Robeco: Öl verliert allmählich seine Kraft, zu schockieren

Öl verliert allmählich seine Kraft, zu schockieren, weil die Finanzmärkte die damit verbundenen Risiken besser eingepreist haben und die positiven Wirkungen niedrigerer Ölpreise im Lauf der Zeit in den Vordergrund treten werden, meint Lukas Daalder von Robeco.

08.04.2016 | 16:12 Uhr

In aller Kürze:

  • Die Verbindung zwischen dem Ölpreis und den Aktienkursen dürfte aufgelöst werden
  • Das Thema „niedrigere Ölpreise” ist mittlerweile in ausreichendem Maße eingepreist
  • Ein erneuter Ölpreisrückgang auf den Tiefstand von 25 US-Dollar wird nicht erwartet

Der erstaunliche Ölpreiskollaps von über 100 US-Dollar pro Barrel im Sommer 2014 auf einen Tiefstand von 25 US-Dollar im Februar dieses Jahres hat auch die Aktienmärkte auf Talfahrt geschickt, hauptsächlich wegen der Überzeugung, dass ein niedriger Ölpreis für Unternehmen aus dem Energiebereich schlecht ist und langsameres Wirtschaftswachstum bedeutet. Parallel zur Erholung der Ölpreise sind seitdem auch die Aktienkurse wieder gestiegen.

Die Verbindung zwischen dem Ölpreis und den Aktienkursen dürfte aufgeweicht werden, weil sich die Märkte mittlerweile der damit verbundenen Risiken stärker bewusst sind, sagt Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions. Er glaubt zudem, dass eine größere Marktdynamik bedeutet, dass der Markt seinen Tiefstand schon hinter sich hat, auch wenn es sehr schwierig ist, genaue Prognosen aufzustellen.

Enge Korrelationen

„Öl war vom ersten Tag dieses Jahres an das beherrschende Thema an den Finanzmärkten und steht hinter den drastischen Kursverlusten von Aktien und Unternehmensanleihen, aber auch hinter der Erholung seit Mitte Februar”, sagt Daalder. „Es gibt eine klare Korrelation zwischen den im Tagesverlauf erreichten S&P 500-Indexwerten und den Preisen für die Ölsorte West Texas Intermediate. Dasselbe gilt für den Stoxx 50 und die Preise für die Ölsorte Brent.”

Als Faustregel gilt, dass ein Ölpreisrückgang oder -anstieg um 1 US-Dollar mit Aktienkursverlusten oder -gewinnen von ca. 1% einhergeht. Da sich die Ölpreise seit Jahresbeginn in einer Bandbreite von 15 US-Dollar bewegen, sind auch die Aktienkurse in einem Korridor von 15% gestiegen oder gefallen. Wenn man aber aus der Vergangenheit irgendwelche Schlüsse ziehen darf, dann wird die Verbindung ‚ein Dollar – ein Prozent’ in Zukunft sicher schwächer werden.”

Nach Daalders Aussage haben sich die Märkte inzwischen an niedrige und schwankende Ölpreise gewöhnt und verlieren allmählich das Interesse daran. „Wir sagen nicht, dass Öl nicht mehr wichtig wäre, stellen aber die Frage in den Raum, ob der Öl-Trade – unabhängig von der zukünftigen Entwicklung von Öl – auch in Zukunft einen so dominierenden Einfluss haben wird”, sagt Daalder.

Bekannte Verlaufsmuster

„Ist es nicht ein bekanntes Verlaufsmuster, dass für die Finanzmärkte wichtige Themen im Lauf der Zeit ihre Kraft verlieren, die Märkte zu beherrschen? Erinnern Sie sich, wie wir alle gebannt auf die Bewegungen an den Rentenmärkten der EU-Peripherieländer schauten? Schon lange vor Draghis Äußerung, die EZB werde tun, was auch immer nötig ist, hatten die Anleihe-Spreads in den Peripherieländern ihre Kraft verloren, die Märkte auf Talfahrt zu schicken.”

„Und erinnern Sie sich auch, mit welch großem Schrecken wir alle auf den Kurssturz bei Bankaktien blickten? Natürlich blieben die Märkte nervös, aber die Folgewirkungen für den weiter gefassten Markt ließen im Lauf der Zeit stetig nach. Wenn ein Thema für den Markt neu und unerwartet ist, sind natürlich auch die Auswirkungen erheblich: Die Risiken sind noch nicht eingepreist worden, und die Kenntnisse werden ungenügend berücksichtigt. Als der Ölpreis noch bei 70 US-Dollar lag, hielt es zum Beispiel kaum jemand für möglich, dass er auf 50 US-Dollar fallen könnte. Als er dann die Marke von 30 US-Dollar erreicht hatte, verschickten große Investmentbanken Research-Mitteilungen, die besagten, dass ein Ölpreis von 20 US-Dollar in Reichweite sei.”

„Der von vielen befürchtete Kurssturz findet nicht statt”

„Wenn das mal passiert hat, ist klar, dass das Risikoprofil am Markt viel gleichmäßiger ist, sodass es eine weitaus weniger einseitige Wette ist. Vielleicht nicht alle, aber zumindest die aktiveren Investoren haben sich abgesichert und Hedging-Geschäfte vorgenommen. Ein weiterer Ölpreisrückgang würde nicht mehr den gesamten Markt nach unten ziehen; einige Marktteilnehmer würden sogar davon profitieren.”

„Hinzu kommt, dass sich die Welt weiter dreht. Die Unternehmen melden Gewinne. Es werden Konjunkturdaten veröffentlicht, und die Notenbanken ändern ihren Kurs in der Geldpolitik. Die Weltwirtschaft bricht nicht zusammen, der von vielen befürchtete Kurssturz bleibt aus, und die Aufmerksamkeit verlagert sich langsam, aber sicher zu anderen Themen. Als Griechenland zum dritten Mal vor einem Austritt aus der Eurozone stand, war das nur noch ein regional bedeutsames Ereignis, aber nicht mehr das Hauptereignis, das das Geschehen an den weltweiten Finanzmärkten bestimmte.”

Stabilisierung der Ölpreise

Angesichts der Unberechenbarkeit des Markts ist es nahezu unmöglich, die Ölpreise vorherzusagen, sagt Daalder. Er glaubt aber, dass der allgemeine Trend nach oben geht. „Wenn wir in den letzten eineinhalb Jahren etwas dazugelernt haben, dann dass wir nicht versuchen sollten, genaue Prognosen zu diesem Thema aufzustellen. Denn es hat sich als unmöglich erwiesen, die Entwicklung am Ölmarkt zu prognostizieren”, räumt Daalder ein. „Es gibt zu viel Unsicherheit auf der Nachfrageseite in Bezug auf das Wirtschaftswachstum, China und die strukturelle Verschiebung zu alternativen Energien, aber auch auf der Angebotsseite hinsichtlich der wachsenden Bedeutung von Schieferöl oder der Anstrengungen Saudi-Arabiens zur Aufrechterhaltung seiner Marktanteile, um für einen bestimmten Zeitraum ein bestimmtes Ölpreisniveau vorhersagen zu können.”

„Generell ist allerdings klar, dass das sehr niedrige Ölpreisniveau vom Februar zu einem langsamen, aber stetigen Angebotsrückgang am Markt führt und die Investitionen zur Erschließung neuer Ölvorkommen deutlich zurückgehen. Irgendwann werden Angebot und Nachfrage dadurch wieder ins Gleichgewicht gebracht. Bis dahin kann aber einige Zeit vergehen, und nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur werden wir frühestens 2017 an diesem Punkt ankommen.”

„Ein erneuter Ölpreisrückgang auf 25 US-Dollar pro Barrel ist unwahrscheinlich"„Von der Nachfrageseite aus betrachtet erwarten wir, dass die derzeit niedrigen Ölpreise zu einer höheren (relativen) Nachfrage führen werden, wobei alternative Energiequellen wie Sonne und Wind zumindest bis auf Weiteres weniger attraktiv erscheinen. Alles in allem halten wir einen erneuten Ölpreisrückgang auf den im Februar erreichten Tiefstand von 25 US-Dollar pro Barrel für unwahrscheinlich. Solange aber weiter zu viel Öl an den Markt gelangt, ist aber auch der Spielraum für einen Anstieg der Ölpreise bis auf Weiteres begrenzt.”

„Das wahrscheinlichste Ergebnis ist, dass sich der Ölpreis in einer breiten Spanne bewegen und es im Lauf der Zeit einen Aufwärtstrend vom derzeitigen Niveau aus geben wird. Ein solches Szenario würde uns nur in unserer Überzeugung bestärken, dass Öl seine Rolle als marktbeherrschendes Thema in Zukunft nach und nach verlieren wird.”

Der vollständige Monatsausblick als PDF-Dokument.

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