Multifaktor-Aktien mussten 2020 eine Underperformance hinnehmen. Daniel Morris (DM), Chief Market Strategist, und Raul Leote de Carvalho (RLC), Deputy Head der Quantitative Research Group, diskutieren über den Ausblick für Multi-Faktor-Aktienportfolios.
10.12.2020 | 09:09 Uhr
DIE PERFORMANCE VON FACTOR INVESTING IN AKTIEN WAR ENTTÄUSCHEND. HANDELT ES SICH NACH WIE VOR UM EINEN GÜLTIGEN ANSATZ?
RLC: Natürlich sind wir uns der Unzufriedenheit mancher Anleger mit der Performance von Multi-Faktor-Aktienportfolios im Jahr 2020 bewusst, aber trotzdem zweifeln wir nicht daran, dass die Strategie zukunftsfähig bleibt.
Quantitative Aktienstrategien kombinieren für Multi-Faktor-Aktien typischerweise die folgenden fünf Faktoren: Quality, Momentum, Low Risk, Value und Size.
Worauf die Underperformance in diesem Jahr zurückzuführen war, ist klar. Die beiden Hauptverantwortlichen heißen:
Diagramm 1: Die Underperformance der Multi-Faktor-Strategien im Jahr 2020 ist überwiegend darauf zurückzuführen, dass das Jahr für die Erzielung der Value schlecht war.
Quelle: BNP Paribas Asset Management, Stand: 31.10.2020
In unserem neuen Research Paper kommen wir zu der Feststellung, dass in den USA und Europa nur die Faktoren Value und Size eine Underperformance verzeichneten. Quality und Momentum entwickelten sich in allen Regionen äußerst positiv. Die Performance von Low Risk ist von einer Region zur anderen unterschiedlich, war aber zuvor in allen Regionen gut.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Faktor Value eine Underperformance verzeichnet. Im Vorfeld zur Dotcom-Aktienblase zwischen 1998 und 2000 blieb er ebenfalls deutlich zurück, um sich anschließend wieder zu erholen. Dieses Jahr war die Underperformance von Value besonders stark. Aus unserem Research geht hervor, dass bisher kein Faktor eine so hohe Underperformance hinnehmen musste wie Value in diesem Jahr. Allerdings ist seit Anfang November eine Art Korrektur zu beobachten in deren Rahmen Substanzwerte Wachstumswerte übertrafen. Ob es sich hierbei um ein vorübergehendes Phänomen oder eine echte Trendwende handelt, bleibt abzuwarten.
Diagramm 2: Die Underperformance des Faktors Value war 2020 so stark wie nie zuvor
Quelle: BNP Paribas Asset Management, Stand: 31.10.2020
Unser Faktor Value entwickelt sich seit Mitte 2018 schlecht. Unser Anlageuniversum besteht aus Mid- bis Large-Cap-Aktien, so dass der Faktor Size für uns nicht relevant ist. Allerdings konnten wir in der jüngsten Zeit eine starke Performance der Large-Cap- gegenüber den Mid-Cap-Aktien beobachten, was für Manager, die den Faktor Size einsetzen, eine weitere schlechte Neuigkeit darstellt.
WIE ERKLÄREN SIE DIE STARKEN PERFORMANCEUNTERSCHIEDE?
RLC: Meiner Meinung nach ist eine unzureichende Diversifizierung bei den Faktoren die beste Erklärung. Manche Manager verlassen sich zu stark auf Value und/oder schaffen unbeabsichtigt ein Exposure gegenüber Size.
Die Performanceunterschiede sind nicht nur eine Frage der Diversifizierung. Die Performance einer Multi-Faktor-Strategie beruht auf den Entscheidungen im Hinblick auf den Aufbau von Exposure. Wenn ich sage, dass unsere Value-Strategie erst seit Mitte 2018 eine Underperformance verzeichnet, spiegelt das die Entscheidungen wieder, die wir in Bezug auf die Umsetzung der Value-Strategie in Portfolios getroffen haben.
In Equity Factor Investing: Historical Perspective of Recent Performance (Factor Investing in Aktien: Die jüngste Performance historisch betrachtet) zeigen wir, dass konventionelle Entscheidungen mit großer Wahrscheinlichkeit zu schlechten Ergebnissen führen. Wir greifen insbesondere bei jedem Stil auf eine Auswahl an Faktoren zurück, wobei wir bei der Auswahl auf deren Diversifizierung achten. Wir neutralisieren Sektoren. Das bedeutet, dass wenn ein ganzer Sektor billig zu sein scheint, der Faktor Value nicht ausschließlich mit Unternehmen aus dieser Gruppe gefüllt werden kann, weil dies einen Risikofaktor darstellt, dem gegenüber wir kein Exposure aufbauen möchten. Wir überprüfen auch auf Beta oder Sensitivität gegenüber dem Markt. Letztendlich verwalten wir das Risiko in den Portfolios.
In unserem Research zeigen wir, dass diese sämtlichen Entscheidungen die risikobereinigte Rendite deutlich verbessern. Was den Faktor Value betrifft, so hätten mehr Standard-Entscheidungen eine längere und stärkere Underperformance zur Folge gehabt.
WELCHE ANDEREN ERKLÄRUNGEN KÖNNTE ES FÜR DIE UNTERSCHIEDE GEBEN?
RLC: Alles, was ich bisher dargelegt habe, berücksichtigt nicht die Auswirkungen eventueller Einschränkungen bei der Portfoliokonstruktion. Ich will damit sagen, dass meine Analyse ausschließlich in der theoretischen Übung besteht, zu beurteilen, inwiefern der Informationsgehalt von Faktoren wie wir sie verwenden die Renditen von Aktien vorhersagen konnte. Die Auswirkungen von Einschränkungen für die Portfolios auf die Performance in einem realen Umfeld wollen wir getrennt betrachten.
Die meisten Multi-Faktor-Aktienfonds verwenden den Informationsgehalt der Faktoren zusammen mit einem Algorithmus, um Portfolios zu konstruieren und gemeinsame Einschränkungen festzulegen. So nutzen sie die Faktoren z. B. zum Aufbau gemischter Long-Only Fonds, deren Vermögen vollständig in Aktien investiert ist und die keine Leerverkäufe von Aktien zulassen.
In unserer Forschungsarbeit haben wir gezeigt, dass die meisten Manager, besonders diejenigen, die diese Strategien in globalen und US-Aktienportfolios umsetzen, möglicherweise darunter leiden, dass sie keine reinen Short-Positionen in Aktien halten dürfen.
Darüber hinaus bedeutet die Tatsache, dass im Jahr 2020 sehr wenige Large Cap-Technologiewerte eine starke Outperformance erzielten, dass diese Aktien jetzt den größten Anteil an den Indizes S&P 500 und MSCI World ausmachen.
Wir verfügen seit jeher über eine starke Konzentration in Marktkapitalisierungs-Indizes. Unter diesen Bedingungen hatten die Multi-Faktor Aktienmanager kaum eine andere Wahl als die Aktien mit der höchsten Marktkapitalisierung in diesen Indizes unterzugewichten, um andere, von ihren Modellen vorgeschlagene Aktienkäufe zu finanzieren, obwohl ihre Modelle nicht unbedingt den Verkauf dieser Large-Cap Aktien vorgaben. Die Konzentration der Benchmark bedeutete, dass die Auswahl an Aktien, die untergewichtet werden konnten, wirklich gering war.
Das erwies sich leider als teuer, da diese Aktien mit den höchsten Marktkapitalisierungen eine sehr deutliche Outperformance erzielten.
WAS WIRD IHRER MEINUNG NACH ALS NÄCHSTES GESCHEHEN? WIRD SICH VALUE ERHOLEN?
RLC: Das hängt vor allem davon ab, was wir unter Value verstehen. Betrachten wir einen einfachen MSCI Value-Index, bei dem seit 2007 eine Underperformance zu verzeichnen ist. Wir sind davon überzeugt, dass Anleger Exposure ohne Zusammenhang mit Value – z.B. Exposure gegenüber bestimmten Sektoren – kontrollieren müssen; deshalb neutralisieren wir diese.
Auf dieser Basis konnte Value bis Mitte 2018 eine gute Performance verzeichnen. Ich möchte noch einmal betonen, dass dies nicht das erste Mal ist, dass Value eine Underperformance verzeichnet.
Alle Strategien müssen schwierige Phasen durchmachen. Die Dotcom-Blase habe ich bereits erwähnt, aber der Zeitraum unmittelbar nach der Großen Finanzkrise von 2008 war ebenfalls schwierig. Derzeit verzeichnen Value-Faktoren, wie bereits in früheren Underperformance-Phasen, eine extreme Underperformance, und die Unterschiede zwischen den Bewertungen billiger und teurer Aktien sind ähnlich extrem.
Es ist schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Unser Ansatz besteht darin, ununterbrochen investiert zu bleiben, aber wenn wir nicht investiert wären, würden wir den jetzigen Zeitpunkt für eine Anlage für richtig halten. Wir rechnen in Kürze mit einer Normalisierung der Performance dieser Strategien, wenn diese nicht sogar bereits eingesetzt hat.
Den von R. Leote de Carvalho und der Quantitative Research Group verfassten Bericht „Equity Factor Investing: Historical Perspective of Recent Performance“ finden Sie hier:
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Alle hier geäußerten Ansichten sind die des Autors zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, basieren auf den verfügbaren Informationen und können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die einzelnen Portfoliomanagementteams können unterschiedliche Ansichten vertreten und für verschiedene Kunden unterschiedliche Anlageentscheidungen treffen.
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Einige Schwellenländer bieten weniger Sicherheit als die meisten internationalen Industrieländer. Aus diesem Grund können Dienstleistungen für Portfoliotransaktionen, Liquidation und Konservierung im Namen von Fonds, die in Schwellenmärkten investiert sind, mit einem höheren Risiko verbunden sein.
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