"Schwellenländer-Anleihen bleiben unverzichtbarer Portfolio-Bestandteil - Zinsanstieg in den USA und Euroland mindert Attraktivität von Emerging-Markets-Anleihen nicht"

Frau Fehm, Anleger haben massiv Kapital aus Schwellenländer-Anleihen abgezogen. Doch Sie sagen, dass Investoren auf die Anlageklasse nicht verzichten können. Warum?

30.05.2012 | 11:04 Uhr

Fehm: Schwellenländer-Anleihen haben gerade im vergangenen Jahr stark unter der hohen Risikoaversion der Anleger gelitten. Bemerkenswert ist, dass dieses Verhalten nicht durch schlechtere Rahmenbedingungen in den Schwellenländern, sondern durch die Sorge um einen drohenden Zahlungsausfall Griechenlands ausgelöst wurde. Dieses Anlegerverhalten folgt einem Muster, das ähnlich schon in der Finanzkrise von 2008 bis 2009 zu beobachten war. Tatsächlich aber verfügen viele Schwellenländer damals wie heute über wesentlich stabilere Finanzen als zahlreiche Industriestaaten. Das ist der Hauptgrund, auch weiterhin in Emerging Markets zu investieren; langfristig orientierte Investoren können auf diese Anlageklasse auf Dauer nicht mehr verzichten.
 
Welche Marktsegmente sind in Ihren Augen besonders interessant?
 
Fehm: Je nach Währung setzen wir unterschiedliche Schwerpunkte: Bei auf US-Dollar lautenden Schwellenländer-Anleihen bevorzugen wir Papiere im oberen Risiko- und damit Spread-Bereich aus Ländern wie Argentinien, Weißrussland, Sri Lanka oder Venezuela. Dort herrscht auf Zwölf-Monatssicht beim Spread noch weiteres Einengungspotenzial. Unter den Emittenten von Anleihen in Lokalwährung favorisieren wir derzeit Länder wie Brasilien und Mexiko, da deren Anleihen eine attraktive Realverzinsung aufweisen. Ein langfristiges Investment-Thema sind lokale Währungen. Denn viele Schwellenländer-Währungen verfügen in den nächsten zwei bis drei Jahren über weiteres Aufwertungspotenzial.
 
Lohnen sich auch bei steigenden US- und Euro-Zinsen Emerging-Markets-Bonds?
 
Fehm: Solange die Zinsen der Industriestaaten – und damit auch die der USA – niedrig bleiben, lohnt sich die Suche nach Alternativanlagen, die ein vertretbares Risiko und eine attraktivere Rendite bieten. Das dürfte sich in den kommenden ein bis zwei Jahren auch nicht ändern. Steigende Zinsen in der Euro-Zone und in den USA würden eher die in US-Dollar und Euro denominierten Schwellenländer-Anleihen treffen, wobei der aktuelle Spread um circa 350 Basispunkte gegenüber US-Staatsanleihen einen soliden Puffer und eine stabile Ertragsquelle darstellt. Ein moderater Zinsanstieg sollte keinen wesentlichen Einfluss auf die Spreads der Schwellenländer haben. Bei einem schnellen, sprunghaften Anstieg könnte es zu negativen Effekten kommen – etwa dann, wenn durch steigende Risikoaversion ausgelöste Verkäufe die Spreads ausweiten. Der Zusammenhang zwischen steigenden US-Zinsen und Emerging Markets-Finanzierungskosten ist kleiner geworden, da viele Schwellenländer inzwischen einen Großteil ihres Finanzierungsbedarfs über den lokalen Markt abdecken. Lokalwährungsanleihen reagieren stärker auf länderspezifische Entwicklungen, wie etwa die Inflationserwartung.
 
Über die Interviewpartnerin: Uta Fehm ist seit 2004 Portfolio-Managerin bei UBS Global Asset Management. Sie ist spezialisiert auf den Bereich Schwellenländer-Anleihen und für Entwicklung und Analyse der Schwellenländerprodukte verantwortlich. Sie verfügt über 19 Jahre Investmenterfahrung und arbeitet am UBS-Standort in Frankfurt am Main.
                                 
                      
Hintergrund: Schwellenländer-Anleihen – ein Markt im Wandel
 
Die Marktkapitalisierung für Staatsanleihen in lokaler Währung beläuft sich auf umgerechnet rund 1.447 Mrd. US-Dollar, und ist damit dreimal so groß wie der Markt für auf US-Dollar lautende Schwellenländeranleihen (Marktkapitalisierung 509 Mrd. US-Dollar)*. Der gesamte zur Verfügung stehende USD-denominierte Markt kann dazu noch in Staatsanleihen und Nichtstaatsanleihen aufgeteilt werden. Unternehmensanleihen, die in USD denominiert sind, haben eine Marktkapitalisierung von 481 Mrd. US-Dollar. Damit ist deren Marktkapitalisierung ähnlich hoch wie die der USD-Staatsanleihen. Lokale Anleihen werden dagegen überwiegend von Staaten und staatsnahen Emittenten – so genannten Quasi-Staatsemittenten – begeben.
 
Bemerkenswert ist auch die wachsende Zahl von Emittenten, vor allem in Afrika. Diese nutzen nicht mehr ausschließlich den Markt für USD-Anleihen, sondern begeben mittlerweile vorzugsweise Anleihen in Landeswährung. Dem höheren Angebot steht auch eine größere Nachfrageseite gegenüber, in der sich auch neue Investorengruppen finden – etwa jene, die auf der Währungsseite investieren und Emerging Markets FX als neue Diversifikationsmöglichkeit nutzen.
 
Die Bonität und die Ausfallraten der Schwellenländer-Anleihen haben sich in den vergangenen Jahren ebenfalls deutlich verbessert: Mittlerweile verfügen rund 60 Prozent aller EM-Anleihen über ein Investmentgrade, während dieser Anteil vor 15 Jahren gerade einmal bei 2 Prozent lag. Die gestiegene Qualität der Schwellenländer-Anleihen zieht neue Anlegerschichten heran, die nur Anleihen mit Investmentgrade kaufen. Zu diesen risikoscheuen Investoren zählen zum Beispiel Pensionskassen oder Versicherer. Diese qualitative Veränderung hat dazu geführt, dass Schwellenländer-Anleihen nicht länger als Satelliten- sondern zunehmend als eine Kern-Asset-Klasse in globalen Rentenportfolios gesehen wird.
* Daten basierend auf EM Indizes JPM GBI-EM Broad, JPM EMBI Global and JPM CEMBI
 
 
Wussten Sie schon, …?
 
... dass mit dem Zahlungsausfall Argentiniens 2001/2002 der letzte große Kreditausfall in den Schwellenländern mehr als zehn Jahre zurückliegt? Seither gab es außer kleineren – für den Weltmarkt unbedeutendere – Umschuldungen und Restrukturierungen etwa an der Elfenbeinküste, auf den Fidschi-Inseln oder in Ecuador keinen großen Default in den Schwellenländern. Noch heute führen viele Investoren die Argentinien-Krise als Grund an, nicht in Emerging-Markets-Anleihen investieren zu wollen.

Die Pressemitteilung als pdf-Dokument.

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