Robeco: Die Aktienmärkte sind zu gelassen in Bezug auf die Brexit-Nachwehen

Die Aktienmärkte sind zu gelassen, was die möglichen Folgen von Großbritanniens historischem Referendum über den EU-Austritt angeht, meint Lukas Daalder von Robeco.

13.07.2016 | 16:36 Uhr

In aller Kürze:

• Der FTSE 100 hat sich erholt und liegt wieder über seinem Schlussstand von vor dem Brexit-Votum.
• Wir sind aber nicht zur Normalität zurückgekehrt, da die Risiken bisher nicht ausreichend eingepreist wurden.
• Letztlich könnte ein Szenario entstehen, bei dem man so oder so verliert.

Daalder glaubt, dass in Bezug auf die weitere Entwicklung nach dem tatsächlichen Vollzug des Brexit ein Szenario, bei dem man so oder so verliert, noch nicht vollständig in die Aktienkurse eingepreist ist. Nach dem für viele schockierenden Ausgang des Brexit-Referendums am 23. Juni gingen die Aktienmärkte zunächst auf Talfahrt, erholten sich dann aber wieder, weil keine unmittelbare Bedrohung für britische Unternehmen besteht, die teilweise sogar von dem schwächeren Pfund profitieren könnten. 

Dass die britische Regierung bisher den EU-Austritt noch nicht beantragt hat und sich an die Antragsstellung mindestens zweijährige Verhandlungen anschließen werden, wiegt die Märkte nach Ansicht von Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions, in falscher Sicherheit. 

„Die Finanzmärkte hatten mit einem Verbleib Großbritanniens in der EU gerechnet, und der anfängliche Schock war deshalb recht heftig: Der MSCI World Index verlor an zwei Tagen 7 %, europäische Aktien mehr als 11 %. Und europäische Banktitel büßten 18 % ihres Werts ein”, stellt Daalder fest. „So drastisch wie der Kurssturz war aber auch die anschließende Erholung: Die britische Notenbank ließ wissen, dass in diesem Sommer mit weiteren geldpolitischen Stimulierungsmaßnahmen zu rechnen ist, und die Märkte halten eine Zinserhöhung durch die US-Notenbank Fed bis auf Weiteres für völlig unwahrscheinlich.” 

„Hinzu kam die allmähliche Erkenntnis, dass das Brexit-Votum nicht zu plötzlichen Marktbewegungen oder gar zu einem Kollaps führen und mindestens zwei Monate vergehen würden, bis eine vernünftige Aussage dazu möglich ist, wie es weitergeht. Die Aktienkurse erholten sich, wobei vor allem der FTSE – unterstützt durch die Abwertung des Pfunds – völlig wider Erwarten seinen Schlussstand vom Tag vor dem Referendum übertraf.”

Wie geht es jetzt weiter?

 „Wir sind zwar froh, dass die Ereignisse nicht zu einem Crash geführt haben, glauben aber auch, dass die Märkte die Gesamtsituation derzeit zu gelassen beurteilen.” 

„Der Ausblick für die nächsten beiden Monate, die relativ ereignislos verlaufen dürften, ist recht stabil. Das heißt aber nicht, dass wir schon zu ‚business as usual’ zurückgekehrt wären. Angesichts der von Großbritanniens Wirtschaft ausgehenden Signale halten wir ein Szenario, bei dem man so oder so verliert, für sehr viel wahrscheinlicher.” 

„Eine Möglichkeit ist, dass die britische Wirtschaft weitgehend ungeschoren davonkommt und sich die Auswirkungen auf die Gewinne britischer und kontinentaleuropäischer Unternehmen in engen Grenzen halten. Dies wäre ein deutliches Signal, dass die Folgen eines EU-Austritts nicht so gravierend sind wie vielfach behauptet, und würde die Tür dafür öffnen, dass weitere Mitgliedstaaten ein Referendum abhalten, bei dem die Befürworter eines EU-Austritts gewinnen. Dies ist das Szenario, in dem der europäische Markt allmählich zerfällt, was letztlich auch das Ende der Eurozone bedeuten würde.” 

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