Europa auf dem Weg in die Fiskalunion

EU-Gipfel mit weitreichenden Entscheidungen

05.12.2011 | 08:48 Uhr

Vielleicht gilt im aktuellen Umfeld die alte Börsenweisheit: „Sobald die Politiker beginnen in Panik zu geraten, ist die Panik an den Finanzmärkten beendet“. Der Stress im europäischen Bankensystem nahm in den vergangenen Wochen erheblich zu, so dass Bankenpleiten aufgrund von Liquiditätsengpässen immer wahrscheinlicher wurden. Einzelne Banken kämpften anscheinend mit einem Mangel an repofähigen Sicherheiten, um sich bei der EZB ausreichend refinanzieren zu können. Darüber hinaus konnten europäische Banken kaum noch Geldmarktpapiere in USD platzieren und wurden so zunehmend von der USD-Refinanzierung abgeschnitten.          

Die konzertierte Aktion der wichtigsten Zentralbanken in dieser Woche dürfte erst der Auftakt zu weiteren Maßnahmen sein. Die EZB (Do) dürfte auf ihrer Sitzung den Leitzins auf 0,75 % reduzieren, um die rezessiven Tendenzen in der europäischen Wirtschaft zu bekämpfen. Darüber hinaus sehen wir eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die EZB einen 2- und 3-Jahrestender einführt und die Kriterien für die Sicherheiten nochmals lockert. Mit diesem umfassenden Maßnahmenpaket könnten sich die europäischen Banken ausreichend mit EUR- und USD-Liquidität versorgen; die Risiken einer eskalierenden Bankenkrise wären eingedämmt.  

Die Probleme der europäischen Banken sind eng mit der europäischen Staatsschuldenkrise verbunden, da die Banken in einem großen Umfang europäische Staatsanleihen halten. Eine nachhaltige Stabilisierung des europäischen Bankensystems setzt daher auch eine Beruhigung an den europäischen Rentenmärkten voraus.

Die Turbulenzen an den europäischen Rentenmärkten in den vergangenen Wochen scheinen eher eine Folge eines dramatischen Vertrauensverlustes in den Zusammenhalt der Eurozone als eine Solvenzkrise zu sein. Nach den gängigen Modellen zur Beurteilung der Solvenz einzelner Staaten sind Italien und Spanien nach wie vor als solvent zu klassifizieren. Eine Voraussetzung dafür sind jedoch Zinsen unter 7 %. Eine Vertrauenskrise kann man grundsätzlich durch Liquiditätsmaßnahmen in den Griff bekommen. Ein Nachteil der Liquiditätsmaßnahmen ist jedoch ein nachlassender politischer Handlungsdruck. Eine Fiskalunion kann den durch die Finanzmärkte ausgelösten politischen Handlungsdruck durch entsprechende Regeln ersetzen. Dementsprechend erwarten wir beim EU-Gipfel (Fr) einen großen Schritt in Richtung einer europäischen Fiskalunion mit automatisierten Regeln für die Haushaltsführung der Staaten. Damit wäre der Weg frei für umfassende Liquiditätsmaßnahmen. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass die Liquidität vom EFSF mit Refinanzierungsmöglichkeiten bei der EZB bereitgestellt wird. Es scheint jedoch, als hätten sich die EU-Politiker für den Weg entschieden, die EZB-Liquidität über den IWF bereitzustellen. Die heute angekündigte Bereitstellung von 100 bis 200 Mrd. EUR dürfte dabei nur ein erster Schritt sein. Selbstverständlich gehen von den Liquiditätsmaßnahmen inflationäre Risiken aus. Das Alternativszenario einer weiter zurückhaltenden Politik hätte jedoch massive deflationäre Effekte.

Die Konjunkturdaten in Europa signalisieren zudem einen dringenden Handlungsbedarf. So erwarten wir einen deutlichen Rückgang der Auftragseingänge (Di) in der deutschen Industrie von mehr als -1 % sowie einen Rückgang der deutschen Industrieproduktion (Mi).

China
Die chinesische Zentralbank leitete mit der Reduzierung der Mindestreserve zuletzt eine Trendwende in der Geldpolitik ein. Die Lockerung der Geldpolitik ist sicherlich eine Folge der nachlassenden Konjunkturdynamik, der Sorgen vor den negativen Effekten der europäischen Staatsschuldenkrise sowie der Probleme am chinesischen Immobilienmarkt. So verzeichneten die Immobilienpreise im Oktober einen landesweiten Rückgang und einige Bauunternehmen scheinen mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Auch erwarten wir einen Rückgang der Wachstumsrate der Industrieproduktion von 13,2 % im Oktober auf unter 12 % im November. Die chinesische Wirtschaftspolitik hat jedoch genug Munition, um einen stärkeren Wirtschaftseinbruch zu verhindern.  

USA
Die US-Wirtschaft überrascht derzeit trotz vieler negativer Frühindikatoren mit soliden Daten. So erwarten wir auch einen Anstieg beim ISM-Index für den Dienstleistungssektor (Mo).

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