Carmignac: Variationen zum Thema Mangel

Didier Saint-Georges, Mitglied des Investmentkomitees, beleuchtet die derzeitigen makroökonomischen Entwicklungen sowie die aktuelle Anlagestrategie von Carmignac.

13.03.2015 | 09:10 Uhr

Der Beginn des Jahres 2015 bestätigt das Phänomen, das wir in unserer Note vom Januar („Vorsorgen ist besser als voraussagen“) beschrieben haben: Die Weltwirtschaft verzeichnet weiterhin ein schwaches und für Deflationsdruck anfälliges Wachstum. Aber angesichts einer bevorstehenden verstärkten geldpolitischen Unterstützung, die dieses Mal von der Europäischen Zentralbank kommt, sind Anleger wieder investierfreudig. Ein aktiver Vermögensverwalter hätte keinen Grund, seine Kunden nicht an der Großzügigkeit eines ausgesprochen unternehmerischen Zentralbankers teilhaben zu lassen. Unsere Portfolios profitieren in erheblichem Maße vom „Draghi-Effekt“, insbesondere durch unsere Positionen im europäischen Anleihenuniversum und im Dollar sowie durch die Erhöhung unseres Exposures in europäischen Aktien. Doch die Analyse der langfristigen Tendenzen der Weltwirtschaft lässt uns an unserer Überzeugung festhalten, dass die Entwicklung der Märkte von Mangel bei Wachstum, Rendite, Reformen, politischer Führung und Inflation geprägt ist; ein Mangel, deren Gegenstück in einer enormen Verschuldung und einer unermesslichen von den Zentralbanken ausgeschütteten Liquidität liegt. Diese Diagnose veranlasst uns dazu, neben einer taktischen Verwaltung des Aktien-, Zins- und Währungsexposures jene seltenen  Anlagen zu bevorzugen, die mittelfristig ein erkennbares Wachstum und eine sichere Rendite aufweisen. 

Mangel an Wachstum

Erinnern wir uns an den Teufelskreis, der dem anhaltenden Mangel an Wachstum zugrunde liegt, unter dem die meisten großen Volkswirtschaften leiden: Die Überschuldung untergräbt eine Erholung der privaten Investitionen sowie schlagkräftiger staatlicher Konjunkturmaßnahmen. Das hierdurch bedingte schwache Wachstum verhindert einen Abbau der Überschuldung. Nimmt man noch die oft ungünstigen demografischen Entwicklungen hinzu, ergeben sich dauerhaft mäßige Aussichten für das weltweite Wachstum. Dieser Kurs, auf dem sich in unterschiedlichem Maße Europa, Japan, die USA und die Schwellenländer befinden, schließt zwischenzeitliche „Mini-Zyklen“ nicht aus. So wird die Eurozone 2015 von einer Wachstumsbeschleunigung dank einerschwächeren Währung, geringerer Energiekosten, sinkender Kosten für Bankkredite und einer gelockerten Haushaltsdisziplin profitieren. Das Wirtschaftswachstum der Eurozone könnte somit für dieses Jahr leicht nach oben korrigiert werden, während im vergangenen Jahr beständig Anpassungen nach unten vorgenommen wurden. Doch es fällt sehr schwer, in diesem Jahr von einem Wachstum von mehr als 1,5% auszugehen, was nicht ausreichen  dürfte, um das allgemeine Verschuldungsniveau zu senken. Damit dürfte es auch nicht für die Ankurbelung des potenziellen Wachstums genügen. Nebenbei bemerkt wird die Schwäche des Euro in erster Linie der bedeutendsten Industrienation, nämlich Deutschland, zugutekommen, was die  Diskrepanzen der wirtschaftlichen Entwicklungen innerhalb der Eurozone verstärken wird. In den USA ist das Unbehagen der Fed spürbar, die sich darauf einstellt, ihre Geldpolitik zu straffen, während sie in der übrigen Welt gelockert wird. Eine Anhebung des Satzes der Fed Funds, die man schnell wieder zurücknehmen muss, weil die amerikanische Wirtschaft erneut Zeichen der Schwäche erkennen lässt, würde Zweifel an der Glaubwürdigkeit des geldpolitischen Kurses von Janet Yellen aufkommen lassen. Gleichzeitig stabilisiert sich das Wachstum Chinas bestenfalls auf einem Niveau, das um die Hälfte unter dem von vor fünf Jahren liegt, und das Japans bei höchstens 1% gegenüber 0% im Vorjahr. Man sollte auf keinen Fall vergessen, dass das Wachstum der Eurozone in einer globalisierten Welt von der Weltwirtschaft bestimmt wird und dass Versuche einer Ankurbelung durch die Abwertung der Währung insgesamt auf ein Nullsummenspiel hinauslaufen.  Ein starker Fall des Euro durch das „Quantitative Easing“ der EZB wäre eine Form des Exports des Deflationsdrucks aus der Eurozone zulasten des nominalen Weltwirtschaftswachstums. 

 

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