Das BP-Dilemma

Der Verhältnis zwischen verantwortungsbewussten Anlagen und Erträgen wird durch das Desaster bei der BP-Bohrinsel hervorgehoben, schreibt Sylvia van Waveren, Senior Engagement-Spezialistin bei Robeco. Sie glaubt, dass Engagement eine Lösung bereitstellen könnte.

12.08.2010 | 11:44 Uhr


BPs jüngste Geschichte ist eine traurige Geschichte darüber, wie Umweltverantwortung das bloße Überleben eines Unternehmens beeinflussen kann. Dies ist eine Fallstudie über die Integration der die Umwelt betreffenden, sozialen und Governance-orientierten Kriterien (der so genannten ESG-Kriterien: Environmental/Social/Governance) in die Anlageentscheidung.

Die Nachwirkungen der Katastrophe bei der Bohrinsel Deepwater Horizon verursachten den plötzlichen Abfall des Unternehmensanteilspreises um mehr als 50%. Das Unglück kostete 11 Männer das Leben und ließ Millionen Barrel Öl von BPs Macando-Bohrloch in den Golf von Mexiko fließen.

In den Wochen nach der Explosion wurde das Ausmaß der Umweltschäden deutlich. Die Manager des Robeco-Fonds verkauften BP-Anteile und die Portfoliogewichtung des Unternehmens wurde auf neutrale Robeco´s Quantitative Equity-Portfolios heruntergestuft. Das Ölunternehmen wurde aus dem Dow Jones Sustainability Index entfernt, was bedeutet, dass es auch vom SAM-Fonds verkauft wurde. (SAM ist Robecos Tochterfirma, die in nachhaltiges Investment spezialisiert ist.)

Diese Veränderungen wurden einerseits aufgrund der schwindelerregenden Risiken im Zusammenhang mit der ökologischen Verantwortung und unbekannten rechtlichen und finanziellen Konsequenzen durchgeführt. Andererseits spielten der schwerwiegende Schaden für BPs Reputation und die mögliche Auswirkung auf die zukünftige Geschäftsfähigkeit des Unternehmens eine Rolle.

BP-Verlustsrisiko eingepreist?
Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Ab Mitte Juli begann BPs Anteilspreis sich langsam nach oben zu bewegen. Dieser Anstieg gibt an, dass einige Anleger glauben, BP sei überverkauft und sein Abwärtsrisiko jetzt entsprechend eingepreist. Die Verbesserung des Preises für Unternehmensanleihen war den ersten positiven Nachrichten bezüglich der Abdeckung des Bohrkernlecks leicht voraus.

Und hier liegt das Dilemma. Was ist die Haltung eines verantwortungsbewussten Anlegers zu diesem weltweiten Energieunternehmen? Diese Firma wird aktuell zu einem historischen Tief gehandelt und, nebenbei gesagt, auch in den meisten globalen Benchmarks berücksichtigt. Wie kann ein Ausgleich zwischen BPs steigendem Anteilspreispotential und, um die UN-Grundsätze für verantwortungsbewusstes Investment (UN PRI) zu zitieren, "den allgemeineren Zielsetzungen der Gesellschaft", gefunden werden?

Engagement um Veränderung zu bewirken
Ich glaube, dass der Weg nach vorn im Engagement liegt: Wir sollten unsere Rechte als Anleger aktiv nutzen, um damit Veränderungen im Unternehmen zu bewirken. Das Ziel wird wie immer die Steigerung des langfristigen Wertes für Anteilsinhaber und andere Aktionäre sein.

Bei Robeco arbeitet das Responsible Investing-Team bereits mit einer Anzahl von Ölunternehmen, einschließlich BP, auf den Themengebieten der Ölfeldentwicklung in Ländern mit umstrittenen Systemen, der Ölsandförderung und des Wasserverbrauchs zusammen.

Unser Ansatz ist pragmatisch und wir verstehen, dass dem Anlegen und den Gewinnen ein Risiko innewohnt. Gespräche über Engagement bieten für den Anlegefall mehr Informationen, einschließlich eines besseren Verständnisses von Risikomanagement und Kontrolle. Es ermöglicht uns auch, die Entscheidungsfindung hinsichtlich der zukünftigen Risikobereitschaft zu beeinflussen.

Im Augenblick glauben wir, dass ein Engagement bei BP zu Themen im Zusammenhang mit der Explosion der Tiefseebohrinsel Deepwater Horizon verfrüht ist. Die erste Priorität des Unternehmens muss es sein, das Ölleck zu schließen und dessen Folgen zu mildern.

Vorerst überwachen wir die Reaktion der weltweiten Anlegergesellschaft sehr genau und bleiben in Kontakt mit unseren Anteilsanlegergruppen, mit denen wir oft zusammenarbeiten. Es ist wahrscheinlich, dass Engagementaktionen gemeinsam mit BP sowie mit anderen Öl- und Gasunternehmen aus dem Bereich der Tiefseebohrungen unternommen wird. Es wäre für uns nur natürlich, in diesem Bereich an einer Gemeinschaftsinitiative teilzunehmen. Und wir werden wie immer eine aktive Rolle einnehmen.

Verbesserungen in der Evaluierung von Nachhaltigkeit benötigt
Jedoch gibt es auch andere Gruppen, die Arbeit zu verrichten haben. Vor der Katastrophe war BP bereits als risikobereit bekannt. Das Unternehmen durchlebte eine Reihe von Sicherheitsübertretungen, schwaches Risikomanagement und fatale Unfälle. Nichtsdestotrotz war BP als Vorreiter im Öl- und Gassektor bewertet, und von Fonds, einschließlich Robecos Duurzaam Aandelen aufgenommen worden, die ausschließlich Investitionen in Spitzenperformer im Bereich der Nachhaltigkeit anstreben.

Es ist nunmehr offensichtlich, dass Verbesserungen von Anbietern der Nachhaltigkeitsdaten vorgenommen werden müssen. Und die Endverbraucher der Daten müssen ebenso Verantwortung übernehmen. Es ist an der Zeit ihre Rolle in der Qualitätsbewertung von Nachhaltigkeitsdaten zu verstärken und ihre eigenen Einsichten in der Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmen aktiver einzubringen.

"Post-Macondo" wird anders sein
Falls es bei diesem Vorfall irgendeinen Silberstreif am Horizont gibt, ist es der, dass das Anlegen nach Macondo anders sein wird. Es sollte jetzt ein größerer Schwerpunkt auf die Art und Weise gelegt werden, wie sich nicht-finanzielle Fragen auf die zukünftige Wertentwicklung eines Unternehmens auswirken können. BP hat unter Beweis gestellt, das die Auswirkung immaterieller Anlagewerte (z. B. Unternehmenskultur oder aus den ESG-Themen resultierende Folgen) genauso wichtig sein kann wie der Anlegeerfolg und die Finanzanalyse.

Die Interessen der Verwaltung und der Aktionäre abgleichen
Das ist aber noch nicht alles. Wenn Nichtfinanztitel in den Blickpunkt geraten, müssen sich Impulse der Verwaltung verändern, um die Wichtigkeit der immateriellen Anlagewerte auf die Unternehmensperformance wiedergeben zu können.

Robeco brachte jüngst im Auftrag von zehn institutionellen Anlegern einen Gewinn in diese Rubrik. Dies geschah zu dem Zeitpunk, als das Unternehmen nach Engagementgesprächen mit Shell Fortschritt im Bereich der nachhaltigen Entwicklung nunmehr in die Verwaltungsziele und des Lohnschemas integriert hatte.

BP war ein Weckruf
Die Verwendung von ESG-Kriterien bei der Investmententscheidung, aktive Abstimmung und Engagement sind alle Teil der UN-Grundsätze für verantwortungsbewusstes Investment. Robeco ist, neben ungefähr 400 Vermögensverwaltern, den Rentenfonds und professionellen Dienstleistungsfirmen, einer der 750 Unterzeichner. Zusammen vereinen sie 20 Billionen US-Dollar in Vermögensunterverwaltung auf sich.

Aber die UN-Grundsätze existieren erst seit 2006 und wir befinden uns deutlich noch in den ersten Tagen des verantwortungsvollen Investierens. Nach Macondo ist es sogar noch offensichtlicher, dass wir noch einen langen Weg zu gehen haben. Das BP Bohrinsel-Desaster war ein Weckruf, den (verantwortungsbewusste) Anleger nicht ignorieren können.

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