Robeco: Nach US-Wahl – Entwicklung der Weltwirtschaft 2017 weniger positiv

Anleger sehen einem unsicheren Jahr 2017 entgegen: „Das Wahlergebnis in den USA hat die Unsicherheit in einem ohnehin schon recht wackligen System deutlich erhöht”, ist Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions, überzeugt.

18.11.2016 | 11:16 Uhr

Daalder erwartet, dass die Themen Steuern, Handel und Einwanderung im Fokus der Trump’schen Politik stehen werden. „Seine Wahlkampfrhetorik wird dann auf die raue wirtschaftliche Realität stoßen“, so Daalder, der seine zunächst recht positiven Erwartungen für die Weltwirtschaft nach unten revidiert hat. Robeco hat Aktien- und Anleihepositionen abgebaut und tendiert zu einer Übergewichtung bargeldnaher Anlagen.

Der Immobilienmagnat Donald Trump wird nach seiner Vereidigung als 45. US-Präsident am 20. Januar 2017 an der Spitze der größten Volkswirtschaft der Welt stehen. „Die erste große Unsicherheit ist, wie sich Trump jetzt nach seinem Wahlsieg verhalten wird”, sagt Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions. Er hat die Aktien- und Anleihepositionen in seinem Multi-Asset-Fonds reduziert und inzwischen die bargeldnahen Anlagen übergewichtet. „Wie viele von Trumps befremdlichen Ankündigungen nicht mehr als Wahlkampfrhetorik waren und wie viele davon er tatsächlich umsetzen wird, vermag noch niemand zu sagen”, so Daalder.

„Allerdings halten wir es für sehr unwahrscheinlich, dass er über Nacht zu einem moderaten Politiker wird. Sein bisheriger Werdegang deutet nicht darauf hin, dass er nur große Töne spuckt – er wird den Menschen zeigen wollen, dass er auch ein Mann der Tat ist. Die eigentliche Unsicherheit liegt darin, welche Politik er im Einzelnen verfolgen wird. Wir haben alle seine Ankündigungen gehört – und davon hat es viele gegeben. Vom Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko bis zu einer strafrechtlichen Verfolgung von Hillary Clinton; von der Vernichtung des sogenannten Islamischen Staats bis zur Rückholung von Arbeitsplätzen aus China – er kann aus einer Vielzahl von Optionen auswählen.”

Daalder geht davon aus, dass drei Themen im Mittelpunkt der Trump‘schen Politik stehen werden: Steuern, Handel und Einwanderung. 

Steuern: Ankurbelung der Wirtschaft und Erneuerung der Infrastruktur

„Steuersenkungen und Investitionen in Infrastruktur stehen weit oben auf der Liste möglicher politischer Veränderungen”, sagt Daalder. Trumps Vorhaben, Mexiko für die Mauer zwischen beiden Ländern bezahlen zu lassen, hält der Robeco-Experte für unrealistisch. „Wenn er tatsächlich mit dem Bau einer Mauer beginnt, wird dies größtenteils zu Lasten der US-Staatsfinanzen gehen. Rein wirtschaftlich betrachtet mag dieses Vorhaben sogar positiv sein, weil Infrastrukturinvestitionen die Konjunktur in Schwung bringen. Doch während beispielsweise der Bau einer Brücke Transportkosten senkt und sich längerfristig positiv auf die Wirtschaft auswirkt, ist dies bei einer Mauer nicht der Fall. Der sogenannte Multiplikator-Effekt solcher Maßnahmen wird begrenzt sein”, erwartet Daalder.

Handel: Handelsabkommen aufzukündigen ist leichter als sie abzuschließen

„Jeder US-Präsident hat weitreichende Handlungsvollmachten in Bezug auf Handelsabkommen. Der Abschluss solcher Abkommen ist ein langwieriger Prozess. Sie aufzukündigen ist dagegen viel einfacher und erfordert nicht die Zustimmung des US-Kongresses”, betont Daalder. „Es ist der Weg des geringsten Widerstandes, und Trumps Wähler dürften ihm applaudieren. Das scheint also ein offensichtliches Risiko zu sein.” Hier steht für Daalder offensichtlich China im Fokus: „Trump will Arbeitsplätze zurück in die USA holen. Angesichts des hohen Leistungsbilanzüberschusses Deutschlands liegt aber auch Europa nicht außerhalb der Gefahrenzone. Das mag unbedeutend klingen. Der Hauptgrund, warum die Große Depression in den 1930er Jahren so lange gedauert hat und so schmerzvoll war, waren aber die damaligen Handelskriege. Natürlich prognostizieren wir nicht einen solchen Gang der Dinge. Aber es sollte klar sein, dass in diesem Punkt erhebliche Risiken bestehen“, erläutert Daalder. 

Die Aktienmärkte sind wegen der Aussicht auf eine Ankurbelung der Wirtschaft kräftig gestiegen. Sie ignorieren laut Daalder aber die Kehrseite: „Wir stellen die Wirksamkeit von Trumps geplanten Maßnahmen zur Konjunkturförderung angesichts ihres geringen Multiplikator-Effekts und möglicher politischer Widerstände in Frage. Unserer Meinung nach ist es der Weg des geringsten Widerstandes, stattdessen einen Handelskrieg anzuzetteln.”

Einwanderung: Schrumpfen der Wirtschaft durch millionenfache Abschiebungen möglich

Ein weiteres Thema, zu dem sich Trump oft und deutlich geäußert hat, sind die Einwanderer ohne gültige Papiere. „Auch hier wissen wir nicht, wie viel davon reine Wahlkampfrhetorik war“, gibt Daalder zu bedenken. Schätzungen zufolge könnten fünf bis sechseinhalb Millionen Einwanderer von diesem Plan betroffen sein. „Werden diese – wie von Trump angekündigt – tatsächlich ausgewiesen, hätte das ziemlich negative wirtschaftliche Folgen für die US-Bundesstaaten an der Grenze zu Mexiko. Ein solcher Schritt würde die Binnennachfrage drastisch reduzieren und hätte für bestimmte Branchen, in denen die betroffenen Menschen zurzeit beschäftigt sind, drastische Folgen”, warnt Daalder.

Was auch passiert: 2017 wird ein Jahr der Unsicherheit

Auch wenn die schlimmsten denkbaren Entwicklungen nicht eintreten – Anlegern dürfte 2017 mindestens ein Jahr der Unsicherheit bevorstehen. „Klar ist auf jeden Fall, dass das Wahlergebnis die Unsicherheit in einem ohnehin schon recht wackligen System deutlich erhöht hat”, meint Daalder. „In unserem Ausblick für 2017 hatten wir für die Weltwirtschaft recht positive Erwartungen, die wir inzwischen nach unten revidiert haben. Angesichts der Risiken, denen China und Deutschland wegen ihrer Handelsbilanzen möglicherweise ausgesetzt sind, hat sich der Ausblick für die Weltwirtschaft sicher nicht aufgehellt.” 

Das hat auch auf die Finanzmärkte Einfluss: „Eine Zunahme der Unsicherheit – verbunden mit niedrigeren Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft insgesamt – bedeutet aus unserer Sicht, dass sich das Chance-Risiko-Verhältnis von risikobehafteten Finanzmarktaktiva verschlechtert hat. Aus taktischen Überlegungen haben wir unsere Positionen in Aktien und High-Yield-Anleihen in unserem Musterportfolio reduziert und sind zu einer Übergewichtung bargeldnaher Anlagen übergegangen”, erläutert Daalder seine aktuelle Positionierung. „Für sonstige Anleihen sind die Aussichten uneinheitlicher. Das höhere Staatsdefizit, die Inflationszunahme in Verbindung mit möglichen Importzöllen und die Gefahr, dass China im Falle eines eskalierenden Handelskriegs Verkaufsdruck ausüben wird, könnten Anleihen unter Druck setzen.“

Der komplette Marktkommentar als pdf-Dokument.

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