Schroders: Automobilsektor im Rückwärtsgang?

Aktien im Automobilsektor sind ins Schleudern geraten, da die Anleger befürchten, dass die Gewinne ihren Höhepunkt erreicht haben. Wir erörtern den Ausblick für den Sektor einschließlich der Bereiche, in denen wir Potenzial für anhaltendes Gewinnwachstum sehen. Zudem befassen wir uns mit der Frage, ob Autoaktien jetzt wirklich „billig genug“ sind.

26.07.2016 | 09:38 Uhr

Katherine Davidson, Global Sector Specialist - Autos

Der Automobilsektor hat im letzten Jahr deutlich an Wert verloren, da die Anleger meinen, die Gewinne hätten einen zyklischen und womöglich auch strukturellen Höchststand erreicht. Wir stimmen der Ansicht zu, dass die Konsenserwartungen für die Automobilhersteller insgesamt zu optimistisch sind. Die Gewinne einiger Unternehmen werden jedoch aufgrund ihrer geografischen Ausrichtung und durch Veränderungen der Marktanteile weiter steigen.

In diesem Beitrag analysieren wir den Ausblick für das Gewinnwachstum des Sektors. Bei OEMs1 konzentrieren wir uns auf die Aussichten für das Umsatzwachstum aufgeschlüsselt nach Region, Kostenstruktur und Impulsgebern für mögliche Marktanteilsveränderungen. Bei den Zulieferern gehen wir auf die Debatte ein, inwieweit sich der Mehrwert von den OEMs auf die Zulieferer verlagert hat, und betrachten das Potenzial für nachhaltig höheres Wachstum.

Insgesamt erwarten wir, dass die Volumen in den nächsten Jahren steigen, sofern es nicht zu einem breiteren Konjunkturabschwung kommt. Der Wert der Autoverkäufe weltweit dürfte jedoch wegen des Drucks, der auf Preisen und Mix lastet, bestenfalls unverändert bleiben oder sinken. In Verbindung mit der strukturellen Kosteninflation dürfte die Rentabilität des Sektors dadurch geschmälert werden. Obwohl die gängigen Kennzahlen günstig ausfallen, halten wir die meisten Autoaktien auf Basis der Gewinne zur Zyklusmitte nicht für attraktiv bewertet und sehen weitere Abwärtsrisiken für den Sektor. In Einzelfällen erkennen wir jedoch allmählich Potenzial, insbesondere bei Unternehmen, die sich in der Vergangenheit auch in einem Abschwung gut entwickelt haben.

Europäische Autobauer nehmen die Pole-Position ein

  • Am optimistischsten sind wir bezüglich des Ausblicks für Europa. Hier sind die Volumen im Vergleich zu den Vorkrisenniveaus geringer, und die steigende Kapazitätsauslastung dürfte eine bessere Preisgestaltung ermöglichen. Deshalb bevorzugen wir europäische Fahrzeugbauer gegenüber US-amerikanischen und japanischen Unternehmen. Im Gegensatz zur landläufigen Wahrnehmung sind wir der Ansicht, dass das Gewinnwachstum der europäischen Produzenten stärker von ihrem Heimatmarkt als von China abhängig ist.
  • Die Rentabilität in China ist im Vergleich zu globalen Durchschnittswerten nach wie vor hoch: Die meisten Joint Ventures erwirtschaften zweistellige operative Margen. Wir erwarten jedoch, dass die Margen unter Druck bleiben. Denn die Überkapazitäten drücken auf die Preise, die Arbeits- und Content-Kosten klettern allmählich auf das Niveau der Industrieländer, und der Mix verschlechtert sich, wobei mehr Fahrzeuge in wirtschaftlich schwächeren Städten und ländlichen Gebieten abgesetzt werden.
  • Es gibt andere Schwellenländer, die enormes Wachstumspotenzial gegenüber ihrer derzeitigen Größe aufweisen (insbesondere Indien und Indonesien). In den nächsten Jahren werden die Volumen jedoch nicht hoch genug sein, um wesentliche Verbesserungen bei den globalen OEMs herbeizuführen. Zudem sind die durchschnittlichen Transaktionspreise deutlich geringer.

Präferenz für Zulieferer gegenüber Herstellern

  • Wir bevorzugen nach wie vor Zulieferer vor Automobilherstellern.
  • Wir stimmen mit dem Konsens überein, dass die Zulieferer ihre Gewinne in einem Umfeld mit geringem Volumenwachstum durch Konsolidierung, Auslagerung und Kontrolle des geistigen Eigentums weiter steigern können. Bei Zuliefereraktien bevorzugen wir Unternehmen, die Leistungen für Produkte erbringen, deren Preismacht und Wachstum robuster sein dürfte, etwa Mildhybridsysteme oder Fahrerassistenzsysteme (ADAS). Wir halten nach Branchenführern mit nachweislicher Erfolgsbilanz beim Content-pro-Fahrzeug-Wachstum (Produktanteil pro Fahrzeug) und soliden Auftragsbüchern Ausschau.
  • Das größte kurzfristige Risiko für unsere optimistischere Einschätzung mit Blick auf die Zulieferer besteht darin, dass die Nachfrage nach höherem Content pro Fahrzeug aufgrund restriktiverer Finanzierungsbedingungen früher als erwartet sinken könnte. Für Lieferanten von Extras wie Infotainment oder Innenausstattung stellt dies ein größeres Risiko dar als für Lieferanten von vorgeschriebenem Content (Emissionen, Sicherheit). 
  • Die Bewertungen der Zulieferer sind jedoch anspruchsvoller als die der OEMs, und die Aktien erscheinen angemessen bewertet, wenn man bedenkt, dass sich der Sektor in der Zyklusmitte befindet.

Reifenhersteller sind unangemessen bewertet

  • Aktien von Reifenproduzenten sind attraktiver. Unseres Erachtens sollten sie in diesem Zyklusstadium nicht mit einem Abschlag gegenüber dem übrigen Sektor notieren.
  • Angesichts der Ersatzmuster ist der drei bis vier Jahre zurückliegende Fahrzeugabsatz der Impulsgeber für das Volumenwachstum im Reifengeschäft. Das bedeutet, das robuste Branchenwachstum der letzten Jahre verleiht den Reifenherstellern Auftrieb, selbst wenn die aktuellen Fahrzeugbestellungen zurückgehen. Die Volumen werden sich bei einem Abschwung besser behaupten können, da ein Reifenersatz nur bis zu einer gewissen Grenze hinausgezögert werden kann.
  • Die Reifenhersteller des Premiumsegments können zudem eine bemerkenswerte Erfolgsbilanz in puncto Preisdisziplin vorweisen, d. h. sie müssen sich über Rohstofftrends kaum Sorgen machen.

Diesen Beitrag teilen: