ETF Securities: Der chinesische Kreditboom – eine Gefahr für Anleger?

Der chinesische Kreditboom könnte zu Spannungen im inländischen Bankensektor und zu längeren Phasen mit unterdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum führen. Die Ansteckungsgefahren für das globale Finanzsystem aufgrund der begrenzten chinesischen Verbindlichkeiten im Ausland scheint allerdings gering.

11.04.2017 | 08:47 Uhr

Stabilisierung der Wirtschaft  

Das chinesische Wirtschaftswachstum hat sich in den letzten Quartalen stabilisiert, wobei es zum Jahresende bei jährlich 6,8 Prozent stand. Die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor befinden sich seit Mitte 2016 über der Expansionsschwelle. Darüber hinaus übertrafen im Februar auch die Industrieproduktion und die Sachinvestitionen die Erwartungen. Im Jahresvergleich stiegen sie um 6,3 Prozent beziehungsweise 8,9 Prozent, nachdem sie im Januar noch auf 6,0 Prozent beziehungsweise 8,3 Prozent gelegen hatten.

  Trotzdem stellen die Liberalisierung der Finanzmärkte und die Verwaltung der Staatsfinanzen und der Staatsbetriebe nach wie vor eine Gefahr für den langfristigen Ausblick dar. Das mittlerweile seit sieben Jahren nachgebende Trendwachstum ist letztlich ein Ausdruck der schleppenden Fortschritte, die China bei der Eindämmung der Schwachstellen und der Durchführung von Strukturreformen macht. Der langfristige wirtschaftliche Ausblick hängt aber in hohem Maße von dem Engagement ab, mit der die Regierung während der Annäherung an die entwickelteren Volkswirtschaften die Strukturreformen vorantreibt.

Geldpolitik weniger locker

Da der Offenmarktausschuss in den USA die Geldpolitik strafft, benötigen die chinesischen Behörden bei der Umsetzung ihrer Wirtschaftspolitik mehr Flexibilität. Das Ende der quantitativen Lockerungsphase, auf die der Beginn des Straffungszyklus in den USA folgte, setzte den Renminbi unter Druck und führte zu hohen Kapitalabflüssen. Die chinesische Notenbank verkaufte seit 2014 Währungsreserven im Wert von 1 Bio. US-Dollar, um die Abwertung des Renminbi zu bremsen, und die chinesische Finanzaufsicht machte Gebrauch von strengeren Kapitalverkehrskontrollen. Die mit diesen Maßnahmen verbundenen expliziten und impliziten Kosten – die erzwungene Veräußerung der Währungsreserven beziehungsweise die Zunahme der Risikoaversion aufgrund der strengeren Kapitalverkehrskontrollen – waren allerdings schlicht zu hoch. Im März kündigten chinesische Funktionäre eine weitere Liberalisierung des Renminbi-Wechselkurses an. 
 Wir sind davon überzeugt, dass es auf mittlere Sicht zu einer weiteren Liberalisierung der Währung und der Finanzmärkte kommen wird. China startete zu Jahresanfang ein Pilotprogramm mit dem Ziel, den heimischen Unternehmen mehr Flexibilität bei der Einwerbung ausländischer Mittel zu geben, sofern die Erlöse in den Inlandsmarkt fließen. Mit der Zeit werden diese Kapitalzuflüsse die Kapitalabflüsse, mit denen die heimischen Unternehmen ihre Auslandsschulden tilgen, teilweise ausgleichen und schließlich die Kapitalbilanz stabilisieren. 

Unseren Erwartungen zufolge wird die chinesische Notenbank ihre Geldpolitik schrittweise straffen, um den Kreditboom zu bremsen, die Kapitalabflüsse einzudämmen und den auf dem Renminbi lastenden Abwärtsdruck zu mildern. Auf kurze Sicht rechnen wir abhängig vom nächsten geldpolitischen Schritt der Notenbank mit einer Zunahme der Währungsvolatilität und des Anleiherisikos.

Problem: Schuldenüberhang

In der Folge der Finanzkrise beruhte Chinas Wachstum auf Krediten und Investitionen, die von der expansiven Geldpolitik begünstigt wurden. So schoss Chinas Gesamtverschuldung von 145 Prozent des BIP im Jahr 2007 auf fast 260 Prozent des BIP Ende 2016 in die Höhe, sodass die Spannungen im inländischen Bankensystem zunahmen und die Effizienz des Kapitaleinsatzes zurückging. Chinas Schuldenberg wuchs 2016 mit hohem, wenn auch fallenden Tempo von 13 Prozent zum Vorjahr weiter. Gleichzeitig stieg der Anteil der notleidenden Kredite von 1 Prozent 2012 auf 1,8 Prozent 2016.

Der Unternehmenssektor leistete den höchsten Beitrag zur explosionsartigen Entwicklung auf dem Kreditmarkt. Die Unternehmensschulden erreichten 2016 einen Stand von 160 Prozent des BIP, während sie 2008 noch 100 Prozent des BIP betrugen. Den größten Teil zur Finanzierung der Wirtschaft steuerten die chinesischen Banken bei. Ihre Kredite und Darlehen machten 70 Prozent des gesamten inländischen Finanzierungsvolumens (TSF) aus. Die Kreditvergabe der Nichtbanken, das heißt der so genannten Schattenbanken , belief sich auf 16 Prozent des TSF, während die Kapitalmärkte, die Eigenkapital- und Anleihefinanzierungen bereitstellen, mit 14 Prozent den kleinsten Anteil am TSF hatten. 
  
Die Unternehmensverbindlichkeiten konzentrieren sich jedoch zu einem großen Teil in Staatsbetrieben, deren Finanzrisiko insgesamt begrenzt ist und implizit von der Zentralregierung garantiert wird. Laut IWF war Chinas gesamte Staatsverschuldung, einschließlich der Schulden der Lokalregierungen, 2016 mit 60,4 Prozent des BIP immer noch relativ niedrig, sodass die Annahme naheliegt, dass die chinesische Regierung über einen erheblichen fiskalischen Puffer verfügt, mit dem sich eventuelle Verluste auffangen lassen. Ferner ist das internationale Risiko der öffentlichen Schulden begrenzt, da Chinas externe Schulden im Vergleich zum BIP nach wie vor relativ geringfügig sind (12,7 Prozent).

Auslandsengagements und Ansteckungsgefahren

Um das mit chinesischen Krediten verbundene finanzielle Risiko ausländischer Anleger abzuschätzen, betrachteten wir als Näherungswert die Forderungen, die die Auslandsbanken gegenüber ihren chinesischen Kontrahenten aus dem Banken-, Privat- oder Staatssektor haben. Laut BIS stieg die chinesische Nachfrage nach Auslandskrediten seit Mitte der Nullerjahre bis Ende 2014 auf ein Allzeithoch, wobei die Zunahme der Auslandsfinanzierungen auf die rekordtiefen Zinsen in den entwickelten Volkswirtschaften zurückzuführen ist. Nach 2014 ging die Nachfrage nach Auslandskrediten deutlich um 155 Mrd. US-Dollar zurück, da die Fed ihre Wertpapier¬kaufprogramme auslaufen ließ, bis sie sich 2016 wieder stabilisierte. Die Zunahme der ausländischen Forderungen an China geht in den letzten zehn Jahren zur Hälfte auf Auslandskredite zurück, die chinesischen Banken gewährt wurden. Bei der anderen Hälfte handelt es sich um verschiedene Formen von Auslandskrediten, die der chinesische Sektor der Schattenbanken aufgenommen hat.  

Nominal ist das chinesische Engagement der Auslandsbanken trotz des Rückgangs weiter erheblich. Die Forderungen der Auslandsbanken gegenüber in China ansässigen Kontrahenten betrugen Ende 2016 insgesamt 658 Mrd. US-Dollar, was dem Engagement in Italien nahekommt. Relativ gesehen ist der chinesische Markt für Auslandskredite allerdings mit 6 Prozent des BIP klein, insbesondere verglichen mit den anderen Schwellenländern und entwickelten Volkswirtschaften, in denen er im Schnitt 14 Prozent des BIP beziehungsweise 41 Prozent des BIP ausmacht.  

Von allen berichterstattenden Ländern scheinen die Banken aus dem Vereinigten Königreich mit 23 Prozent der Auslandsforderungen am stärksten auf dem chinesischen Kreditmarkt exponiert zu sein, gefolgt von den USA, Europa und Japan, deren Banken 13 Prozent, 12 Prozent beziehungsweise 10 Prozent der Auslandsforderungen halten. 

Insgesamt betrachtet ist China verglichen mit seinen Pendants noch relativ abgeschottet. Angesichts der geringen chinesischen Verbindlichkeiten in den Büchern der Auslandsbanken halten wir das Risiko eines möglichen internationalen Übergreifens der Spannungen auf dem inländischen Kreditmarkt für gering.  

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