Schroders: Jetzt besser nicht dem Herdentrieb folgen

Fondsmanager Joe Le Jéhan meint, dass momentan nicht der Zeitpunkt ist, dem Konsens am Markts zu folgen. Der Grund: Das erste Quartal 2016 hat eine Reihe von weitgehend akzeptierten Themen infrage gestellt.

11.05.2016 | 13:23 Uhr

Wie sieht der gemeinsame Konsens aus?

Nach dem Konsens befinden wir uns heute in einem Umfeld langfristiger Stagnation, in der die Weltwirtschaft vor sich hindümpelt und die Deflation sich immer stärker zementiert.

In einer Welt mit anhaltender geldpolitischer Lockerung und einem Abwertungswettlauf der Zentralbanken – ungestört weiter nach dem Drehbuch der letzten Jahre:

  • Der US-Dollar bleibt stark.
  • Defensive Qualitätsunternehmen mit stabilem Wachstum werden laufend neu bewertet.
  • Chinas Konjunkturflaute belastet lediglich alle Energie- und Rohstoffwerte. 

Nach einem ereignisreichen Jahresauftakt 2016 stellen wir diese Themen jedoch infrage.

Zeigt der US-Dollar weiterhin Stärke?

Die Reaktionen auf neue geldpolitische Initiativen in diesem Quartal (darunter Negativzinsen) folgten nicht dem offensichtlichen Pfad einer erzwungenen Abwertung, um die erhofften Wettbewerbsvorteile herbeizuführen. Die Yen- und Euro-Stärke – und der schwache US-Dollar – nach der weiteren geldpolitischen Lockerung haben freilich viele überrascht.Ein Vergleich zu 2011 ist daher interessant. Damals glaubte jeder zu wissen, dass der US-Dollar schwach bleiben würde. Bis er sich, trotz der damals heiß laufenden US-Geldpresse, dann aber anders entwickelte. Heute sind Anleger vom Gegenteil überzeugt.

War einst ein starker US-Dollar gut für die Weltwirtschaft, schadet eine kräftige US-Währung derzeit eher. Die Märkte sind anscheinend im Begriff, das zu erkennen. Schwächt sich der Aufwärtstrieb des Dollars ab – selbst wenn dies ein gedämpfteres US-Wachstum signalisiert –, werden viele Anleger ihre Positionierung überdenken, sind sie doch recht tendenziös ausgerichtet. Ein stabilerer Dollar mindert den aktuellen Finanzierungsdruck der Schwellenmärkte und baut daher die vorherrschenden deflationären Befürchtungen ab. Ein selektives Engagement dürfte in Bereichen, die während der Dollarstärke am meisten gelitten haben, irgendwann angesagt sein. Dies betrifft hauptsächlich die Energie- und Rohstoffsektoren.

Hat sich die Deflation zementiert?

Die längerfristigen Befürchtungen bezüglich des Weltwirtschaftswachstums verstehen wir sehr gut. Demografische Zwänge und stets zunehmende Schuldenlasten führen künftig zu schwierigeren Bedingungen, in den Volkswirtschaften wie auch an den Märkten. Mit Blick auf die kurzfristige zyklische Grundlage ist jedoch ein Anstieg des Inflationsdrucks festzustellen. Sowohl die anhaltenden Lohnerhöhungen in den USA als auch das vorläufige Erreichen der Talsohle des Ölpreises deuten auf dieses Risiko hin. Seit dem Tiefstand im Februar ist der Ölpreis inzwischen um fast 50 % gestiegen. Die Inflation könnte unbeachtet weiter ansteigen, während sich die US-Notenbank anscheinend damit zufriedengibt, „hinter der Kurve“ zu bleiben. Reagieren die Anleger letztlich, dann kaufen sie wohl „reale“ Vermögenswerte wie Rohstoffe. Der Druck, die Zinsen anzuheben, wird irgendwann wieder auftauchen. Für viele Finanzmärkte verspricht das auf ihrem derzeitigen Niveau nichts Gutes. Anleihenahe Aktien und Niedrigzinsanleihen, die in den meisten Portfolios weitläufig vertreten sind, würden unter Druck geraten.

Wo gibt es Anlagemöglichkeiten?

Wir behaupten nicht, dass die obigen Szenarien – steigende Inflation und schwächerer US-Dollar – vorprogrammiert sind. Nichts ist in dieser Phase sicher. Sie sind in den kommenden 12 bis 18 Monaten jedoch nicht auszuschließen.

Diesbezüglich ist das Ausmaß, wie stark die Anleger fern von diesen Bereichen und hin zu den Nutznießern eines schwachen Wachstums und von Deflation positioniert sind, mittlerweile signifikant geworden. Die begehrten Märkte erscheinen fair bewertet, und die jüngsten Underperformer spiegeln anscheinend viele der verbundenen Risiken wider. Insgesamt betrachtet könnte dies irgendwann der Punkt für fantastische Möglichkeiten im Hinblick auf Assets sein, an denen Investoren derzeit nicht interessiert sind, nämlich Energie- und Rohstoffwerte.

Verlängerter Marktzyklus

Das hört sich insgesamt relativ positiv an. Warum bevorzugen wir dann im Multi-Manager-Team von Schroders weiterhin eine Untergewichtung von Aktien und beträchtliche Barbestände? Wir sind uns vornehmlich der Tatsache bewusst, dass der verlängerte Marktzyklus bereits sieben Jahre gedauert hat. Die Weltwirtschaft scheint, in gewisser Weise eine Gratwanderung zu machen, bei der den Anleger auf jeder Seite zwei auffallend unterschiedliche Ergebnisse erwarten. Die Aktienmärkte bieten Nischen für Wertschöpfung. In den vergangenen sieben Jahren haben sich Anleger die Idee zu eigen gemacht, dass die expansive Geldpolitik Wirtschaftswachstum erzeugt. Von dieser Einstellung haben die Märkte auf breiter Front profitiert. Die Reaktionen des Markts auf die geldpolitischen Initiativen im laufenden Jahr lassen durchblicken, dass das nicht mehr der Fall ist. Die Anleihemärkte verzeichnen indessen weiterhin extreme Bewertungen. Wir befinden uns in einer Phase, in der Staatsanleihen im Umfang von etwa 9 Billionen US-Dollar (über 20 % des gesamten Marktes) negative Zinsen tragen. Bei Panikattacken können Staatsanleihen auf diesem Niveau kurzfristig Vorteile versprechen.

Das langfristige Ertragsprofil bleibt jedoch zutiefst unattraktiv, sollte sich ein – wenn auch moderater – zyklischer Konjunkturaufschwung oder Inflationsanstieg abzeichnen. Wie bereits erwähnt ignorieren Anleger dieses Szenario aktuell, so gering die Eintrittswahrscheinlichkeit auch ist.

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