„Die Chancen liegen im Auswärtsspiel“

Europäische Standardaktien mit starkem Exportgeschäft bieten Einstiegsmöglichkeiten, findet Gerit Heinz, Chef-Anlagestratege Wealth Management UBS Deutschland AG.

08.07.2013 | 09:36 Uhr

Die Wirtschaft der Eurozone hinkt seit einigen Jahren anderen entwickelten Volkswirtschaften hinterher. Seit 2008 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Eurozone um 1,5 Prozent geschrumpft, während das der USA real um 3,2 Prozent gestiegen und die Weltwirtschaft sogar um 17 Prozent gewachsen ist. Nach Einschätzung von Gerit Heinz, Chef-Anlagestratege Wealth Management bei der UBS Deutschland AG, wird das Wachstumstempo in der Eurozone und den anderen Regionen wie etwa den Schwellenländern und den USA unterschiedlich hoch bleiben. Diese Verschiebung bietet den UBS-Experten zufolge jedoch Chancen. Sie empfehlen Anlegern, in Aktien von denjenigen Unternehmen zu investieren, die stark in den prosperierenden Regionen engagiert sind, da sich bessere Absatzchancen für Produkte und Dienstleistungen dieser Konzerne ergeben.

Herr Heinz, Ihr Ausblick für die Aktienmärkte in der Eurozone ist verhalten. Dennoch finden Sie zahlreiche bekannte europäische Unternehmen interessant. Ist das nicht ein Widerspruch?

Heinz: Auf den ersten Blick scheint das vielleicht so, denn die fundamentalen Aussichten für die Aktienmärkte im Euroraum sind momentan vergleichsweise eher dürftig. Die andauernden Sparmaßnahmen vieler europäischer Regierungen begrenzen das Wachstumspotenzial der Eurozone im Vergleich zu anderen Wirtschaftsregionen wie etwa den Schwellenländern in Asien und den USA. Aktien aus der Eurozone sind deshalb nicht grundsätzlich unattraktiv. Die Idee ist, in dieser Situation auf die „Auswärtsspieler“ zu setzen – also in international ausgerichtete Unternehmen zu investieren, die einen erheblichen Anteil ihrer Umsätze außerhalb Europas erwirtschaften. Dieser Anteil wird unserer Prognose zufolge in den kommenden Jahren steigen, weil sich die außereuropäischen Umsätze aufgrund der besseren Wachstumsperspektiven besser entwickeln werden als die Umsätze innerhalb Europas.

Waren und Dienstleistungen außerhalb Europas zu verkaufen, ist heutzutage aber keine Besonderheit mehr. Warum profitieren nur einige wenige Unternehmen von diesem Effekt?

Heinz: Richtig ist, dass sich viele Unternehmen mittlerweile auch international engagieren, um auf diese Weise Umsatz oder Gewinn zu steigern – im Idealfall sogar beides. Doch die Strategien, dieses Ziel zu erreichen, fallen je nach Branche, Sektoren und der Größe des Unternehmens sehr unterschiedlich aus – und ebenso der Erfolg. Im Gesundheits-, IT- und Konsumgütersektor beispielsweise entfallen 40 bis 55 Prozent der Umsätze von Unternehmen aus der Eurozone auf Nordamerika und den asiatisch-pazifischen Raum, wobei der größte Wachstumsbeitrag in den vergangenen Jahren zweifellos aus den Schwellenländern kam, deren Bedeutung immer größer wird. Parallel dazu sind große Konzerne, also die Standardwerte am Aktienmarkt, im Vergleich zu kleineren und mittleren Unternehmen regional stärker diversifiziert und erwirtschaften einen größeren Teil ihrer Auslandsumsätze außerhalb von Europa. Die Analyse des von uns untersuchten Anlageuniversums hat ergeben, dass das Umsatzwachstum dieser „Auswärtsspieler“ deutlich stärker ausgefallen ist als das der Durchschnitt im gesamten Euroraum gemessen an den Unternehmen im MSCI EMU-Index.

Wie gehen Sie bei der Auswahl der Werte vor?

Heinz: Wir versuchen, branchenspezifische Risiken auszuschließen und die Auswahl sektorneutral zu gestalten, indem wir uns auf Unternehmen konzentrieren, die sich erheblich mehr international engagieren als der Durchschnitt ihres jeweiligen Sektors. Sonst würden klassischerweise vor allem Konsum- und Gesundheitstitel in die Auswahl kommen, was im Ergebnis ein wenig diversifiziertes Portfolio ergeben würde. Unsere daraus abgeleitete Aktienauswahl sollte unserer Prognose zufolge ihre Umsätze im laufenden Jahr 2013 um etwa 3 Prozent, 2014 sogar um 5 Prozent steigern, während die Umsätze der im MSCI EMU enthaltenen Titel nach Konsensusprognosen 2013 um 0,7 Prozent zurückgehen und dann im Folgejahr „nur“ um 3,7 Prozent zulegen dürften. Unternehmen mit hohem Umsatzanteil in Nordamerika wurden zudem in den vergangenen drei Jahren mit einem Bewertungsaufschlag von annähernd 30 Prozent gehandelt. Diese Prämie ist derzeit zurückgegangen, wird sich nach unserer Einschätzung aber wieder aufbauen. Nicht zuletzt ergab unsere Analyse, dass die Kurse der ausgewählten Unternehmen weniger stark schwanken als der Gesamtmarkt. Das Anlagerisiko ist mithin als geringer als bei einem marktbreiten Investment, wobei das generelle Aktienrisiko natürlich bestehen bleibt. All das zeigt jedoch: Die Chancen liegen im Auswärtsspiel.

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