Comgest: Das Jahr des Hasen – China vor dem Wiederaufschwung
Nach chinesischem Kalender beginnt am 22. Januar 2023 das Jahr des Hasen.18.01.2023 | 09:09 Uhr
Während sich das Land auf den Jahreswechsel vorbereitet, glaubt Jimmy Chen, Portfoliomanager des Comgest Growth China Fund, dass China nach einem wirtschaftlich schwierigen Jahr und schlechter Stimmung an den Börsen vor einer Erholung und dem Wiederaufschwung steht:
Für die chinesischen Aktienmärkte war 2022 das zweite
schwierige Jahr in Folge, bedingt durch Chinas strikte Null-Covid-Strategie,
das harte Durchgreifen der Regulierungsbehörden gegen Unternehmen sowie die
eskalierenden geopolitischen Spannungen. Gegen Ende des Jahres zeichnete sich
allerdings ein grundlegender Wandel ab: Die chinesische Regierung hob die
meisten ihrer Covid-Beschränkungen auf, die Industriepolitik wurde wieder
unternehmensfreundlicher und es wurden einige Fortschritte bei der Eindämmung
geopolitischer Spannungen erzielt. Zudem wird erwartet, dass die Inflationsrate
in China moderat bleibt, so dass die makroökonomische Politik weiterhin locker
bleiben kann.
Gute Voraussetzungen für starke Performance
Unserer Ansicht nach dürfte das Jahr 2023 von einer Wachstumsbeschleunigung und
einer Erholung der Anlegerstimmung geprägt sein. Die KGV-Bewertung chinesischer
Aktien ist im historischen Vergleich nach wie vor günstig.1 Daher
sind wir der Meinung, dass chinesische Aktien im Jahr des Hasen die
Voraussetzungen für eine starke Performance haben.
Im Jahr 2022 waren die Null-Covid-Maßnahmen der chinesischen Regierung die
größte Belastung für das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen. Ab dem 8.
Januar 2023 wurden jedoch alle verbleibenden Covid-Beschränkungen aufgehoben.
Die schlechte Nachricht ist, dass dadurch das Tempo der Covid-Infektionen
rasant ansteigt und das Gesundheitssystem überlastet wird.2 Dafür
wird China den Höhepunkt der Infektionen voraussichtlich früher erreichen und
die Wirtschaftstätigkeit sich schneller als erwartet erholen.
Unternehmensfreundliche Industriepolitik
Darüber hinaus ist die Industriepolitik unternehmensfreundlicher geworden. Dies
zeigt sich etwa daran, dass das fast zweijährige harte Vorgehen gegen
Tech-Plattformen anscheinend gelockert wird, wie der jüngste Abschluss der
Kapitalerhöhung von Ant Financial zeigt.3 Auch die Vergabe von
Glücksspiellizenzen wurde im April nach einem achtmonatigen Stillstand wieder
aufgenommen, und die Unternehmen Tencent und Netease erhielten ab September
ihre Genehmigungen.4 Die Regierung lockert auch die Vorschriften für
Bauträger, nachdem die Bemühungen um einen Schuldenabbau zu einer
Liquiditätskrise in der Branche geführt hatten. Auf makroökonomischer Ebene
profitiert die Volkswirtschaft davon, dass die inländischen Lieferketten stabil
geblieben sind und es zudem kein „Helikoptergeld“ gab, so dass die Inflation
moderat ist und die Finanz- und Geldpolitik damit weiterhin locker bleiben kann.5
Stabilisierung der Beziehungen mit den USA
Die Beziehungen zwischen China und den USA haben sich zuletzt stabilisiert. Im
November trafen sich der chinesische Präsident Xi Jinping und der US-Präsident
Joe Biden zum ersten Mal als Staatsoberhäupter persönlich, um die
Arbeitsbeziehungen wiederherzustellen.6 Ebenso wurde den
Wirtschaftsprüfern des U.S. Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB)
von der chinesischen Aufsichtsbehörde im September in Hongkong endlich
gestattet, Unterlagen zu US-amerikanischen Aktien-Hinterlegungsprogrammen (ADR)
zu prüfen. Das PCAOB äußerte sich zufrieden zu den ersten Überprüfungen. Damit
sank das Risiko erheblich, dass chinesische Unternehmen gezwungen sein könnten,
ihre Börsennotierung in den USA aufzugeben.
All diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass Präsident Xi Jinping, wie
andere chinesische Führer seit Deng, einen pragmatischen Ansatz verfolgt, um
ein Gleichgewicht zwischen sozialer Stabilität und Wirtschaftswachstum
herzustellen. Während es im Oktober zu einer schweren Marktpanik kam, nachdem
Xi auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei als bislang erster Präsident
für eine dritte Amtszeit wiedergewählt worden war, scheint diese Angst bisher
unbegründet zu sein.
Unternehmen setzen zur Erholung an
Unsere Analyse legte nahe, dass die chinesischen Unternehmen, die von der
Wiedereröffnung Chinas und von langfristigen Qualitätswachstumsfaktoren
profitieren, für Aktienanleger im Jahr 2023 eine gewinnbringende Kombination
darstellen könnten. Anta Sports, Suofeiya und Focus Media
verfügen über diese Voraussetzungen; sie sind führend ihren Bereichen
Sportbekleidung, maßgefertigte Möbel und Werbung aufgrund ihrer ständigen
Innovationen und ihrer ständig wachsenden Präsenz.
Tencent, Chinas wirtschaftliches Aushängeschild, vereint die
Vorherrschaft des Landes bei Videospielen, Zahlungssystemen und
Social-Media-Plattformen. Wachstum und Stimmung wurden zwei Jahre lang durch
ein schwieriges regulatorisches Umfeld, schwache Verbrauchernachfrage und die
Krise im Technologiesektor gebremst. Wir sind der Ansicht, dass die
Normalisierung der Genehmigungen für Glücksspiellizenzen, die Verbesserung der
Verbraucherstimmung und ein optimistischer Ausblick für chinesische
Tech-Investitionen zu einem positiven Jahr 2023 und einem besseren
langfristigen Ausblick beitragen sollten. Die Monetarisierung der
Kurzvideoplattform wird dem Unternehmen zusätzlichen Auftrieb geben.
Ein weiterer globaler Wachstumstrend, den chinesische Unternehmen aufgreifen,
ist die Auslagerung der biopharmazeutischen Produktion und Entwicklung. Hier
ist etwa WuXi Biologics einer der stärksten Herausforderer des
Weltmarktführers Lonza. Seine Wettbewerbsfähigkeit beruht auf der Kombination
eines einzigartigen Geschäftsmodells, Innovation und Zugang zu einem größeren
Talentpool. Die Aktie entwickelte sich im Jahr 2022 unterdurchschnittlich,
nachdem zwei ihrer Tochtergesellschaften auf die US-Handelsbeschränkungsliste
(„US Unverified List“)7 gesetzt wurden, was die Befürchtung
aufkommen ließ, dass der chinesisch-amerikanische Technologiekonflikt auf die
Biopharma-Outsourcing-Branche übergreift.8 Ende 2022 wurden alle
Tochtergesellschaften von WuXi Biologics von der Unverified List9
gestrichen, womit sich diese geopolitisch bedingten Sorgen offenbar auflösen.
1 https://www.ft.com/content/7aac1c58-883e-45f6-95cf-21687f426cab
2 https://www.reuters.com/world/china/chinas-healthcare-system-put-test-covid-curbs-fade-2022-12-10/
3 https://www.cnbc.com/2023/01/04/ant-gets-approval-to-expand-its-consumer-finance-business.html
4 https://technode.com/2022/12/29/tencent-and-netease-secure-major-game-approvals-at-the-end-of-2022/
5 https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-12-18/china-hints-at-pro-business-push-smaller-fiscal-boost-in-2023
6 https://www.reuters.com/world/ahead-tense-g20-summit-biden-xi-meet-talks-2022-11-14/
7
https://www.forbes.com/sites/brendanahern/2022/02/08/us-commerce-departments-unverified-list-tanks-wuxi-and-investor-sentiment/?sh=3e0e7b6426bc
8 https://pharmaboardroom.com/articles/us-china-tensions-heating-up-in-the-life-sciences/
9 https://www.reuters.com/business/healthcare-pharmaceuticals/us-commerce-removes-wuxi-biologics-unverified-list-2022-12-15/