Fondsmanager Wagner: „Bei Bayer ist die Lage mittlerweile prekär“

Dominikus Wagner, Vorstand und Co-Gründer der Wagner & Florack AG sowie Manager des Wagner & Florack Unternehmerfonds, nennt die Ursachen dafür, wie das Management der Bayer AG den einst wertvollsten Konzern Deutschlands an die Wand gefahren hat.

27.11.2024 | 14:30 Uhr

Das Bayer-Desaster: Wie aus Rosarot über die Jahre Dunkelrot wurde

„Viel darf nicht mehr schiefgehen“. So lautete bereits 2019 unser Fazit zur Übernahme von Monsanto durch Bayer. Dass sich Bayer mit dem Monsanto-„Deal“ total verhoben hat, ist längst eine Binsenweisheit. Doch schon mit dem Bekanntwerden der geplanten Übernahme hätten die Alarmglocken laut schrillen müssen, und zwar losgelöst von den unkalkulierbaren Rechtsrisiken, die sich Bayer ohne Not einhandelte. Denn aus unserer Sicht war bereits damals klar erkennbar, dass es sich um eine Hochrisiko-Übernahme handelt: Für das zwar durchaus profitable, umsatzseitig jedoch stagnierende Monsanto-Geschäft bezahlte Bayer einen astronomischen Preis und verschuldete sich dafür bis über beide Ohren. Gleichzeitig musste eigenes solides Geschäft verkauft werden, der Konzern stark umgebaut und massiv Eigenkapital eingeworben werden.

Bayer torkelt von einer Krise zur nächsten – und jetzt schwächelt das Agrargeschäft

Im operativen Geschäft durfte also nicht mehr viel schief gehen. Doch es ist genau das passiert, was nicht hätte passieren dürfen. Bayer torkelt von einer Krise zur nächsten. Jetzt schwächeln auch noch die Absatzmärkte im Agrargeschäft, wie aus den kürzlich veröffentlichten Geschäftszahlen für das dritte Quartal hervorgeht. Für das kommende Jahr rechnet Bayer mit einem weiteren Umsatz- und Gewinnrückgang. Bei Bayer, vor ein paar Jahren noch der teuerste DAX-Konzern, ist die Lage mittlerweile prekär. In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahrs ist Bayer beim Free Cash Flow in die roten Zahlen gerutscht: Im operativen Geschäft wird mit einem negativen Free Cash Flow von minus 68 Mio. Euro Geld verbrannt statt verdient; bei einem gewaltigen Berg an Nettoschulden von über 40 Milliarden Euro (inklusive Pensionsrückstellungen).

Konzernsparten von Bayer kämpfen mit sinkenden Umsätzen…

Der Umsatz der Agrarsparte „Crop Science“ schrumpft um 3,6 %, was maßgeblich auf den drastischen Einbruch der Nachfrage nach Glyphosat-Produkten zurückzuführen ist (minus 19 %). Aber auch das Geschäft mit Maissaatgut läuft aufgrund schrumpfender Anbauflächen schlecht. Und von der Pharmasparte und dem Konsumentengeschäft kommt ebenfalls keine entscheidende Entlastung bzw. Diversifikation. So verlor Xarelto, ein Präparat zur Blutgerinnungshemmung und das derzeit wichtigste Bayer-Medikament, im dritten Quartal mit minus 23 % unerwartet viel Umsatz. Immerhin wuchs die Pharmasparte insgesamt organisch leicht um 2,3 %, weil andere Präparate den Xarelto-Schwund etwas abpuffern konnten.

… und fehlenden Mitteln für die Forschung

Alles in allem ist das jedoch zu wenig; um hier energisch mit mehr Forschung & Entwicklung gegenzusteuern. Und um eine aussichtsreiche Pharma-Pipeline aufzubauen, fehlen Bayer angesichts des schwachen Free Cash Flows die nötigen Mittel. Langfristig ein echtes Risiko. Zumindest das Consumer-Health-Geschäft mit OTC-Präparaten wie Aspirin verzeichnete im letzten Quartal ein solides Wachstum von 5,7 %. Doch die Sparte ist zu klein, als dass sie dem Unternehmen insgesamt aus der prekären Lage helfen könnte.

Gefährliche Schönwetterdenke bei Bayer

Es klingt bitter, aber Bayer ist geradezu ein Lehrstück dafür, was mit Unternehmen passieren kann, wenn hochfliegende Übernahmepläne auf Schönwetterdenken treffen. Dabei klang die ‚industrielle Logik‘ hinter der Monsanto-Übernahme durch Bayer doch so verlockend: Wer den Landwirten Saatgut und Pflanzenschutz aus einer Hand verkauft, erhöht durch die Produktbündelung seine Markt- und Preissetzungsmacht. Leider wurden in dieser ‚Logik‘ die eingangs beschriebenen Risiken ignoriert bzw. kleingeredet.

Fatale Konsequenzen: Wenn sich Risiken materialisieren

Der gewaltige Aufwand für die Transformation, die Integrations- und Rechtsrisiken und der hohe Finanzbedarf – für den viel Tafelsilber verkauft werden musste – wurden von den Verantwortlichen ebenso ausgeblendet wie die Tatsache, dass das Geschäft von Monsanto bereits vor (!) der Übernahme durch Bayer schrumpfte und die Margen aufgrund höherer Wettbewerbsintensität in Asien unter Druck standen.

Wie aus Rosarot bei Bayer Dunkelrot wurde

Dabei sah in den Excel-Modellen der M&A-Berater doch alles so hübsch aus: Mit Synergien bis zum Abwinken, beschleunigtem Wachstum und steigenden Margen wurde ein rosarotes Bild gezeichnet. Und im Nullzinsumfeld spielte Geld ja sowieso keine Rolle. Mit etwas Financial Engineering ließ sich so gut wie alles finanzieren. Passiert ist von alledem das Gegenteil, was Bayer – wie vielen anderen Hochschuldenfirmen mit schwachen Margen – gewaltig auf die Füße fiel. Die schönen Übernahmepläne waren von vornherein Makulatur. Die völlig überhöhte Bewertung des Riesen-Deals hat– absehbar – nicht nur die Bilanz und den Cash Flow erheblich belastet und Bayer gewaltig durchgeschüttelt.

Düstere Aussichten für Eigentümer und Investoren

In solchen Situationen dauert es dann meist auch nicht lange, bis die Organisation verunsichert und überfordert ist und die besten Mitarbeiter das sinkende Schiff verlassen. Wenn sich zu den gestiegenen Zinsen und ungelösten Rechtsrisiken nun auch noch eine veritable Absatzschwäche auf dem Agrarmarkt gesellt, dann wird es richtig eng.

Für Eigentümer und Investoren sind dies düstere Aussichten, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Bewertung. Bereits 2019 hatten wir ausführlich argumentiert und hergeleitet, dass Bayer trotz der massiven Vernichtung an Marktkapitalisierung aufgrund der enormen Schulden und des gesunkenen Free Cash Flows – unternehmerisch betrachtet – erheblich höher bewertet ist als vor der Monsanto-Übernahme. Daran hat sich nichts geändert: Obwohl der Aktienkurs seitdem immer weiter abgestürzt ist, ist Bayer – unternehmerisch gerechnet – immer teurer bewertet.

Mit schlechtem M&A einen gesunden Konzern an die Wand gefahren

Durch das Zocken auf Kosten der Aktionäre hat das Management einen an sich strukturell gesunden und aussichtsreichen Konzern an die Wand gefahren. Dessen ungeachtet lassen sich die Architekten dieser „Skandal-Übernahme“ weiter ungeniert rühmen: ‚In seiner Amtszeit entwickelte sich Bayer durch die Übernahme und erfolgreiche Integration von Monsanto zu einem führenden Unternehmen der Agrarbranche‘, heißt es über den damaligen Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann auf der Bayer-Homepage.

M&A mit Vorbildfunktion: Beispiel Danaher

Dass es auch anders geht, zeigt unser Portfoliounternehmen Danaher. Das in den Bereichen Life Science, Diagnostik, Medizin- und Labortechnik tätige Gesundheitsunternehmen ist eine der wenigen effizienten M&A-Maschinen und kauft regelmäßig neues Wachstumsgeschäft hinzu, um das Produktportfolio weiterzuentwickeln. Die Zukäufe werden rasch integriert und steigern das Umsatzwachstum und die Margen des Konzerns spätestens ein Jahr nach dem Closing der Übernahme. Und durch den hohen und wachsenden Unternehmensgewinn schafft es Danaher zuverlässig, die infolge einer Übernahme ansteigende Verschuldung zügig wieder zurückzuführen, um die Voraussetzung für die nächste wertstiftende Übernahme von profitablem Wachstumsgeschäft zu schaffen. Das Beispiel Danaher zeigt somit: M&A ist per se nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Man muss es ‚nur‘ richtig anstellen, und zwar mit Augenmaß. 

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