Schroders: Ausblick 2016 - Schwellenländeraktien

Allan Conway beschreibt die Signale, an denen die Anleger erkennen, welche Faktoren den Schwellenländeraktien 2016 Aufwind verschaffen können.

28.12.2015 | 07:00 Uhr

Stabilisierung des US-Dollar

Zu den größten Schwierigkeiten für die Schwellenländer zählt die anstehende Normalisierung der Geldpolitik in den USA. Doch der Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung ist weiterhin unsicher – was zu erhöhter Volatilität im Markt führt. Kurz vor dem Jahreswechsel lässt sich feststellen: Der US-Dollar hat über die letzten zwölf Monate auf handelsgewichteter Basis um 12 % angezogen. Gleichzeitig haben alle anderen wichtigen Währungen im Vergleich an Wert verloren. Die Auswirkungen eines knapperen globalen Liquiditätsumfelds scheinen daher an den Märkten besser eingepreist als vor einem Jahr.

Durch die erste Zinserhöhung werden nicht alle Bedenken zerstreut werden können; denn die Entscheidungen der US-Notenbank (Fed) werden weiter von Fakten abhängen. Trotzdem dürften mögliche begleitende Kommentare für etwas mehr Klarheit sorgen. Wir glauben, dass dies auch den Weg hin zu einer moderaten Straffung ebnen wird. Allerdings dürften aufgrund des unterdurchschnittlichen Wachstums in den USA die Zinsen niedrigere Höchststände erreichen, als dies in einem „normaleren“ Zyklus der Fall wäre. In der Vergangenheit haben sich Zinserhöhungen in den USA unterschiedlich auf die Schwellenländer ausgewirkt. Und alle hingen letztendlich von den jeweiligen Umständen ab. Die letzten zwei Straffungszyklen etwa haben zu Nettokapitalzuflüssen in die Schwellenländer geführt.

Trotz allem könnte die weiterhin abweichende Geldpolitik zwischen den USA und den anderen Industrienationen den US-Dollar weiter stützen. Ein starker Dollar korreliert tendenziell mit einer im Vergleich schwachen Entwicklung der Schwellenländer. Bis die Anleger zuversichtlicher sind, dass der US-Dollar nicht mehr sehr viel stärker anziehen wird, könnte dieser Gegenwind also anhalten.

Eine geldpolitische Straffung durch die Fed wird nicht grundsätzlich verhindern, dass sich die Schwellenländer 2016 positiv entwickeln können. Dennoch scheint dafür eine gewisse Stabilisierung des US-Dollar nötig zu sein.

Keine großen negativen Überraschungen beim Wachstum

Das Wirtschaftswachstum in den Industriestaaten bleibt unter dem Trendniveau; es sollte jedoch 2016 vom anhaltenden Späteffekt der rund um die Hälfte gesunkenen Energiepreise profitieren. Zudem dürften weitere Impulse für Unterstützung sorgen – besonders die verlängerte lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Für die Schwellenländer wiederum sollte sich dies positiv auswirken. Dort haben sich die positiven Wachstumsüberraschungen nach einigen enttäuschenden aufeinanderfolgenden Jahren verbessert. Trotzdem haben die Gewinne bisher nur langsam angezogen.

2015 stellte China die Schwellenländer vor große Herausforderungen: einerseits wegen der Sorgen um das Wirtschaftswachstum, andererseits wegen der Geldpolitik. Jedes Anzeichen für eine Verbesserung dürfte sich daher 2016 positiv bemerkbar machen. Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung in China überschätzt wird. Das hauptsächlich auf der Industrie basierende Wachstum des „alten China“ ist eindeutigen Belastungen ausgesetzt. Auch verhalten sich die Behörden wegen sozialem und politischem Druck weiterhin zögerlich, einige Branchen zu restrukturieren. Insgesamt verläuft der Fortschritt bei den Reformen nur zögerlich.

Dies ist aber nur ein Teil der Geschichte. Denn verbraucher- und technologieorientierte Sektoren im „neuen China“ profitieren von starkem strukturellen Wachstum. Die Wirtschaft entwickelt sich klar weg von einem Wachstum, das überwiegend von Investitionen abhängt. Und tatsächlich scheinen die Verbraucherausgaben 2015 zum ersten Mal seit über zehn Jahren schneller zu wachsen als die Investitionen. Ob der Immobilienmarkt 2016 weiterhin anzieht, sollte man genau im Blick behalten: Denn Immobilien haben einen viel direkteren Einfluss auf Wohlstand und Konsum als Aktivitäten im Industriebereich.

Vor allem aber verfügen die chinesischen Behörden über alle notwendigen Werkzeuge, um die Wirtschaft gegebenenfalls zu unterstützen. Tatsächlich gab es zuletzt sowohl geld- als auch fiskalpolitische Maßnahmen; und es ist wahrscheinlich, dass weitere folgen werden. Während wir erwarten, dass sich das Wachstum langfristig weiter auf ein nachhaltigeres Niveau abschwächt, sollte eine expansive Geldpolitik dazu beitragen, dass sich das Wachstum 2016 stabilisiert.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Sorgen um eine harte Landung in China gänzlich verfliegen – doch wir erwarten im Laufe des Jahres 2016 eine gewisse Entspannung. Und diese sollte sich positiv auf die Schwellenländer auswirken.

Herausforderungen und Gelegenheiten für einzelne Länder

Abgesehen von China werden in verschiedenen wichtigen Schwellenländern Reformen durchgeführt, die zu einem gesteigerten BIP führen könnten. In Indien gibt es zum Beispiel ein starkes politisches Mandat für Veränderungen sowie die Möglichkeit, durch grundlegende Veränderungen langfristig eine deutlich höhere Wachstumsrate zu erzielen. Unter den bedeutenden Volkswirtschaften hat Indien China mittlerweile als Land mit der höchsten Wachstumsrate überholt. Übersteigerte Erwartungen führen jedoch leicht zu Enttäuschungen – und die Bewertungen sind derzeit hoch.

Die Aussichten für Brasilien bleiben schwierig. Die Behörden versuchen, notwendige Fiskalreformen umzusetzen; sie haben allerdings mit der restriktiveren Geldpolitik und schwachen Rohstoffmärkten zu kämpfen. Die orthodoxe Politik bleibt bestehen und die Bilanzen passen sich an? Dann dürfte sich das Wachstum in Brasilien erholen, doch das politische Risiko bleibt kurzfristig erhöht.

Weltweit bestehen einige geopolitische Risiken. Dazu gehören auch Syrien und die Flüchtlingskrise in Europa. Sollte die Situation eskalieren, wären die Folgen wahrscheinlich eher globaler Natur – und nicht auf die Schwellenländer beschränkt.

Daher bleibt die Länderallokation entscheidend und dürfte noch wichtiger werden: Die Schritte hin zu einer normalisierten Geldpolitik in den Industriestaaten nämlich sollte zu weniger Korrelation mit den Schwellenländern führen.

Aktienmärkte

Die negative Stimmung gegenüber den Schwellenländern hat nicht nachgelassen, weshalb auch spezialisierte Manager für Aktien der Schwellenländer Mittelabflüsse in Rekordhöhe hinzunehmen hatten. Drei Jahre in Folge blieben die Schwellenländer hinter den Industrienationen zurück. Daher sind die Bewertungen anhand verschiedener Kennzahlen besonders auf relativer Basis attraktiv. Der MSCI Emerging Markets Index notiert derzeit etwa mit dem 11,0-Fachen der künftigen Gewinne (KGV)¹, was in etwa einem Abschlag von 30 % gegenüber dem MSCI World Index entspricht.

Insgesamt stehen die Schwellenländer Anfang 2016 einigen der gleichen Herausforderungen wie Anfang 2015 gegenüber. Der Anpassungsprozess ist jedoch weiter fortgeschritten: Sollte der Gegenwind nachlassen, würde dies die Basis für eine Erholung bieten. Unter zwei Voraussetzungen könnten sich unserer Meinung nach die Anleger wieder auf die starken fundamentalen Argumente für Anlagen in Schwellenländern konzentrieren: zum einen, wenn der Zinsschritt der Fed moderat ausfällt; zum anderen, wenn sich beim US-Dollar eine Stabilisierung abzeichnet.

Keine harte Landung in China, dafür Reformen in den Schwellenländern und anhaltende Wachstumserholung in den Industrieländern: Vor diesem Hintergrund dürften die Gewinne in den Schwellenländern anziehen. Und mit den attraktiven Bewertungen ist hier für 2016 auch eine weitaus bessere Entwicklung zu erwarten.

Autor: Allan Conway, Head of Emerging Market Equities

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