Robeco: Günstige Voraussetzungen für Zinspapiere

Ebnet das neue Konzept der Bank of Japan (BoJ) den Weg für „Helikoptergeld”? Das Verteilen von Geld an die Bürger erwartet Kommer van Trigt, Leiter des Global Fixed Income Macro Teams bei Robeco, aktuell zwar nicht. Mögliche Richtungsänderungen in der globalen Geldpolitik könnten aber durchaus von dem asiatischen Staat ausgehen.

31.10.2016 | 11:16 Uhr

„Man kann Japan als Labor der Welt für eine unkonventionelle Geldpolitik ansehen. Schon deshalb ist es wichtig, die Entwicklung sorgfältig zu beobachten“, so van Trigt. Derzeit bietet eine Globalkonjunktur, die nicht dabei ist zu überhitzen und sich auch nicht am Rand einer Rezession bewegt, gute Voraussetzungen für Anleihen.

Die durch geringes Wachstum und niedrige Inflation geprägte Weltwirtschaft bietet günstige makroökonomische Voraussetzungen für Investments in Zinspapiere. „In diesem Umfeld ist eine rasche Normalisierung der Leitzinsen durch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nicht wahrscheinlich“, ist Kommer van Trigt, Leiter des Global Fixed Income Macro Teams bei Robeco, überzeugt. Die japanische Notenbank überrascht unterdessen mit ihrem neuesten geldpolitischen Experiment: der Steuerung der Zinsstrukturkurve.1 Im Rahmen ihres neuen Konzepts wird die BoJ nicht nur die Geldmarktzinsen, sondern auch die Renditen 10-jähriger Anleihen ins Visier nehmen. So kann sie eine steilere Zinsstrukturkurve herbeiführen, was gut für den Bankensektor ist. „Das Vorgehen der BoJ kann auch als Aufforderung an die Regierung Abe verstanden werden, die Staatsausgaben zu erhöhen. Wenn durch Emission weiterer Staatsanleihen die Renditen in die Höhe getrieben werden sollten, besitzt die Notenbank jetzt die Flexibilität, am Markt zu intervenieren“, erklärt van Trigt.

Renditen japanischer Anleihen könnten weiter fallen

Wird damit der Weg für die Verteilung von „Helikoptergeld” geebnet? „Sofern es nicht zu einer bedeutenden Finanzmarkt- oder Wirtschaftskrise kommt, sehen wir das nicht so. Das neue Rahmenkonzept verleiht der BoJ jedoch sehr viel Spielraum in puncto Flexibilität, Nachhaltigkeit und irgendwann vielleicht auch in Bezug auf die Glaubwürdigkeit ihrer Politik. Wir halten weitere Zinssenkungen durch Japans Währungshüter für möglich, da sie jetzt über ein Instrument zur Stabilisierung der Zinsstrukturkurve verfügen“, erläutert van Trigt, dem zufolge es denkbar ist, dass die Renditen japanischer Anleihen den Tiefpunkt noch nicht erreicht haben.

„Man kann Japan als Labor der Welt für eine unkonventionelle Geldpolitik ansehen. Schon deshalb ist es wichtig, die Entwicklung sorgfältig zu beobachten. Fast alle Industrieländer stehen vor denselben wirtschaftlichen Herausforderungen wie Japan“, so van Trigt. Dazu gehören eine geringe Produktivitätssteigerung, eine rasche Alterung der Bevölkerung und eine hohe Staatsverschuldung. „Im Falle Japans scheint es nur dringlicher zu sein, diese Herausforderungen zu bewältigen“, sagt van Trigt, für den eine Richtungsänderung in der globalen Geldpolitik weg von der Geldmengenexpansion und ein Comeback expansiver Finanzpolitik durchaus von Japan ausgehen könnten.

Festhalten am Basisszenario: Geringes Wachstum und niedrige Inflation

Derzeit sieht der Robeco-Experte keinen Grund, vom Basisszenario – im Zentrum stehen geringes Wachstum und niedrige Inflation – für die Weltwirtschaft abzurücken. „Die politischen Risiken in den Industrieländern nehmen zu. Die Unsicherheit wird mit den US-Präsidentschaftswahlen im November und dem Verfassungsreferendum in Italien im Dezember größer“, erwartet van Trigt. Zu noch mehr Unsicherheit könnten unter anderem aber die Verhandlungen über die Umsetzung des Brexit führen, die Anfang 2017 offiziell aufgenommen werden.

Und was dürfen Investoren von den Emerging Markets erwarten? „Die Erholung der Rohstoffmärkte ist gut für die Schwellenländer, und in vielen dieser Staaten können die Notenbanken dank rückläufiger Inflation die geldpolitischen Zügel lockern. Auch die unmittelbare Sorge über die Konjunkturaussichten für China hat nachgelassen, wenngleich langfristige Herausforderungen und Risiken bestehen bleiben“, fasst van Trigt zusammen.

(Lokalwährungs-)Anleihen aus Schwellenländern besitzen weiteres Potenzial

Die aktuelle Weltwirtschaftslage bietet auch für (Lokalwährungs-)Anleihen aus Schwellenländern günstige makroökonomische Voraussetzungen. „In einer durch geringes Wachstum und niedrige Inflation geprägten Welt wird die Fed ihre Leitzinsen nicht rasch normalisieren. Die globale Liquiditätsschwemme, für die Notenbanken wie die BoJ, die britische Notenbank und die Europäische Zentralbank sorgen, findet teilweise ihren Weg in die Schwellenländer“, resümiert van Trigt. Die von Investoren ausgehenden Mittelflüsse bestätigen diese Verbesserung technischer Faktoren. „Unter Bewertungsgesichtspunkten erscheinen Lokalwährungsanleihen attraktiv“, so van Trigt.

Viele Notenbanken haben ihre Geldpolitik in den letzten Jahren verschärft, um ihre Landeswährungen zu schützen. Dadurch wurden die realen Renditen weltweit nach oben getrieben. Durch den Rückgang der Kernrenditen hat sich der Renditeabstand zu den Rentenmärkten der Industrieländer in den letzten Jahren vergrößert. In diesem Jahr haben die meisten Währungen zwar gegenüber dem US-Dollar und dem Euro aufgewertet, sind aber noch weit von den Wechselkursen von 2013 entfernt, als die Fed mit der Drosselung ihrer Anleihekäufe begann. Die Schwachstelle der meisten Länder ist van Trigt zufolge der fundamentale Ausblick, aber auch hier scheint in einigen Fällen vorsichtiger Optimismus angebracht.

Selektives Vorgehen bei Unternehmensanleihen, europäische Titel im Fokus

„Für den weiter gefassten Unternehmensanleihemarkt erwarten wir ein durchschnittliches Bewertungsniveau, positive technische Faktoren und sich verschlechternde Fundamentaldaten“, fasst van Trigt zusammen. Auswahlmöglichkeiten entstehen durch beträchtliche Unterschiede zwischen einzelnen Sektoren des Marktes. „Wir bevorzugen weiterhin nachrangige Anleihen aus dem Finanzsektor. Mit Spreads, die fast dreimal so hoch sind wie die auf erstrangige Anleihen aus dem Finanzsektor, sind diese Papiere attraktiv bewertet“, so van Trigt. Aus der Sicht von Anleihegläubigern verbessern sich die Fundamentaldaten. Anders als viele Emittenten aus dem (US-)Unternehmenssektor, deren Verschuldungsgrad wieder die Höchststände von 2008 erreicht hat, wollen Banken ganz klar ihre Schulden abbauen.

„Allerdings gilt es, spezifische Risiken zu beachten. Die Auswahl von Emittenten ist nach wie vor ausschlaggebend. Wir bevorzugen Gesellschaften aus Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz gegenüber Finanzinstituten aus Deutschland, Italien und Österreich“, erläutert van Trigt, der – unter dem Aspekt der Bewertung – die Durationsposition in den USA auf sieben Jahre begrenzt hat.

Der komplette Marktkommentar als pdf-Dokument.

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