Bemüht man eine Analogie zu Märchen, dann sind europäische Aktien seit langem eine der hässlichen Schwestern des Aschenputtels, das US-Aktien sind. Europäische Aktien sind seit Jahren hinter ihren amerikanischen Pendants zurückgeblieben.
08.01.2025 | 08:33 Uhr
Sie haben nicht von der positiven wirtschaftlichen Dynamik profitiert, die das Wachstum jenseits des Atlantiks gestützt hat. Doch die Entwicklung in Europa könnte ein Happy End haben, meint Aktieninvestor Mathias Büeler.
Die voneinander abweichenden Entwicklungen lassen sich an den recht
unterschiedlichen Prognosen für den zusammengesetzten
Einkaufsmanagerindex (PMI) ablesen – einem Barometer für das Vertrauen
in einer Wirtschaft, bei dem jeder Wert über 50 Wachstum signalisiert.
Der europäische PMI liegt seit April 2023 hinter seinem US-Pendant
zurück und befindet sich derzeit bei 49. Das deutet auf eine
nachlassende Konjunktur hin, während der US-PMI bei 57 liegt und damit
Wachstum signalisiert. Im Industriesektor sah es noch schlimmer aus,
wobei die europäische Automobilindustrie zu den prominentesten Opfern
gehörte.
Es gibt jedoch
mehrere potenzielle Faktoren, die europäischen Aktien im Jahr 2025
Auftrieb geben und zu einem Happy End führen könnten, sagt Büeler, Head
of Sustainable European Equities bei Robeco. Dazu zählen vor allem
nachlassende politische Turbulenzen, ein Waffenstillstand in der
Ukraine, eine Erholung in China, eine unterstützende Geldpolitik der EZB
und steigende Konsumausgaben.
„Die
Liste der Probleme der europäischen Volkswirtschaften ist lang und es
kommen scheinbar täglich neue hinzu“, sagt er. „Dies spiegelt sich in
dem recht ernüchternden Bild des aktuellen Wirtschaftswachstums in
Europa wider, vor allem, wenn wir es mit den USA vergleichen.“ Ein ernüchterndes Bild
„Das
gedämpfte Wirtschaftswachstum in Europa in Verbindung mit
Gewinnkorrekturen nach unten hat sich am dynamischen Markt der letzten
zwei Jahre nicht bewährt. Dies hat dazu geführt, dass die Bewertungen
europäischer Aktien etwas nach unten korrigiert wurden.“
„Auch
wenn ein Teil des steigenden Abschlags auf den Branchenmix und die
unterschiedlichen strukturellen Ertragstrends zurückzuführen ist. Doch
wir sollten nicht vergessen, dass Europa einige große globale Champions
mit hochattraktiven Branchen hat.“
„Beispiele
sind Unternehmen wie ASML, L'Oréal, LVMH, Roche, Novo Nordisk und
Nestlé, die keine Anzeichen einer überzogenen Bewertung aufweisen – ganz
im Gegensatz zu US-Qualitätsaktien. Außerdem ist die Ertragskraft der
europäischen Unternehmen überhaupt nicht von der Situation in Europa
abhängig, vor allem da ihre Umsatzbasis stark global ist.“1
Der Schlüssel zur Rückkehr zum Wachstum liegt zum Großteil in der Kaufkraft der Verbraucher, die letztlich über den Erfolg einer jeden Wirtschaft entscheiden, sowie in den Aktien der Unternehmen, die die neuerliche Nachfrage bedienen. In den USA haben sich die Konsumausgaben nach der Corona-Pandemie wieder auf das frühere Niveau erholt. Doch in Europa, wo das Sparniveau weit höher ist, besteht noch Nachholbedarf.
„Die
Konsumausgaben der Amerikaner waren eine wichtige Triebfeder des
US-Wachstums und sind ein Grund dafür, dass die US-Wirtschaft schneller
gewachsen ist als die europäische“, sagt Büeler. „Die US-Beschäftigung
ist nach wie vor hoch und die Inflation ist gesunken. Doch die
vorsichtigen europäischen Verbraucher haben sich eher darauf
konzentriert, ihr finanzielles Nettovermögen wieder aufzubauen, als
Ausgaben zu tätigen. Die Sparquote der Privathaushalte liegt aufgrund
von Unsicherheiten, insbesondere des Krieges in der Ukraine, deutlich
über dem langfristigen Durchschnitt.“ Für
diejenigen, die noch Kredite benötigen, haben sich die
Kreditbedingungen für Unternehmen in Europa seit Mitte 2023 entspannt.
Dies hat zu einem Wiederanstieg der Nachfrage von einem niedrigen Niveau
aus geführt. „In Kombination mit niedrigeren Zinsen und einer zunehmend
konjunkturfreundlichen Geldpolitik könnte dies zu einer Belebung der
Investitionen führen – speziell im zinssensitiven Baugewerbe“, sagt
Büeler.
„Für
die Zukunft ist eine weniger negative Stimmung ein gutes Vorzeichen für
eine Konsumbelebung. Sinkende Sparzinsen bei den Banken könnten
ebenfalls dazu führen, dass die europäischen Verbraucher weniger
knauserig werden.“ Stärkere Kreditnachfrage
„Es gibt auch
Anzeichen dafür, dass die Kreditnachfrage der Privathaushalte in der
Eurozone zunimmt, denn im November stieg sie so schnell wie seit 18
Monaten nicht mehr. Insbesondere die Nachfrage nach Wohnungsbaudarlehen
hat sich aufgrund der erwarteten Zinssenkungen und der besseren
Aussichten für den Wohnungsmarkt stark erholt.
Die
Zinsdifferenz, die das Sparen unattraktiver und die Kreditaufnahme in
Europa billiger macht, wird aufgrund der unterschiedlichen Politik der
Zentralbanken auf beiden Seiten des Atlantiks immer größer.
Die
Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen im Jahr 2024 viermal
gesenkt und sich die Tür für weitere Lockerungen in diesem Jahr
offengehalten. Dies wird die Zinskosten für die europäischen Unternehmen
senken, insbesondere für kleine und mittlere Firmen, die sich stärker
auf die Finanzierung durch Banken als auf die Ausgabe von
Unternehmensanleihen stützen.
„Niedrigere
relative Zinsen dürften sich für die meisten europäischen Unternehmen
positiv auswirken. Das gilt speziell für Unternehmen mit mittlerer
Marktkapitalisierung, die tendenziell mehr variabel verzinste Schulden
haben“, sagt Büeler. „Wir müssen erst noch abwarten, ob sich die
niedrigeren Kreditkosten im Jahr 2025 in einem deutlichen Anstieg der
Gewinne der europäischen Unternehmen niederschlagen, aber wir sind
vorsichtig optimistisch.“
„Während
der KI-Hype am europäischen Aktienmarkt kaum zu spüren ist, gibt es
einige Sektoren, die über einen globalen Wettbewerbsvorteil verfügen:
dies gilt für die zivile Luftfahrt, Premium-Luxusgüter, die
Ressourcenwende und geistiges Eigentum in der Pharmaindustrie.“
[1] Die Nennung der Unternehmen dient nur der Veranschaulichung. Die Unternehmen sind nicht zwangsläufig in einer Strategie enthalten. Hierbei handelt es sich nicht um eine Kauf-, Verkaufs- oder Halteempfehlung oder um eine Anlageberatung. Eine künftige Aufnahme dieser Wertpapiere in Portfolios ist nicht garantiert, und ihre künftige Wertentwicklung kann nicht vorhergesagt werden.
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