed, der größte Hersteller von Getrieben für Windkraftanlagen in China.

Die Unternehmen werden lediglich zur Information erwähnt, und diese Informationen sollen keine Anlageberatung darstellen. Die in diesem Artikel vorgestellten chinesischen Aktien wurden Mitte Juli, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels, vom Fonds Robeco Chinese Equities gehalten. Victoria Mio selbst hält Aktien von Kunlun Energy.

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