Politische Entscheidungen im Fokus

Einfluss der Politik auf die Finanzmärkte dürfte weiter zunehmen

09.09.2011 | 17:27 Uhr

Die Wirtschaftspolitik sieht sich anscheinend durch die Entwicklungen an den Finanzmärkten zunehmend zu radikaleren Schritten gezwungen. So verpflichtete sich beispielsweise die Schweizer Nationalbank unbegrenzt „Geld zu drucken“, um den Schweizer Franken gegenüber dem Euro stabil zu halten. Der anhaltende Kapitalfluss in die Schweiz hat dementsprechend einen dramatischen Anstieg der Euro-Devisenreserven zur Folge. Allein im August kaufte die Schweizer Nationalbank mit den Euro-Devisenreserven französische und deutsche Staatsanleihen in einer geschätzten Höhe von 30 Mrd. EUR. Damit dürfte die Schweizer Nationalbank zu einer Verzerrung der Spreads in der Eurozone beitragen und zu einem künstlich niedrigeren Renditeniveau in Deutschland und Frankreich.

Staatsschuldenkrise in Europa

Auch in der Eurozone diskutieren die politisch Verantwortlichen zunehmend radikalere Schritte zur Lösung der Staatsschuldenkrise. Die Lösungsansätze bewegen sich zwischen den „Vereinigten Staaten von Europa“ auf der einen Seite und einer Verkleinerung der Währungsunion auf der anderen Seite. Bisher scheint der Weg eher in Richtung einer Fiskalunion zu gehen als in Richtung eines Auseinanderbrechens des Euro. Dazu müssen jedoch einige Hürden überwunden werden. Die Entwicklung der Staatsfinanzen ist dabei ein wichtiger Ausgangspunkt für den weiteren Verlauf der Staatsschuldenkrise, womit dem Jahresbericht zur Lage der öffentlichen Haushalte in der EU von der EUKommission (Mo) eine besondere Bedeutung zukommt. In der kommenden Woche stimmen darüber hinaus das niederländische und belgische Parlament (Di) sowie das finnische Parlament (Do) über die Erweiterung des EFSF ab. Grundsätzlich wird mit einer Zustimmung gerechnet, Risiken einer überraschenden Ablehnung bestehen jedoch. Auch treffen sich die EWU/EU-Finanzminister (Do bis Sa), um unter anderem eine Lösung für die Frage der Sicherheiten für die Kredite an Griechenland zu finden. Vor dem Hintergrund der Konjunkturrisiken war die EZB zu einem Kurswechsel gezwungen: Betonte sie im August noch die Inflationsrisiken, so sind nun die Konjunkturrisiken in den Vordergrund getreten. Die EZB hat damit die Grundlage für eine geldpolitische Lockerung im Oktober gelegt.

USA

Auch in den USA scheint sich eine Radikalisierung der Wirtschaftspolitik abzuzeichnen. Die amerikanische Zentralbank dürfte bei ihrem Treffen am 20.und 21. September neue unorthodoxe geldpolitische Lockerungsmaßnahmen beschließen. Zudem scheinen die USA trotz eines Rekord-Haushaltsdefizits und einer Rekord-Verschuldung kurz vor einem neuen Konjunkturpaket in Höhe von 447 Mrd. USD zu stehen. Die USA können sich aus politischen Gründen keine Deflation leisten, da der Rentenmarkt fest in ausländischer Hand ist und die privaten Haushalte überwiegend am Aktienmarkt investiert sind. Die Republikaner dürften vor diesem Hintergrund dem Konjunkturpaket in großen Teilen zustimmen. Sehr schwache Geschäftsklimaindizes – Empire State Index (Do) sowie Philadelphia Fed Index (Do) im September – dürften den Handlungsdruck auf die Politik noch verstärken. Im Gegensatz zu den prognostizierten Rückgängen bei den Vertrauensindikatoren erwarten wir inen moderaten Anstieg bei den Einzelhandelsumsätzen (Mi) und der Industrieproduktion (Do).

Inflation

Die traditionellen Ansätze zur Inflationsprognose, die die Kapazitätsauslastung und die Arbeitslosenquote einsetzen, konnten den Inflationsanstieg in den vergangenen Monaten nicht erklären. So hätte die Kerninflation in den USA nach den traditionellen Ansätzen bei Arbeitslosenquoten um 9 % weiter fallen müssen. Tatsächlich dürfte
die Kerninflation (Do) gestiegen sein, von 0,6 % im Oktober 2010 auf 1,9 % im August dieses Jahres. Auch in der Eurozone rechnen wir mit einem Anstieg der Kerninflation (Do) von 0,8 % Anfang 2010 auf 1,8 % bis Jahresende. Im August dürfte die Kerninflationsrate aufgrund von statistischen Verzerrungen jedoch noch bei 1,2 % verharrt haben. In Großbritannien dürfte sich die Inflation auf 4,6 % im August beschleunigt haben. Die reale Rendite bei 10-jährigen Staatsanleihen aus Großbritannien liegt damit schon seit mehr als 18 Monaten im negativen Bereich und aktuell bei -2,3 %. Es gibt also keinen direkten Zusammenhang zwischen Inflation und der Rendite von Staatsanleihen.

Der Inflationsanstieg in den vergangenen Monaten ist unserer Einschätzung nach eine Folge der ultralockeren Geldpolitik und der Überschussliquidität. Es ist sicherlich fraglich, welchen Effekt QE2 in den USA auf die Realwirtschaft hatte; auf die Inflation dürfte QE2 dagegen einen positiven Effekt gehabt haben. Die Finanzmarktturbulenzen der vergangenen Wochen stellen einen deflationären Schock dar, der für einen Rückgang der Inflationsraten in den kommenden Monaten sorgen dürfte. Im Falle einer Verschärfung der Staatsschuldenkrise in Europe und/oder einer tiefen Rezession würden die Deflationsrisiken deutlich steigen und eine konjunkturelle Abwärtsspirale mit einer Konkurswelle könnte drohen. Sollte sich die Wirtschaft, wie von uns erwartet, gegen Jahresende stabilisieren, könnte es im Jahresverlauf 2012 wieder zu steigenden Inflationsraten und aufgrund der Radikalisierung der Wirtschaftspolitik sogar zu einer Beschleunigung der Inflation ab 2013 kommen. Die wirtschaftliche Dynamik in den kommenden Monaten ist somit ein entscheidender Faktor für den Inflationsausblick.

 

 Der Wochenausblick im PDF-Dokument.

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