Wachstumsoptimismus macht Spannungen in Ägypten wett

Ein verbessertes makroökonomisches Umfeld spricht für risikoreichere Anlagen, meint Ronald Doeswijk, Chief Strategist bei Robeco.

20.02.2011 | 10:55 Uhr



Für Schlagzeilen sorgten Anfang 2011 die Wirren in Tunesien und Ägypten, aber für die Finanzmärkte standen eher die allgemein robusten Wirtschaftsdaten und die Entspannung bei der Staatschuldenkrise in der Eurozone im Mittelpunkt. „Die Unruhen in Ägypten haben die Ölpreise nach oben getrieben. Aber solange Saudi-Arabien stabil bleibt, dürften die Folgen für die Finanzmärkte wahrscheinlich begrenzt bleiben“, sagt Ronald Doeswijk.

Vor diesem Hintergrund bevorzugt das Financial Markets Research-Team weiterhin risikoreichere Anlagen – wie Aktien, Immobilien, Unternehmensanleihen und Rohstoffe. Vor allem Staatsanleihen beurteilt das Team derzeit negativ.

Kräftiges Plus bei Produktion weltweit facht Inflation an
Die Wirtschaftsdaten aus aller Welt haben in den letzten Monaten größtenteils positiv überrascht. Besonders die Produktion gewinnt weltweit an Stärke. Das zeigt der Einkaufsmanagerindex (PMI), der im Januar in 16 von 25 großen Volkswirtschaften gestiegen ist.

„Infolgedessen zeigen die Rohstoffpreise ebenfalls nach oben, was den Inflationsdruck verstärkt“, merkt Doeswijk an. Obgleich die Inflationsprognosen angehoben werden, bleibt es nach seiner Einschätzung in den entwickelten Regionen bei einer lockeren Geldpolitik.

US-Wirtschaft nimmt Fahrt auf
Die US-Wirtschaft gewinnt klar an Fahrt: Das BIP stieg im 4. Quartal um 3,2 % (gegenüber dem Vorquartal auf Jahresbasis) zugelegt, und die Endnachfrage – BIP abzüglich Änderung der privaten Lagerhaltung – hat um 7,1 % zugenommen, das stärkste Plus seit 1984. Ein solider privater Verbrauch, eine stetige Zunahme der Investitionen und ein stark positiver Beitrag des Außenhandels zum Wachstum – all das steht hinter diesem Ergebnis“, so Doeswijk.

Der sprunghafte Anstieg des ISM-Einkaufsmanagerindex in den USA auf 60,8 im Januar zeigt zudem klar, dass die Dynamik Anfang 2011 ungebrochen positiv ist. Angesichts dieser sehr guten Zahlen sind die Konsensprognosen für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2011 in den vergangenen zwei Monaten um 0,8 Prozentpunkte auf 3,2 % gestiegen – und sie dürften weiter nach oben gehen.

Aber über die Wachstumsaussichten für die USA im Jahr 2011 will bei Doeswijk dennoch keine rechte Begeisterung aufkommen. Er weist zum einen darauf hin, dass die starke Verbrauchernachfrage auf eine sinkende Sparquote zurückzuführen ist, nicht auf einen deutlichen Anstieg des verfügbaren Einkommens.

Eine weitere Komplikation ergibt sich aus der Schuldengrenze: In den USA wird irgendwann zwischen März und Mai die maximal zulässige Schuldenhöhe von 14,3 Billionen US-Dollar erreicht. Eine weitere Neuverschuldung ist dann nur möglich, wenn der Kongress entsprechende Gesetze verabschiedet. Das wird womöglich nicht reibungslos vonstatten gehen.

EZB zeigt Zurückhaltung beim Thema Inflationsbekämpfung
Trotz enttäuschender Inflationszahlen (2,4 %) in der Eurozone äußert sich die EZB zum Thema Inflationsbekämpfung zunehmend zurückhaltender. „Es gibt zwar Anzeichen für eine Entspannung in der europäischen Staatsschuldenkrise, dennoch wäre eine Zinserhöhung in diesem Zusammenhang hochgradig destabilisierend. Eine Zinserhöhung ist darum auf absehbare Zeit ausgeschlossen“, argumentiert Doeswijk.

Europas Politiker haben die Schuldenkrise vorläufig mit einigen vielversprechenden Initiativen eingedämmt. Man sucht nach Konsens über einen Wettbewerbspakt und will die European Financial Stability Facility stärken.

Aber die Krise ist noch längst nicht ausgestanden. „Ob Griechenland und Irland zahlungsfähig sind, ist immer noch zweifelhaft. Bei Portugal und Spanien bleiben viele Fragenzeichen“, merkt Doeswijk an.

Die Peripherie der Eurozone wird sich 2011 wahrscheinlich in einer Rezession befinden, aber das Wachstum in Deutschland dürfte recht stark sein. Der Inflationsdruck nimmt zu. Aber die Geldpolitik wird lockerer bleiben, als es für die größte Volkswirtschaft der Region am besten wäre.

Gute Nachrichten aus der japanischen Industrie, aber schwächelnder Konsum
Aus der japanischen Industrie kommen den zweiten Monat in Folge positive Nachrichten: Die Industrieproduktion ist im Dezember um 3,1 % gegenüber dem Vormonat gewachsen, und die Aussichten für den Januar (+5,7 %) sind sogar noch besser als zuvor angegeben.

Klar ist zwar, dass die japanische Wirtschaft ihren Schwachpunkt im dritten Quartal überwunden hat, aber die Erholung in der Industrie hat nicht auf die Inlandswirtschaft übergegriffen. Einzelhandelsumsatz (–2,0 %), Ausgaben der privaten Haushalte (–3,3 %) und Supermarktumsätze (–1,6 %) – alle diese Zahlen spiegeln die schwächelnde Nachfrage im Dezember wider.

Restriktivere Geldpolitik für wichtige Schwellenmärkte absehbar
In allen wichtigen Schwellenländern ist in den nächsten Monaten mit einer restriktiveren Geldpolitik zu rechnen. „Die Maßnahmen werden wahrscheinlich eher bescheiden bleiben, um anhaltend starkes Wachstum zu garantieren“, so Doeswijk.

In China hingegen ist der Einkaufsmanagerindex im Januar gesunken. Offenbar ist es der Regierung also gelungen, die chinesische Wirtschaft auf einen etwas langsameren Wachstumspfad zu lenken. Die Inflation ist im Dezember zwar gesunken, bleibt aber mit 4,6 % problematisch hoch.

Weiterhin positive Einschätzung der Aktienmärkte
In diesem Umfeld ist das Financial Markets Research-Team nach wie vor in Aktien übergewichtet. „Die Aktienmärkte dürften weiterhin vom makroökonomischen Umwelt profitieren: Die meisten Zahlen deuten auf eine anhaltende wirtschaftliche Erholung hin, die aber nicht so kräftig ist, dass sie eine Reihe von Zinserhöhungen zur Folge hat“, so Doeswijk.

„Wir erwarten, dass Gewinne, zunehmende Fusionen und Übernahmen sowie eine lockere Geldpolitik den Aktienkursen weiter zugute kommen“, merkt er an und ergänzt, dass die Schuldenkrise in der Eurozone die Marktstimmung wahrscheinlich von Zeit zu Zeit eintrüben dürfte.

Schwellenmärkte bleiben die bevorzugte Region bei Aktien
Trotz der Turbulenzen in Ägypten sind die Schwellenmärkte noch immer die vom Team bevorzugte Region im Bereich Aktien. In den vergangenen zwei Monaten sind die Schwellenmärkte jedoch hinter dem MSCI AC World Index zurückgeblieben. Doeswijk ist der Überzeugung, dass diese Unterperformance zum Teil auf Ägypten zurückzuführen ist, aber auch auf Gewinnmitnahmen und enttäuschende Inflationsdaten.

„Keiner der genannten Faktoren ändert unsere Einschätzung, dass die Schwellenmärkte derzeit die attraktivste Region sind“, sagt er. Zugleich hat das Team keine ausgeprägten Vorlieben zwischen den entwickelten Regionen.

Zyklische Sektoren weiterhin bevorzugt vor defensiven Branchen
Mit Blick auf Sektoren ist die Positionierung des Teams weitgehend unverändert. „Der Konjunkturzyklus ist noch in der Phase des beschleunigenden Wachstums. Da wir zudem moderatem Wirtschaftswachstum rechnen, bevorzugen wir weiterhin zyklische Aktien“, sagt Doeswijk.

Genauer gesagt gefallen dem Team Industriewerte und zyklische Konsumgüter. Das gilt trotz des negativen relativen Momentum, das sich für die zuletzt genannten Titel in den vergangenen Monaten aufgebaut hat. Defensive Aktien beurteilt das Team weiter negativ.

Eine Nuance im Standpunkt des Teams ist aber, dass sich die Aussichten für Finanzwerte verbessern. Die Gefahr von Enttäuschungen sinkt mit dem Fortschreiten des Konjunkturzyklus. Zudem ist ein weiteres Jahr mit Zinsen auf einem historisch niedrigen Niveau – und folglich steilen Zinskurven – ebenfalls positiv für den Sektor. Andererseits sind das relative Momentum und die Gewinnrevisionen weiterhin schwach. Obgleich also die allgemeine Einschätzung des Teams negativ bleibt, ist eine positivere Sicht des Sektors gerechtfertigt.

Kein Gefallen an Staatsanleihen, aber kein dramatischer Zinsanstieg zu erwarten
Staatsanleihen finden bei Doeswijk und seinen Kollegen derzeit kein Gefallen. Dennoch ist nicht mit größeren Verkäufen zu rechnen. „Staatsanleihen sind aus langfristiger Sicht nicht attraktiv. Allerdings erwarten wir in nächster Zeit keinen nennenswerten Anstieg der langfristigen Zinsen“, merkt er an.

Welche Faktoren stehen dahinter? Erstens sind die Zahlen zur Kerninflation, Großbritannien ausgenommen, keineswegs alarmierend. Zweitens ist die Kapazitätsauslastung recht gering, sodass die Produktion problemlos steigen kann, und zugleich ist die Arbeitslosigkeit so hoch, dass keine Arbeitskosteninflation zu befürchten ist.

Unternehmensanleihen immer noch bevorzugt
Das Team gibt Unternehmensanleihen – Investment-Grade-Anleihen und Hochzinsanleihen – den Vorzug vor Staatsanleihen. Die Spreads bei Unternehmensanleihen ziehen weiterhin an und liefern dabei attraktive Renditen. Wie weit kann dieser Rally gehen?

„Wir meinen, dass es noch ein ganzes Stück weitergehen kann, da wir mit einem moderaten Wirtschaftswachstum rechnen, und mit einem Durchwursteln bei der Schuldenkrise in der Eurozone“, so Doeswijk.

Zum einen sind die Ausfallquoten gering, und bei den Bonitätsratings gibt es mehr Hochstufungen als Herunterstufungen. Darüber hinaus dürfte das moderate Wachstum Unternehmen von kostspieligen Fusionen und Übernahmen abhalten. Zu guter Letzt ist es unwahrscheinlich, dass die Bewertung einer angemessenen weiteren Performance im Wege steht.

Vorsichtig optimistisch für den Immobilienmarkt
Immobilien fällt es schwer, mit Aktien Schritt zu halten, denn sie reagieren empfindlicher auf die langfristigen Zinsen, die in den letzten Monaten gestiegen sind. Dennoch erwartet Doeswijk für diese Anlageklasse angemessene Erträge. „Nach unserer Einschätzung werden die Zinsen nur noch geringfügig steigen. Zudem haben Immobilien Aktien in Bezug auf das Ertragswachstum eingeholt“, sagt er.

Die Bewertung relativ zu Aktien liegt zwar leicht über dem historischen Durchschnitt, dennoch glaubt er nicht, dass dies die Wertentwicklung von Immobilien nennenswert schmälern wird. Voraussichtlich wird der Trend in den kommenden Monaten im Gleichschritt mit den Aktienmärkten weiter nach oben zeigen.

Weiterer Anstieg der Rohstoffpreise wahrscheinlich
Auch die Aussichten für Rohstoffe sind positiv, denn das Angebot hält mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt. „Dieser längerfristig zugrunde liegende Trend trifft nun mit besseren Zahlen beim Produzentenvertrauen zusammen – damit nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Rohstoffpreise kurzfristig weiter steigen.

 

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