Liquiditätstender der EZB im Fokus

Banken erhalten Hilfe bei Rekapitalisierung

02.03.2012 | 15:14 Uhr

Geschäftsbanken in der Eurozone fragten in dieser Woche beim Dreijahrestender der EZB 530 Mrd. EUR an Zentralbankliquidität nach – unter Berücksichtigung des ersten Dreijahrestenders vom Dezember beläuft sich die Summe auf mehr als 1 Bio. EUR. Europäische Banken haben damit mehr als 130 % des diesjährig notwendigen Finanzierungsvolumens bei der EZB aufgenommen und sind im laufenden Jahr nicht mehr vom Kapitalmarkt abhängig. Wenn man die Rückzahlungen der Geschäftsbanken an die EZB aus anderen Tendern berücksichtigt, wurden per saldo 500 Mrd. EUR an frischem Geld von den Banken nachgefragt. Sie bezahlen für das Zentralbankgeld voraussichtlich nur 1 % Zins pro Jahr, während sie bei einer Finanzierung am Kapitalmarkt grob geschätzt 4 % bezahlen müssten. Die Banken sparen damit 3 %-Punkte, was bei einem Niveau von 500 Mrd. EUR einem zusätzlichen Gewinn von 15 Mrd. EUR pro Jahr für die nächsten drei Jahre entspricht – insgesamt also 45 Mrd. EUR. Die unorthodoxe Geldpolitik der EZB kommt vor diesem Hintergrund hauptsächlich den Banken zugute, während beispielsweise in den USA die Zentralbank selbst von ihrer Geldpolitik profitiert: 2011 erzielte die Fed einen vorläufigen Gewinn von 77 Mrd. USD und übertraf damit den Gewinn des gesamten amerikanischen Bankensystems. Die europäischen Banken benötigen jedoch die zusätzlichen Gewinne dringend, um die strengen Eigenkapitalanforderungen erfüllen zu können. In Japan beispielsweise war in den 1990er-Jahren die lang anhaltende Unterkapitalisierung der Banken ein Grund für die sogenannte „verlorene Dekade“. Viel wichtiger für die Finanzmärkte dürfte jedoch sein, dass die bisherigen Investoren bei der Fälligkeit der Bankanleihen oder bei Anleiherückkäufen der Banken ihr Geld zurückerhalten und dadurch ein neuer Anlagebedarf entsteht. Dadurch dürften die europäischen Finanzmärkte auch noch in den kommenden Wochen von einem hohen potenziellen Anlagevolumen profitieren.

Target2
Schätzungen zufolge gingen knapp 70 % des Geldes aus dem Dreijahrestender nach Frankreich, Italien und Spanien. Davon dürfte ein großer Betrag wieder zu deutschen Banken fließen und damit die Ungleichgewichte im Target2-System verstärken. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Target2 die Essenz der Europäischen Währungsunion ist. Als Anfang der 1990er-Jahre das britische Pfund und die italienische Lira im europäischen Währungssystem unter Druck gerieten und die  Währungsreserven in beiden Ländern abschmolzen, lehnte die Bundesbank die Bitte der beiden Regierungen nach Währungskrediten ab, und beide Währungen mussten infolge unzureichender Währungsreserven das feste Wechselkurssystem verlassen. Über Target2 vergibt die Bundesbank automatisch Währungskredite, wenn es in einem Land zur Kapitalflucht nach Deutschland kommt. Ansonsten würde die Europäische Währungsunion nicht funktionieren. Sollte das Target2-System abgeschaltet werden oder würde ein Ausgleich der Salden durch die Hinterlegung von mit Gold gedeckten Wertpapieren erzwungen, hätte dies eine Liquiditätskrise im Bankensystem des von der Kapitalflucht betroffenen Landes zur Folge. Aktuell bleibt Deutschland daher nichts anderes übrig, als die Ungleichgewichte im Target2-System zu akzeptieren. Deutschland hat damit auch unter Berücksichtigung der eingegangenen Verpflichtungen im europäischen Rettungsschirm ein großes Interesse am Bestand und am Erfolg der Europäischen Währungsunion.

Europa
Die EZB (Do) dürfte nach den umfangreichen Liquiditätsinjektionen im Dezember und Februar vorerst eine abwartende Haltung einnehmen, zumal die Konjunkturdaten einen geringeren Wachstumseinbruch signalisieren als befürchtet. Vor diesem Hintergrund haben wir unsere Leitzinsprognose revidiert und gehen nicht mehr von Leitzinssenkungen auf 0,5 % aus, sondern erwarten einen bis zum Jahresende unveränderten Zins von 1 %. Auch die Bank von England (Do) hat derzeit aufgrund des laufenden Kaufprogramms für Staatsanleihen keinen Handlungsbedarf. Der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor (Mo) in der Eurozone dürfte sich im Februar auf einem Niveau um 50 stabilisiert haben. Insbesondere die deutsche Wirtschaft ist wieder auf Erholungskurs, und es ist mit deutlichen Zuwächsen bei den Auftragseingängen (Mi) und der Industrieproduktion (Do) zu rechnen. Die Woche wird abgerundet durch den endgültigen Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs über das zweite Rettungspaket für Griechenland.

USA
In den USA bestehen gute Chancen, dass sich die Erholung am Arbeitsmarkt (Fr) fortgesetzt hat und der  ISMIndex (Mo) für den Dienstleistungssektor moderat gestiegen ist.

Japan
Die europäische Staatsschuldenkrise scheint derzeit die gesamte Medienaufmerksamkeit zu beanspruchen. Wie immer in solchen Fällen besteht die Gefahr, dass dadurch andere wichtige Entwicklungen übersehen werden. So beschloss die Bank von Japan im Februar ein formelles Inflationsziel von 1 % und eine Expansion des Kaufprogramms von Staatsanleihen. Erfahrungsgemäß verankert ein glaubwürdiges Inflationsziel die Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure und stabilisiert durch den Mechanismus der „Selffulfilling Prophecy“ die tatsächliche Inflationsrate. Noch im August preiste der japanische Rentenmarkt eine Deflation von -0,5 % pro Jahr für die nächsten sechs Jahre ein; derzeit liegen die Inflationserwartungen schon wieder im positiven Bereich. Die japanische Wirtschaft ist damit dem Ende der Deflation einen großen Schritt nähergekommen. Die Rückkehr zu einer positiven Inflationsrate dürfte die Binnennachfrage und den Aktienmarkt beflügeln, da die reale Zinsbelastung (Zins abzgl. Inflation) tendenziell fallen wird. Auch unternimmt Japan große Anstrengungen, Europa bei der Überwindung der Staatsschuldenkrise zu helfen: Bisher kaufte die japanische Regierung für knapp 3,5 Mrd. EUR Anleihen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), was immerhin knapp 20 % des Emissionsvolumens ausmacht.

Japan – Offizielles Inflationsziel der Bank von Japan dürfte
Ende der Deflation einläuten
in % ggü. Vorjahr

* Abgeleitet aus inflationsgeschützten Anleihen
Quellen: Bloomberg, Berechnungen Metzler; Stand 29. Februar 2012

Der Marktausblick im pdf-Dokument.

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