In der bAV-Konferenz von Willis Tower Watson machte sich Skepsis über die reine Beitragszusage im Sozialpartnermodell breit. Mehr als ein Drittel der Teilnehmer erwartet, dass sich der Durchführungsweg nicht in der Breite durchsetzen wird.
23.10.2019 | 15:00 Uhr von «Christian Bayer»
Die optimale Ausgestaltung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) war einer der
Schwerpunkte, die die Unternehmensberatung Willis Tower Watson in ihrer bAV-Konferenz
thematisierte. Zielgruppe der bereits zum 13. Mal durchgeführten Veranstaltung
sind baV-Verantwortliche in großen und mittelständischen Unternehmen. Bislang hat
die reine Beitragszusage ohne Garantien einen schweren Stand, so das Resümee
von Dr. Heinke Conrads, Leiterin Retirement Deutschland und Österreich bei
Willis Towers Watson:
„Mitarbeiter wünschen sich vor allem eine sichere
Altersversorgung, wie Studien von Willis Towers Watson belegen.“ Dies sei auch
eine Ursache für die Skepsis der Marktteilnehmer: „Sicherheit wird meist mit
Garantien assoziiert. Dass hingegen eine bAV ohne Garantien durchaus
zielführend sein kann, müssen die Tarifpartner erst einmal vermitteln – und
hier scheinen sich die Player im Markt bislang schwer zu tun.“
Die frühere Zuversicht
ist mittlerweile einer deutlichen Skepsis gewichen. 51 Prozent der im Rahmen
der Konferenz befragten Teilnehmer erwarten, dass man erst nach 2021 diese
Altersvorsorgemodelle in der Breite sehen werde, 38 Prozent gehen davon aus,
dass sie sich überhaupt nicht durchsetzen werden. Auf der Willis Tower Watson-
Konferenz 2017 hatte noch ein Drittel der Teilnehmer Sozialpartnermodelle in
der Breite schon für 2019 erwartet, 58 Prozent gingen von einer stärkeren Verbreitung
nach 2019 aus.
Conrads sieht ein Pro und Contra bei der reinen Beitragszusage. Einerseits würde
der Durchführungsweg gerade im Niedrigzinsumfeld eine realistische Chance auf
höhere Renditen bieten. Andererseits seien die Abstimmungsprozesse komplexer,
da das Sozialpartnermodell nicht nur auf betrieblicher Ebene, sondern zwischen
den Tarifparteien vereinbart werden müsse. Keynote-Speaker Professor Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg, der sich auf der Konferenz zum
Thema Demografie und Altersvorsorge geäußert hatte, kritisierte die Komplexität
in der bAV und plädierte für eine stärkere Nutzung chancenreicher
Anlageklassen:
„Betriebliche Altersvorsorgevermögen sollten rentierlicher
investiert werden dürfen. Sie sind aktuell zu anleihelastig refinanziert,
sollten aber stärker in renditestarke Realkapitalinvestitionen angelegt
werden.“ Speziell
Altersvorsorgemodelle, die in Versicherungsform umgesetzt werden, würden
aufgrund regulatorischer Vorgaben gezwungen, in Niedrigzins-Anleihen zu investieren.
Zurückhaltend haben sich die bAV-Experten zu staatlich organisierten Modellen
der Altersvorsorge geäußert, wie sie beispielsweise mit der Deutschland-Rente
oder der Extrarente politisch diskutiert werden. 47 Prozent der Befragten glaubten,
dass eine solche Standardlösung die bAV teilweise ersetzen könnte, 48 Prozent
gaben an, dass die baV durch diese Lösung überhaupt nicht ersetzt werden könnte.
Auch Professor Raffelhüschen zeigte sich skeptisch: „Altersvorsorge-Kapital
gehört in die bAV oder in die Hände der Einzelpersonen, aber nicht in
politische Hände.“
Während Experten weiter über Vor- und Nachteile unterschiedlicher
Durchführungsformen diskutieren, führt der Versicherer Talanx, zu dem u.a. der
HDI und die Hannover Rück gehören, für seine 12.000 inländischen Mitarbeiter
das Sozialpartnermodell ab Anfang 2020 ein. Eine Einigung mit der Gewerkschaft
Verdi wurde bereits erzielt.
Damit setzt Talanx als erstes Unternehmen die von der früheren Arbeitsministerin und SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles auf den Weg gebrachte Form der betrieblichen Altersvorsorge um. Vor allem die Gewerkschaften hatten bei der sogenannten Nahles-Rente bislang kritisiert, dass bei diesem Durchführungsweg die Arbeitgeber aus der Verantwortung entlassen würden, weil sie nicht einmal für den Erhalt der eingezahlten Beiträge geradestehen müssten.
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