Chinesische Anleihen profitieren von schwächerem Wachstum

Eine strukturelle Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft hätte einen größeren Einfluss auf die weltweite Konjunkturprognose und riskante Anlageklassen.

04.07.2012 | 10:42 Uhr

Kein Wunder also, dass die jüngst veröffentlichten schwachen Wirtschaftsdaten aus China für die Finanzwelt ein Schock war. „Die chinesische Wirtschaft muss sich neu ausrichten, wodurch die Wachstumsrate unweigerlich niedriger ausfallen wird. Das bedeutet aber, dass sich Anleihen überdurchschnittlich entwickeln und die Währung langfristig aufgewertet wird“, sagt Aurore Blair, Senior Investment Strategist für Global Fixed Income beim britischen Vermögensverwalter Schroders.

„Auch wenn wir bei einigen Unternehmen mit Schwierigkeiten rechnen, gibt es doch zahlreiche gute Unternehmensanleihen mit attraktiven Bewertungen“, sagt Aurore Blair. Seit den Nachwirkungen der Krise 2008 preisen die Märkte für chinesische Unternehmensanleihen eine höhere Rendite als für die der Schwellenländer im Allgemeinen ein. Im Investment-Grade-Bereich findet man unserer Ansicht nach gute relative Werte im Vergleich zu ähnlich bewerteten Unternehmensanleihen in den USA bei staatlichen Firmen und im Energiesektor. „Im Hochzins-Markt bleiben wir weiter vorsichtig, da einigen Firmen größere Probleme in Bezug auf Corporate Governance drohen“, sagt Aurore Blair.

Die Spreads zwischen chinesischen Unternehmensanleihen und den Spreads der Schwellenländer steigen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass für einige chinesischen Emittenten eine hohe Ausfallquote erwartet wird. Das gilt besonders für einige Immobilienentwickler, die einen wichtigen Teil des Indexes darstellen. Doch einige größere Immobilienentwickler profitieren am stärksten von einer derzeitigen geldpolitischen Lockerung.

Die chinesische Regierung strebt eine stärkere Liberalisierung des Kapitalmarkts und der Zinssätze an. Allgemein geht weniger Kontrolle des Finanzsystems Hand in Hand mit höherer Volatilität. Auch wenn die Fortschritte langsam verlaufen: Die Reformen kommen voran. So haben die Banken zum Beispiel seit Anfang Juni 2012 die Flexibilität, den Satz für Einlagen bis auf 110 Prozent des vorgegebenen Wertes festzusetzen und Kredite nun mit einem Rabatt von 20 Prozent gegenüber der Vorgabe der Regierung (zurzeit liegt die Grenze bei 90 Prozent) anzubieten. Die Regierungsmaßnahmen haben auch die Entwicklung der Unternehmensanleihenmärkte auf dem chinesischen Festland beflügelt und erlauben nun eine Beteiligung seitens ausländischer Investoren.

An den Währungsmärkten sind viele Marktteilnehmer – entsprechend der Aussage von Ministerpräsident Wen Jiabao am 14. März 2012 – der Ansicht, dass sich der Wechselkurs jetzt in einem Gleichgewicht befindet. Der Hauptgrund dafür sind die gesunkenen Überschüsse in der Leistungsbilanz. Chinas Leistungsbilanzüberschuss fiel seit 2007 von seinem Höchststand von 10,1 Prozent vor der Krise auf 2,8 Prozent des Brutto-Inladsprodukts (BIP) 2011. Darüber hinaus würde eine Abwertung angesichts der jüngsten Konjunkturabkühlung wachstumsfördernd wirken.

„Doch wir sind aus folgenden Gründen der Ansicht, dass der Renminbi auf lange Sicht aufgewertet wird: Erstens wird China von internationaler Seite gedrängt, seine Währung aufzuwerten oder zumindest deren Abwertung zu unterbinden“, sagt Aurore Blair. Ferner haben die westlichen Zentralbanken ihre Bilanzen erweitert und würden eine Währungsabwertung zur Ankurbelung ihrer Wirtschaften durchaus begrüßen. Vor allem aber: Wenn der Renminbi zur Reservewährung wird, werden die Zuflüsse letztendlich die Aufwertung der Währung zur Folge haben. Die Wirtschaft muss sich in Richtung Konsumverstärkung umorientieren und dabei gleichzeitig die Inflation unter Kontrolle halten. Eine Währungsaufwertung würde dabei helfen, beides zu erreichen, denn dadurch würden die Importpreise sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen sinken. Mit Blick auf die derzeitige Konjunkturabkühlung und den Bedarf an Stabilität im Lande vor dem anstehenden politischen Machtwechsel im kommenden Jahr könnte sich der Aufwertungsprozess hinziehen.

„Für die chinesischen Währungsmärkte sind wir positiv eingestellt. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hat die chinesische Zentralbank die Zinssätze für Kredite und Einlagen Anfang Juni um 25 Basispunkte gesenkt – die erste Zinssenkung seit 2008. Unserer Ansicht nach wird es in den kommenden Monaten weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen geben. Das kann zum Beispiel in Form eines niedrigeren Mindestreservesatzes erfolgen, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Auch ein oder zwei weitere Senkungen der Zinssätze wären denkbar. Zudem gehen wir davon aus, dass der Renminbi langfristig aufwerten wird“, erläutert Aurore Blair.

„Wir bleiben in unserem Portfolio weiter taktisch aufgestellt, da die Volatilität an den chinesischen Märkten zunimmt. Das alte Wirtschaftsmodell auf Grundlage von niedrigen Löhnen, Exporten und Anlageinvestitionen hat ausgedient. Reformen werden zwar begrüßt, dürften aber nur langsam umgesetzt werden“, sagt Aurore Blair. Die Umsetzung von Reformen ist abhängig von der neuen Führungsspitze, die ihr Amt im Oktober 2012 antreten wird. Viele Parteifunktionäre sind gegen solche Reformen und es dürfte auf dem Weg dahin einige Hindernisse und Schreckmomente am Markt geben.

Die Pressemitteilung im pdf-Dokument

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