Die Rückkehr der Unsicherheit Fragezeichen beim Wachstumsausblick für China und die Eurozone

China: In dieser Woche kehrte die Unsicherheit über den Wachstumsausblick an die Finanzmärkte zurück: Der chinesische Einkaufsmanagerindex sank von 49,6 im Februar auf 48,1 im März, der chinesische Automobilverband musste die Absatzprognose deutlich reduzieren, und die Eisenerznachfrage aus China ging laut Veröffentlichung des Rohstoffkonzerns BHP Billiton zuletzt merklich zurück.

26.03.2012 | 10:51 Uhr

Im November 2011 prognostizierten wir für die chinesische Wirtschaft eine Wachstumsrate von 6 bis 7 % im Jahr 2012; die allgemeinen Markterwartungen lagen damals noch bei etwa 9 %. Grundsätzlich sehen wir in den aktuellen Daten eine Bestätigung unserer eher vorsichtigen Prognose – wobei ein Wirtschaftswachstum von 6 bis 7 % nach unserer Einschätzung immer noch solide ist. Zwar sind die Risiken einer schweren Rezession leicht gestiegen, die eingeleiteten geld- und fiskalpolitischen Schritte dürften aber einen starken Rückgang der Wachstumsrate verhindern. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass China trotz aller strukturellen Probleme erhebliches Wachstumspotenzial hat: Das Pro-Kopf-Einkommen war im vergangenen Jahr mit 8.400 USD immer noch deutlich niedriger als das in den USA von 48.000 USD. China liegt damit im Einkommensvergleich weltweit nur an 90. Stelle.    

Eurozone: Auch in der Eurozone hat die Unsicherheit wieder zugenommen. Insbesondere der überraschende Rückgang der Einkaufsmanagerindizes in Deutschland und Frankreich sowie die schwächere Kennzahl für das Unternehmensvertrauen in Belgien weckten Ängste, dass die geldpolitischen Maßnahmen der EZB verpuffen könnten. Insgesamt spricht die Datenlage damit auch für einen stärkeren Rückgang des ifo-Index (Mo) und des Geschäftsklimaindex (Do) der Europäischen Kommission. Derzeit rechnen wir eher mit einem temporär nachlassenden Wachstum als mit einem neuen Abwärtstrend der Konjunktur. Die von der EZB signifikant gelockerte Geldpolitik dürfte mit der üblichen Verzögerung von sechs bis neun Monaten das Wirtschaftswachstum wieder in Gang bringen. Selbst mitten in der Großen Depression der 1930er-Jahre, als das Vertrauen am Boden lag und es zahlreiche Bankenpleiten gab, leitete ein signifikanter geldpolitischer Stimulus die Erholung der US-Wirtschaft ein.
 
Geldpolitischer Stimulus auch in den USA der 1930er-Jahre effektiv

Quelle: Bridgewater Associates

Entscheidend für eine Erholung der Wirtschaft in der Eurozone ist jedoch eine Belebung der Kreditvergabe. Die Geldmengen- und Kreditvergabedaten (Mi) im Februar dürften noch maßgeblich durch die Finanzmarktturbulenzen im vergangenen Jahr geprägt sein und das Ausmaß der Kreditklemme spiegeln. Die Geldmenge M1 hat sich in der Vergangenheit als zuverlässiger Frühindikator für die europäische Wirtschaft erwiesen, da sich unter anderem die geldpolitischen Maßnahmen der EZB schnell in der Wachstumsrate der Geldmenge M1 niederschlagen. So dürften die Liquiditätsschritte der EZB in den kommenden Monaten eine höhere Wachstumsrate der Geldmenge M1 zur Folge haben. Die Einlagen der Geschäftsbanken bei der EZB sind dagegen kein Indikator für die Wirkung der EZB-Geldpolitik. Denn rein technisch muss alles Geld, das die Geschäftsbanken bei der EZB leihen, wieder bei der EZB angelegt werden. Gäbe es nur eine Bank in der Eurozone – schließt man also zur Vereinfachung den Interbankenhandel aus –, so hätte diese Bank drei Verwendungsmöglichkeiten für das Geld der Zentralbank: Sie könnte das Geld wieder bei der EZB anlegen (horten), als Kredite vergeben oder damit Wertpapiere kaufen. Bei der Kreditvergabe und beim Wertpapierkauf schreibt die Bank den Betrag auf dem Konto des Kreditnehmers oder Verkäufers gut. Damit wird eine neue Kundeneinlage bei der Geschäftsbank geschaffen, für die sie eine Mindestreserve bei der EZB hinterlegen muss. Den darüber hinausgehenden Betrag kann sie für weitere Kredite oder Wertpapierkäufe nutzen. Möchte sie ihre Bilanz jedoch nicht weiter verlängern, wird sie das Geld bei der Einlagefazilität der EZB als Überschussreserve anlegen, um dafür Zinsen zu erhalten. Die Inflation (Fr) dürfte sich in der Eurozone im März nur leicht auf 2,6 % abgeschwächt haben.

USA: In den USA herrscht derzeit ein Streit darüber, ob die zuletzt guten Konjunkturdaten eine tatsächliche Konjunkturerholung reflektieren oder statistisch durch den milden Jahresanfang verzerrt sind. Auch unter Berücksichtigung der saisonalen Effekte sehen wir die US-Wirt¬schaft eher im Aufwärtstrend und teilen den Pessimismus nur eingeschränkt. Vor allem die rapid wachsenden Geldmengen M1 und M2 sprechen für anhaltende Erholungstendenzen. So erwarten wir auch einen deutlichen Anstieg der Auftragseingänge (Mi).  

Japan: Interessanterweise scheint es, dass die Geldpolitik in Japan langsam zu greifen beginnt. Die quantitative Lockerung der Geldpolitik geht diesmal mit einem Inflationsziel von 1 % und mit umfangreichen Käufen von Wertpapieren einher – darunter langlaufenden Staatsanleihen, Aktien und Unternehmensanleihen. Sie scheint daher die Erwartungen nachhaltiger beeinflussen zu können als die Maßnahmen im März 2001: Damals kaufte die Bank von Japan nur kurzlaufende Staatsanleihen von den Geschäftsbanken, sodass kaum Effekte davon ausgingen. Denn für die Geschäftsbanken gibt es kaum Unterschiede zwischen Zentralbankgeld und Geldmarktpapieren. Hinzu kam, dass die Politik der quantitativen Lockerung viel zu früh wieder beendet wurde. Diesmal scheint die Bank von Japan die Wirtschaft erfolgreicher stimulieren zu können. So erwarten wir einen Anstieg der Industrieproduktion (Fr) von mehr als 2 %.  

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