Bellevue: Westafrika – eng mit den Rohstoffmärkten verbunden

Westafrika leidet schwer unter dem Einbruch der Rohstoffpreise, der 2014 begann. Auch wenn die regionalen Wirtschaften ihre Abhängigkeit von Rohstoffen im vergangenen Jahrzehnt zu einem gewissen Grad reduziert hatten, ließ ihnen das Ausmass des Preiszerfalls keine Chance, heil aus den aktuellen Turbulenzen in dieser Anlagekategorie herauszukommen.

01.12.2015 | 15:47 Uhr

Grund dafür sind die eingeführten makroökonomischen Reformen, die ohne Zweifel einen positiven Einfluss hatten. Unserer Ansicht nach dürften weitere zielorientierte Wirtschaftsreformen und etwas Unterstützung von internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF und der Weltbank den Weg für eine langsame und nachhaltige wirtschaftliche Erholung ebnen. Ziel unserer jüngsten Reise war es, die Situation vor Ort neu zu beurteilen. Ghana und Nigeria sind immer noch mit grossen Unsicherheiten verbunden, sodass wir an der Seitenlinie stehen und noch etwas zuwarten. Hingegen wird die Elfenbeinküste immer mehr zu einer vielversprechenden Investitionsdestination.

Ghana: im Taumel von Goldpreis und Wahlversprechen

Die Probleme in Ghana begannen um die Parlamentswahlen 2012, als populistische wirtschaftspolitische Massnahmen zu einem starken Anstieg der Regierungsausgaben führten. Der drastische Zerfall des Goldpreises, gewisse Verzögerungen bei der Ölproduktion und der darauffolgende Ölpreiszerfall führten zu einer unkontrollierten Vergrösserung des Haushalts- und Leistungsbilanzdefizits. Die Folgen davon waren unter anderem eine rasante Währungsabwertung, die ihrerseits den Inflationsdruck erhöhte – ein Teufelskreis setzte ein. Die Central Bank of Ghana (CBG) verschloss die Augen vor ihren Inflationszielen und erwarb immer grössere Mengen an ausgegebenen Staatsschulden, um die lokalen Renditen zu deckeln. So war das Vertrauen in die lokalen Behörden schnell verloren und die Intervention des IWF im April 2015 wurde unausweichlich.

Ziel unseres Besuches war es, die Situation nach der IWF-Intervention zu beurteilen. Denn es scheint, dass der Markt etwas Vertrauen zurückgewonnen hat. Ausserdem wurden gewisse Reformen durchgebracht. Unser Treffen mit Regierungsbeamten vermochte uns von deren Bekenntnis zum IWF-Programm und deren Beurteilung der aktuellen makroökonomischen Risiken im Land jedoch nicht zu überzeugen. Darüber hinaus hielten die Manager der Banken, die wir trafen, vor dem Hintergrund der Wahlen im Jahr 2016 eine weitere Welle nicht nachhaltiger Staatsausgaben für zunehmend wahrscheinlich. Vom IWF vorangetriebene Massnahmen, einschliesslich einer wesentlichen Verringerung des Haushaltsdefizits sowie höherer Zinsen, werden als Risiko für die Wirtschaft betrachtet. Der anfängliche Anflug von Optimismus nach der IWF-Intervention scheint wieder verpufft zu sein: Der Grossteil unserer Gesprächspartner erwartet ein schwieriges 2016.

Im Bankensektor wurden unsere Zweifel über die Nachhaltigkeit der unerwartet besseren Performance bestätigt. Da die lokalen Renditen anstiegen – was den Treasury-Departementen zugutekam –, wurden mehr Fremdwährungskredite in Sektoren wie Bau, Erdöllieferanten und regierungsnahe Einheiten geleitet. Die Regierung ist gegenüber vielen Wirtschaftsakteuren im Zahlungsverzug, insbesondere was Fremdwährungskredite betrifft. Der Bausektor befindet sich laut zahlreichen Banken in einer „Blase“ und die grossen Erdöllieferanten haben mit den tiefen Ölpreisen einen herben Schlag erlitten. Darüber hinaus haben zahlreiche ausgegebene Kredite in Lokalwährung einen variablen Zinssatz, der die Banken begünstigt, bis die Schuldner die steigenden Zinssätze nicht mehr bezahlen können. Wir sahen klare Anzeichen dafür, dass die Mehrheit dieser problematischen Kredite weit davon entfernt ist, als notleidende Kredite angesehen zu werden. In vielen Fällen sind die Rückstellungen noch unzureichend. Zudem kommen Liquiditätsfragen auf, welche die Regierung dazu veranlassen, gewisse Kreditrisiken in die eigene angespannte Bilanz aufzunehmen.

Ghana bleibt in einer schwierigen Situation. Der Gegenwind wird sich in nächster Zeit zwar etwas legen, insbesondere wenn die Öl- und Gasproduktion ansteigt. Aber die Regierung bewegt sich auf einem äusserst schmalen Grat und das Risiko, auf dem Weg auszurutschen, ist hoch. Trotz interessanter Titelideen bevorzugen wir es, mit einer Kapitalallokation in den lokalen Markt Ghanas zu warten, bis sich die makroökonomischen Wolken weiter verzogen haben. Durch Rohstoffanlagen halten wir dennoch eine indirekte Exposure.

Nigeria: noch immer eingenebelt

Die erfolgreiche Machtübergabe in Nigeria löste zu Beginn von Q2 2015 an den Finanzmärkten eine Welle des Optimismus aus. In der Zwischenzeit hat sich diese jedoch wieder weitgehend abgeflacht. Präsident Buhari artikuliert deutlich seine Absicht, die Korruption zu bekämpfen – insbesondere im strategisch wichtigen Öl- und Gassektor. Dem Land stehen jedoch dringliche kurzfristige Wirtschaftsanpassungen bevor. Die Ölpreise fallen und die Wirtschaftspolitik lässt keine klare Richtung erkennen.
Wir besuchten einen Anlass, an dem Reden des Notenbankgouverneurs und des Vizepräsidenten der Bundesrepublik Nigeria vorgesehen waren. Leider sagten beide Redner ihre Teilnahme jedoch äusserst kurzfristig wieder ab. Die Rede des Notenbankgouverneurs wurde durch den Auftritt einer lokalen Band ersetzt, die ein Loblied auf das Land sang, und der Vizepräsident entsandte einen Stellvertreter, der nicht minder von den Zukunftsperspektiven unter der neuen Administration schwärmte. Die beiden Beiträge waren gewiss unterhaltsam. Unseren Durst auf konkrete Informationen konnten sie aber kaum stillen. Unsere Gespräche mit verschiedenen Stakeholdern im Land haben unsere Vermutung tendenziell bestätigt, dass der Präsident die jüngsten FX-Einschränkungen – die weit herum kritisiert wurden und für die internationale Analysten der Zentralbank die Schuld zuschoben – in Tat und Wahrheit unterstützt. Dies deutet darauf hin, dass die anstehenden wirtschaftspolitischen Massnahmen sich vom Washington Consensus entfernen werden, für den internationale Institutionen wie der IWF und auch die Anlegergemeinde plädieren. Eine Währungsabwertung dürfte von einem Grossteil der Bevölkerung nicht goutiert werden. 

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