Nach Ansicht von Dr. Wolfgang Bauer, Anleihefondsmanager bei M&G Investments, steht die deutsche Finanzpolitik an einem Wendepunkt. Die faktische Abschaffung der Schuldenbremse und die Schaffung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro sind für Investoren ein Gamechanger.
05.03.2025 | 12:10 Uhr
Auf Wiedersehen, Schuldenbremse. Hallo, Sondervermögen
Gestern Abend gaben die Spitzen der deutschen Konservativen (CDU/CSU) und der Sozialdemokraten (SPD) ihren ersten großen Maßnahmenvorschlag aus den Koalitionsverhandlungen ab. Ihre Ankündigung markiert nicht weniger als einen grundlegenden Wandel in Deutschlands finanzpolitischem Ansatz.
Auf Wiedersehen, Schuldenbremse
Der Leitantrag würde die verfassungsmäßige Schuldenbremse, die einen ausgeglichenen Bundeshaushalt erzwingen sollte, de facto aushöhlen. Der neue Plan sieht vor, dass alle Verteidigungsausgaben, die über 1 % des BIP hinausgehen, von der Regel ausgenommen werden. Es gäbe keine Obergrenze - das heißt, der Verteidigungshaushalt wäre im Prinzip unbegrenzt.
Die Gründe dafür sind politisch verständlich. Angesichts wachsender geopolitischer Risiken und sich rasch verändernder transatlantischer Beziehungen wünscht sich die neue deutsche Regierung mehr Flexibilität bei den Militärausgaben. Aber die Abkehr von einer festen Verpflichtung zur Haushaltsdisziplin hat Konsequenzen. Zwei Hauptrisiken stechen hervor:
Hallo, Sondervermögen
Die zweite wichtige Ankündigung gestern Abend war die Schaffung eines 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen. Die Einrichtung eines Sondervermögens ermöglicht es der deutschen Regierung, Mittel zu beschaffen, ohne die Schuldenbremse zu verletzen – die verfassungsrechtliche Vorgabe, wonach der Bundeshaushalt grundsätzlich ausgeglichen sein muss. Ein Sondervermögen ist dabei ein „off-balance-sheet“-Budget, das einem klar definierten Verwendungszweck dient. Genau das tat die Ampelregierung 2022 als Reaktion auf Russlands Invasion der Ukraine: Nach der angekündigten Zeitenwende stellte Kanzler Scholz ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Modernisierung der Bundeswehr bereit.
Das neue Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro würde die Initiative von Scholz jedoch in den Schatten stellen. Zum Vergleich: Es entspräche 11,6 % des deutschen BIP (4,3 Billionen Euro). Aber die Übernahme einer solch massiven Schuldenlast wäre natürlich nicht zum Nulltarif zu haben.
Was würde es kosten?
Die Zeiten negativer Zinsen sind lange vorbei. Zwar bedeutet ein Sondervermögen nicht, dass Deutschland den gesamten Betrag sofort aufnimmt – es funktioniert eher wie eine Standby-Kreditlinie, die nach und nach abgerufen werden kann. Doch wie viel Zinsen müsste Deutschland zahlen, wenn die gesamte Anleihe in Höhe von 500 Milliarden Euro in Anspruch genommen würde?
Wenn wir von verschiedenen Zinssätzen ausgehen, ergibt sich folgendes Bild:
Zum Vergleich: Der Haushalt 2024 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz belief sich auf ca. 11,1 Milliarden Euro. Und diese Schätzungen könnten immer noch zu konservativ sein - der Ausstieg aus der Schuldenbremse und die Ankündigung eines großen Sondervermögens könnten die Renditen deutscher Staatsanleihen und damit die Finanzierungskosten in die Höhe treiben, da die Investoren wahrscheinlich einen Risikoaufschlag aufgrund der höheren Verschuldungsquote verlangen könnten. Die Tatsache, dass die Renditen von Bundesanleihen heute Morgen nach den Ankündigungen von gestern Abend spürbar gestiegen sind, würde diese Annahme unterstützen.
Inflationsrisiken
Eine große Sorge ist die Inflation. Hunderte Milliarden Euro zusätzliche Staatsausgaben über ein neues Sondervermögen könnten die Inflation weiter anheizen. Das könnte wiederum die EZB zwingen, ihre Zinspolitik restriktiver zu gestalten, wodurch hohe Finanzierungskosten für Deutschland und andere Euro-Staaten länger anhalten könnten.
Fazit
Die deutsche Finanzpolitik steht an einem Wendepunkt. Die faktische Abschaffung der Schuldenbremse und die Schaffung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro sind für Investoren ein Gamechanger.
Eines ist klar: Investoren können sich von der deutschen Sparsamkeit und Haushaltsdisziplin verabschieden. Die Spielregeln haben sich geändert.
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