Bessere Aussichten für Emerging Markets-Aktien

Wim-Hein Pals, Bereichsleiter Emerging Markets-Aktien bei Robeco, beurteilt die Aussichten für Emerging Markets-Aktien, dank eindrucksvoller Wachstumsaussichten, eines deutlich besseren Risikoprofils und eines attraktiven Bewertungsniveaus, als durchaus positiv.

24.02.2012 | 10:26 Uhr

2011 war kein gutes Jahr für Emerging Markets-Aktien. Bei Betrachtung in Euro verloren sie 15,7% und schnitten damit wesentlich schlechter ab als weltweite Aktien, die nur 4,2% einbüßten. Diese schwache Wertentwicklung war vor allem auf eine stärkere Risikoaversion, zunehmende Inflationsängste und ein enttäuschendes Weltwirtschaftswachstum zurückzuführen.

2012 scheint die Situation aber ganz anders zu sein. Die Aktienmärkte der Schwellenländer hatten einen erfreulichen Start ins neue Jahr und erzielten im Januar zweistellige Renditen. Und auch für den Rest des Jahres sind die Aussichten ziemlich gut.

"Unsere Auffassung zu den Schwellenländern ist für 2012 positiv," sagt Wim-Hein Pals. Diese Einschätzung - so betont er - beruht aber auf der Annahme, dass eine abschließende Lösung für die Euro-Schuldenkrise gefunden wird, womit er auch rechnet. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung, weil eine weniger volatile Eurozone die Risikobereitschaft steigen lassen sollte.

Die fundamentalen Rahmendaten sind solide, aber die Kurse könnten fallen, wenn sich die Anleger sichereren Instrumenten zuwenden
Es liegt eine gewisse Ironie in diesem Ausblick und darin, dass eine erhöhte Risikoaversion zu der unterdurchschnittlichen Performance im Jahr 2011 beigetragen hat. Denn die Schwellenländer verfügen nicht nur über bessere Wachstumsaussichten als die Industrieländer, was eigentlich zu erwarten ist. In vielerlei Hinsicht sind auch ihre Fundamentaldaten besser. Deshalb ist die Abhängigkeit ihrer Aktienmärkte von der Risikobereitschaft der Investoren schwer nachzuvollziehen, wenn man die tatsächlichen Eigenschaften dieser Märkte nüchtern betrachtet.

Zu den positiven Aspekten in Bezug auf die Schwellenländer gehören ihre eindrucksvollen, langfristigen Wachstumsperspektiven, aber auch die soliden kurzfristigen Aussichten. Diesbezüglich ist das hervorragende Risikoprofil der Schwellenländer entscheidend: Sie sind nicht mit den massiven Verschuldungsproblemen konfrontiert, mit denen die meisten Industrieländer gegenwärtig zu kämpfen haben.

An den langfristigen Wachstumsaussichten hat sich nichts geändert
Sehen wir uns diese Faktoren einmal genauer an. Erstens die langfristigen Wachstumsperspektiven: Hier besteht ein bedeutender Wachstumsabstand zwischen den Schwellen- und den Industrieländern. Denn das strukturelle Wachstumsniveau ist in den Schwellenländern generell höher.

In den Industrieländern dürfte das Wachstum in den nächsten Jahren unter dem bisherigen Trend liegen, da die Eurozone wieder auf eine Rezession zusteuert. Dem stehen Wachstumsraten von 5,0% im letzten Jahr und von voraussichtlich 4,5% in diesem Jahr in den Schwellenländern gegenüber.

Worauf basiert das Wachstum in den Schwellenländern? Ein Faktor ist die fortschreitende Urbanisierung, die mit höheren Verbrauchsausgaben und Anlageninvestitionen einhergeht. Dies wiederum heizt die Nachfrage nach Rohstoffen an.

Gleichzeitig tragen die Schwierigkeiten, vor denen die Industrieländer derzeit stehen, dazu bei, dass mehr Auslandsdirektinvestitionen in die Schwellenländer fließen und mehr Wirtschaftsaktivitäten dorthin verlagert werden. "Die Produktivität in den Schwellenländern nimmt deutlich zu," merkt Pals hierzu an.

Erfreuliche kurzfristige Aussichten
Auch das kurzfristige makroökonomische Bild hat sich verbessert. Zum einen ist die Inflation in den Schwellenländern zurzeit kein großes Thema. Zwar hat sich der Preisauftrieb im letzten Jahr rasant erhöht und eine Verschärfung der Geldpolitik ausgelöst. Inzwischen aber ist die Inflation in den Schwellenländern weitgehend unter Kontrolle. Dies hat zu Zinssenkungen in Ländern wie Brasilien, der Türkei und Indonesien geführt, und China veranlasst, die Mindestreserveanforderungen für die Banken des Landes zu senken.

Weitere Zinssenkungen werden folgen. "Wir rechnen 2012 in mehreren Ländern mit einer Lockerung der Geldpolitik," sagt Pals. Kurz gesagt sind die widrigen Faktoren, die den Schwellenländern 2011 zu schaffen machten, verschwunden.

Ein weiterer Aspekt ist China, wo eine Konjunkturverlangsamung befürchtet wird. Pals ist aber in Bezug auf das BIP-Wachstum Chinas optimistisch: "Wir erwarten 2012 8-9% Wachstum. Der chinesischen Regierung wird es wahrscheinlich gelingen, den Schwerpunkt beim Wirtschaftswachstum vom Export in Richtung Binnennachfrage und Konsum zu verschieben." Außerdem verfügt China nach wie vor über reichlich Spielraum, um notfalls die Wirtschaft stimulieren zu können.

Das ist aber noch nicht alles. Pals ist auch im Hinblick auf Rohstoffe, vor allem Energie, "relativ zuversichtlich". Darüber hinaus sollten die Kapitalströme unterstützend wirken. "Die Investoren sitzen auf sehr viel Geld, das angelegt werden will. Deshalb wird wieder mehr Kapital in diese Anlageklasse fließen und die Aktienkurse nach oben treiben," erwartet Pals.

Besseres Risikoprofil
Es gibt jedoch einen weiteren wichtigen Punkt, den man nicht übersehen sollte. Das Risikoprofil der Schwellenländer hat sich sehr verbessert und die Bilanzen sind grundsolide. "Dies gilt gleichermaßen für die öffentlichen Haushalte, die Unternehmen und die Verbraucher in diesen Ländern," merkt Pals an.

"Das Risikoprofil der Anlageklasse hat sich dramatisch verändert und sie sollte deshalb nicht mehr als so riskant angesehen werden."

Diesbezüglich hat es in den letzten zehn Jahren eine bedeutende Veränderung gegeben. Noch vor zehn Jahren wurde 'Risiko' weitgehend mit 'Ausfallrisiko' gleichgesetzt. In den 1990er Jahren und nach der Jahrtausendwende kam es in den Schwellenländern zu mehreren Krisen: von der Wirtschaftskrise im Mexiko (1994) über die Finanzkrise in Asien (1997-98) und den Zahlungsausfall Russlands (1998) bis zu den Finanzkrisen in der Türkei (2001/2002) und Argentinien (2001). "Viele Länder waren ganz klar überschuldet," stellt Pals fest.

Das ist nicht länger der Fall. Heute weisen die meisten Schwellenländer Haushalts- und Außenhandelsüberschüsse auf und ihre Finanzlage ist sehr solide. "Der Großteil der Hartwährungsreserven befindet sich heute in den Händen von Schwellenländern," macht Pals deutlich und verweist auf die Devisenreserven Chinas in Höhe von 3,2 Billionen US-Dollar. "Niemand rechnet mit einem Zahlungsausfall der Schwellenländer. Das Risiko in diesen Ländern ist deutlich zurückgegangen," fügt er hinzu.

Schadet der Konjunkturrückgang in den Industrieländern den Schwellenländern?
Statt dessen sind es jetzt die Industrieländer, die Schuldenprobleme haben. Möglicherweise stellt sogar ein etwaiger Rückfall der Industrieländer in eine Rezession derzeit das größte Risiko für die Schwellenländer dar. Sicherlich bliebe eine solche Entwicklung nicht ohne Folgen für diese Länder.

Die Ansicht, dass es den Schwellenländern wegen ihrer Exporte in die Industrieländer so gut geht, ist allerdings übertrieben. Nur 18% der Ausfuhren Chinas sind für die USA und 20% für die EU bestimmt. Mehr als die Hälfte der chinesischen Exporte geht aber in andere Schwellenländer. Ähnlich sieht die Situation in anderen Schwellenländern Asiens aus. "Der Handel zwischen den Schwellenländern hat erheblich an Bedeutung gewonnen," so Pals.

Politisches Risiko gibt kaum Anlass zur Sorge
Ein weiterer Kritikpunkt an die Adresse der Schwellenländer ist das politische Risiko. Dieses ist zwar nicht völlig verschwunden. "Da in diesem Jahr weltweit ca. 40 Parlamentswahlen anstehen, besteht natürlich die Gefahr, dass auch vor dem Hintergrund der Schuldenkrise gefälliger Populismus an Einfluss gewinnen könnte," stellt Pals fest. Dennoch ist das politische Risiko in den Schwellenländern kein großes Thema mehr.

Attraktives Bewertungsniveau
Die fundamentalen Argumente für ein Investment in den Schwellenländern sind ohnehin schon überzeugend - ganz gleich, welchen Maßstab man zugrunde legt. Was Investments in diesen Ländern gegenwärtig aber noch attraktiver macht, ist das Bewertungsniveau. Trotz robuster Wachstumsaussichten und solider Bilanzen werden Aktien aus Schwellenländern derzeit mit einem Bewertungsabschlag von 15% gegenüber Dividendentiteln aus Industrieländern gehandelt.

"Historisch betrachtet ist das Bewertungsniveau von Aktien niedrig, und das erwartete Gewinnwachstum kann sich sehen lassen," meint Pals. "Bisher bedeutete ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von weniger als 10 (auf Basis der Gewinnschätzungen für die nächsten 12 Monate), dass die Voraussetzungen für einen Einstieg in den Aktienmarkt günstig sind." Derzeit beträgt das KGV für Aktien aus Schwellenländern 9,8 (ausgehend von den prognostizierten Gewinnen für 2012).

Zu den bevorzugten Ländern gehören Korea und China
Welche Länder bevorzugt Pals aktuell? "Generell haben wir eine Vorliebe für Aktienmärkte, die billig sind, die über gute makroökonomische Rahmenbedingungen verfügen und in denen es auch auf Unternehmensebene positive Impulse gibt," erklärt Pals. "Märkte mit niedrigem Bewertungsniveau dürften sich positiv entwickeln. Deshalb sind wir in Korea, China, Russland und der Türkei übergewichtet."

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