Edmond de Rothschild: Wird die US-Präsidentschaftswahl für die Märkte ein Reinfall?

Das Rennen um die Präsidentschaft war knapp und von überraschenden Wendungen gekennzeichnet. Sein Ausgang wird an den Finanzmärkten wahrscheinlich keine großen Auswirkungen haben, könnte aber bestimmte Sektoren begünstigen.

04.11.2016 | 14:26 Uhr

In Kürze wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt, und damit geht für die Anleger eine Zeit der Anspannung zu Ende. Im Fokus stehen am 8. November auch die Wahlen zum US Repräsentantenhaus und Senat. Hillary Clinton oder Donald Trump werden sich mit beiden Parlamentskammern arrangieren müssen, um ihre Zustimmung zu Reformen zu bekommen.

Die Gefahr einer ähnlichen Entwicklung wie nach den Brexit-Votum schwindet

Wahlen in den USA sorgen kurzfristig für Volatilität, stellen aber selten einen Wendepunkt für die Wall Street und dieweltweiten Märkte dar. In den letzten Jahrzehnten haben sich diese nach Wahlen oft relativ gut entwickelt. Dasdiesjährige Rennen um den Einzug ins Weiße Haus unterscheidet sich jedoch von früheren. Um sich das begehrtePräsidentenamt zu sichern, haben sich beide Kandidaten monatelang unerbittlich und mit allen Mitteln bekämpft.

Verschiedene Szenarien mit sehr unterschiedlichen Folgen zeichnen sich ab. Im Falle eines Siegs von Hillary Clinton rechnen die meisten Investoren mit unterschiedlichen Mehrheiten im Kongress: Die Demokraten übernähmen die Kontrolle über den Senat und die Republikaner behielten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus. Deshalb wird der Wahlsieger beziehungsweise die Wahlsiegerin möglicherweise nicht völlig freie Hand haben, vor allem bei Themen in den Bereichen Steuern, Krankenversicherung und Haushaltsausgaben. Sollte dieses Szenario eintreten, würde sich das größte politische Ereignis der Saison nur wenig auf die Märkte auswirken, da es im Vergleich zur Regierung Obama keine grundlegenden Veränderungen in der Politik mit sich brächte.

Die Märkte würden ein solches Ergebnis wahrscheinlich begrüßen, weil dann die Voraussetzungen gut wären, dass Kompromisse gefunden werden. Auf kurze Sicht sollten bei dieser Konstellation die Renditen auf US-Staatsanleihen und der Dollarkurs steigen. Und mittelfristig könnte eine Erhöhung der Staatsausgaben das Wachstum in den USA stärken und zu einer höheren Inflation beitragen. Ein glatter Wahlerfolg der Demokraten mit Übernahme der Kontrolle über beide Parlamentskammern würde die Anleger überraschen und wäre für sie so gut wie sicher unbequem. Denn der Kongress würde Hillary Clinton in diesem Fall freie Hand geben, strukturelle Veränderungen vorzunehmen und eine Reihe von Reformen auf den Weg zu bringen, die bestimmte Sektoren treffen würden.

Wenn Donald Trump gewinnen würde und die Republikaner die Kontrolle über den Kongress behielten, wäre die Umsetzung seiner Vorschläge leichter. Ein solches Ergebnis könnte an den Märkten für Volatilität sorgen, da Trumps Wirtschaftsprogramm sehr protektionistisch ausgerichtet ist. Auf kurze Sicht könnte ein Einzug Trumps ins Weiße Haus einen drastischen Rückgang der Renditen auf US-Staatsanleihen zur Folge haben. Außerdem würden sich die wirtschaftlichen Aussichten für die Schwellenländer eintrüben und die Unternehmensgewinne in Mitleidenschaft gezogen werden.

Gewinner und Verlierer

Wie sich die Märkte weiterentwickeln, hängt davon ab, ob es dem Wahlsieger beziehungsweise der Wahlsiegerin gelingen wird, sein beziehungsweise ihr Programm zu verwirklichen. Bei einem Sieg Hillary Clintons und unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen in beiden Häusern des Kongresses sollte sich die Volatilität an den Märkten in Grenzen halten; denn die Anleger werden darüber erleichtert sein, dass die nächste US-Regierung den Ausgleich suchen und sich mit halbherzigen Maßnahmen zufriedengeben muss. Dem Finanzsektor könnte es in diesem Fall gelingen, eine weitere Verschärfung von Regulierungsbestimmungen zu verhindern. Ein solcher Wahlausgang würde außerdem den Druck von Unternehmen aus dem Gesundheitssektor nehmen, deren Aktien sich wegen der guten Gewinnaussichten dann erfreulich entwickeln könnten.

Wenn es nicht zu einem glatten Sieg der Demokraten kommt, würden einige von Hillary Clintons Vorhaben für den Gesundheitsbereich – wie die Festlegung von Obergrenzen für Preiserhöhungen bei Medikamenten und die Verpflichtung zur Transparenz in Bezug auf die Entwicklungskosten – wahrscheinlich verwässert werden. Allgemein ist im Zuge einer generellen Erhöhung von Löhnen und Gehältern ferner zu erwarten, dass die Margen im Gastronomie und IT-Sektor unter Druck geraten werden.

Sollte der Wahlsieger jedoch Donald Trump heißen, werden stark auf den US-Binnenmarkt fokussierte Bereiche und Industrien wie der Rüstungs- sowie Infrastruktursektor so gut wie sicher davon profitieren. Wenn Trump gewinnt, würde dies auch Aktien von Energieunternehmen Auftrieb geben, weil er Vorschriften, die zur Bekämpfung des weltweiten Klimawandels dienen, lockern will.

Auch in Bezug auf die Geldpolitik haben beide Kandidaten recht unterschiedliche Vorstellungen. Hillary Clinton gehört zu den Unterstützern der Chefin der US-Notenbank Fed, Janet Yellen, während Donald Trump Yellens Ansatz und Methoden kritisiert. Falls er gewinnt, könnte er sich für eine Ablösung Yellens im Jahr 2018 einsetzen. Doch bevor es dazu kommt, könnte die Fed-Chefin – nachdem sich das Wahlfieber gelegt und sich kurzfristige Verwerfungen in Luft aufgelöst haben – ihre Karten ausspielen.

Die komplette Marktanalyse als pdf-Dokument.

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