Zahlreiche schwarze Schwäne im globalen Wirtschaftsteich

Die globale wirtschaftliche Erholung wird durch einige besorgniserregende negative Faktoren infrage gestellt. Strategist Lukas Daalder erläutert, warum sein Ausblick nur vorsichtig optimistisch ist.

19.04.2011 | 09:58 Uhr

Die globale wirtschaftliche Erholung kommt gut voran. Nach Angaben der OECD ist sie sogar selbsttragend. Gleichzeitig jedoch wird die Erholung durch zunehmende Unsicherheit infrage gestellt. Angesichts dieser Gemengelage bleibt das Financial Markets Research-Team bei seiner vorsichtig optimistischen Einstellung. Das Team bevorzugt Immobilien, Unternehmensanleihen (Hochzinsanleihen und Anleihen von Unternehmen) sowie Rohstoffe. Staatsanleihen und Barbestände werden nicht bevorzugt, während Aktien mit „neutral“ bewertet werden.

Das wirtschaftliche Bild ist also gemischt: Oberflächlich rosig, aber mit einigen hässlichen Untertönen. Einerseits setzt sich die Erholung fort. „Die Hauptgründe für den Optimismus sind bessere Bedingungen für Unternehmen und Besserungen auf den Arbeitsmärkten, die zu mehr privatem Konsum beitragen könnten”, sagt Lukas Daalder. Außerdem sehen die Bilanzen der Unternehmen sehr solide aus.

Gleichzeitig steigt die Unsicherheit. Der Vorsitzende des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, bemerkte dazu kürzlich: „In dem globalen Wirtschaftsteich schwimmen zurzeit zahlreiche schwarze Schwäne.“
Unsicherheiten entstehen durch die Konsequenzen der wachsenden Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft, durch die Atomkatastrophe in Japan, die anhaltende politische Unruhe im Nahen Osten und die anscheinend endlose Staatsschuldenkrise in der Eurozone.

Besorgniserregend ist auch der höhere Inflationsdruck. Dies veranlasste die EZB als erste größere Zentralbank der entwickelten Länder, die Zinssätze Anfang April um 25 Basispunkte zu erhöhen.

„Die Bank of England (BoE) steht unter enormem Druck zu folgen”, so Lukas Daalder. Auch vom FOMC in den USA hört man Forderungen nach einer Straffung der Geldpolitik.

Budgetdefizit und hohe Ölpreise lassen die FED zögern
Solche Forderungen zeigen, dass die US-Volkswirtschaft in vielerlei Hinsicht erholungsfähig ist. Das Vertrauen der Produzenten ist angenehm hoch und das Verbrauchervertrauen weiter robust; gestützt wird dies durch Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt: Im Privatsektor sind seit Anfang des Jahres fast eine halbe Million Jobs entstanden.

Ein weniger optimistisches Bild zeigt sich jedoch im Wohnimmobiliensektor: Die Zahlen bei Verkauf, Bau und Preise haben sich im ersten Quartal durchgehend verschlechtert. „Insgesamt gesehen überwiegen die positiven Aspekte des stärkeren Arbeitsmarktes letztendlich die negativen Faktoren auf dem Wohnimmobilienmarkt“, betont Lukas Daalder.

Trotzdem ist es noch zu früh für den Schluss, dass die USA einen selbsttragenden Aufschwung erreicht haben. Zwei weitere potenzielle Bedrohungen – das Patt beim US-Staatsdefizit und der Anstieg der Ölpreise – halten die Federal Reserve Bank davon ab, die Zinsen zu erhöhen.

Mit der EZB-Zinserhöhung verbundene Erwartungen sind übertrieben
In der Eurozone sehen wir ein solides Wirtschaftswachstum in Frankreich und Deutschland, aber in der Peripherie, insbesondere in Spanien, Irland und Griechenland, bleibt das Wachstum schwach. Es sieht allerdings zumindest derzeit so aus, als ob die Rentenmärkte Spanien für ein sicheres Anlageland halten.

Die europäische Staatsschuldenkrise ist jedoch noch lange nicht vorbei. Längerfristig könnte sie ohne Weiteres wieder aufflammen, da innerhalb der Eurozone weiterhin Wachstumsdifferenzen bestehen, der neu geschaffene europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) politisch unzureichend unterstützt wird und Ansteckungsgefahr während einer späteren Phase der Restrukturierung der Staatsverschuldung besteht.

In der Zwischenzeit ist die Zinserhöhung der EZB für die spanische Wirtschaft alles andere als hilfreich. Auch dann jedoch sollten selbst die schwächeren Volkswirtschaften in der Lage sein, die Folgen der wahrscheinlich strafferen Geldpolitik der EZB zu verkraften. „Die EZB wird wahrscheinlich keine Serie von Zinserhöhungen einleiten, auch wenn der Markt etwas Anderes erwartet”, sagt Lukas Daalder.

Schließlich belief sich die Kerninflation im Februar noch auf komfortable 1,0 %. Die EZB konzentriert sich jedoch auf die Headline-Inflation und zog die Notbremse, als die Gesamtinflationsrate im März auf enttäuschende 2,6 % kletterte. Dies war angesichts der Sorgen über eine steigende Inflation der letzte auslösende Tropfen.

Perspektive für Japan verschlechtert
„Wir können uns an keine einzige positive Nachricht seit dem Erdbeben in Japan am 11. März erinnern“, so Lukas Daalder, der gleichzeitig das Argument abwehrt, dass die stagnierende japanische Volkswirtschaft durch den Wiederaufbau einen Schub erhalte.

Japan sei keine junge, dynamische Volkswirtschaft, so sein Argument. Japan habe auch keine wohlhabende Regierung, die auf die Beseitigung der aktuellen Probleme gut vorbereitet ist, die enorm sind. „Aus einer Top-Down-Perspektive zeigt sich, dass sich die Prognosen für Japan eindeutig verschlechtert haben”, sagt Daalder.

Hohe Inflation ist zentrales Thema für die wichtigsten Schwellenmärkte
In den Schwellenmärkten setzt die gestiegene Inflation die Zentralbanken unter Druck. „Sinkende Nahrungsmittelpreise bewirken eine gewisse Entlastung, aber eine zumindest moderat straffere Geldpolitik ist wahrscheinlich“, meint Lukas Daalder.

Die chinesische Volksbank erhöhte die Zinssätze unerwartet schon am 6. April, noch vor dem anstehenden Inflationsbericht, der wahrscheinlich enttäuschend ausfällt. In China wurden die Zinsen innerhalb von weniger als sechs Monaten zum 4. Mal erhöht. Neben den Geldmarktinstrumenten nutzt die Regierung Subventionen, staatliche Nahrungsmittelreserven und die Drohung mit Preiskontrollen zur Bekämpfung der Inflation. Weitere moderate Maßnahmen zur Straffung der Geldpolitik sind zu erwarten.

Angesichts der hohen Inflation in den anderen BRIC-Ländern – 6,1 % in Brasilien, 8,3 % in Indien und 9,5 % in Russland – ist in den kommenden Monaten mit weiteren Sparmaßnahmen zu rechnen.

Aktien bleiben neutral
In diesem Umfeld bleibt das Financial Markets Research-Team bei seiner vorsichtig optimistischen Einstellung. Die Prognosen für Aktien bleiben neutral. „In der Vergangenheit haben sich Aktien in der ersten Phase einer strafferen Geldpolitik meist seitwärts entwickelt“, so Lukas Daalder. „Berücksichtigt man dazu noch die andauernden Spannungen im Nahen Osten, können wir weiter abwarten, wie sich Aktien entwickeln.”

Schwellenmärkte immer noch die bevorzugte Region bei Aktien
Bei Aktien bevorzugt das Team weiter Schwellenmärkte, die im letzten Monat die beste regionale Performance erzielten und von einer seltenen Flucht in sichere Anlagen profitierten. „Nach den Erfahrungen mit der Kreditkrise werden die Schwellenmärkte jetzt als die Märkte mit den besten Fundamentaldaten im Fall einer Krise betrachtet”, sagt Lukas Daalder.

Was die USA anbetrifft, so bleibt das Team neutral, während Europa und der pazifische Raum nicht zu den bevorzugten Anlageregionen gehören. Die schlechten Aussichten für Japan dominieren im Pazifikraum. „Aus einer Bottom-up-Perspektive gesehen sind Aktien billig”, sagt Daalder, aber die Fundamentaldaten für die Zukunft des Landes haben sich eindeutig verschlechtert.

In den verschiedenen Wirtschaftssektoren bevorzugt das Team Industrietitel, Aktien für Nicht-Basiskonsumgüter und insbesondere Telekommunikationspapiere, obgleich Lukas Daalder vermerkt, dass zyklische Papiere genau beobachtet und ggf. abgebaut werden.

„Als allgemeiner Trend ist zu erkennen, dass die Outperformance der zyklischen Sektoren früher beendet war als aufgrund des Saisonmusters zu erwarten war”, beobachtet er, und verweist dazu auf die ständige Unterperformance der IT-Papiere in den vergangenen Monaten. Finanztitel und Aktien von Versorgern gehören nicht zu unseren bevorzugten Aktien.

Immobilien weiter gegenüber Aktien bevorzugt
Lukas Daalder und seine Kollegen bevorzugen vorerst weiterhin Immobilien gegenüber Aktien. Immobilien erzielten gegenüber anderen risikoreichen Anlagen im vergangenen Monat eine Unterperformance (-2,5 %), sodass die Gesamtrendite im Dreimonatsvergleich bei -5,8 % liegt.

Die Bevorzugung von Immobilien gegenüber Aktien beruhte auf der Annahme, dass diese Anlageklasse weniger empfindlich auf den Anstieg der Ölpreise reagieren würde, während bei den Anleihezinsen mit einem Absinken gerechnet wurde. „Obgleich wir nach wie vor glauben, dass beide Annahmen korrekt sind, sind wir von der relativen Performance von Immobilien gegenüber Aktien immer weniger überzeugt“, gibt Lukas Daalder zu.

Unternehmensanleihen weiter gegenüber Staatsanleihen bevorzugt
Wie andere risikoreiche Anlagen wurden Unternehmensanleihen von der Flucht in sichere Papiere getroffen, nur um im Laufe der Zeit wieder an Boden zu gewinnen. Die Unternehmen der Eurozone erzielten im vergangenen Monat in der Regel eine Outperformance gegenüber den US-Unternehmen. Die Differenz war jedoch im Kreditbereich deutlicher als bei Hochzinsanleihen. „Wir rechnen weiter damit, dass Unternehmensanleihen eine Outperformance gegenüber Staatsanleihen erzielen“, so Lukas Daalder.

Weitere Gewinne bei Rohstoffen wahrscheinlich
Das Team bleibt bei den Aussichten für Rohstoffe weiter optimistisch. Spannungen im Nahen Osten führen zu einer Erhöhung des Ölpreises. Es wäre jedoch falsch, diesen ständigen Anstieg des Ölpreises nur auf politische Unruhen zurückzuführen. „Bevor die Krise ausbrach, stieg der Ölpreis bereits aufgrund der anhaltenden Erholung der Weltwirtschaft”, sagt Daalder.

Tatsächlich sind alle Subindizes für Rohstoffe im Jahresvergleich höher und sind die Preise fast mit den Höchstwerten der letzten zwei Jahre vergleichbar. „Wir erwarten eine weitere Outperformance der Rohstoffe als Anlageklasse”, schlussfolgert er.

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