Schroders: Turbulenter Start - Wie geht 2016 weiter?

Keith Wade und Johanna Kyrklund nennen die aktuell drängendsten Problemen an den Märkten. Hierzu gehören etwa China, der Ölpreis, Zinserhöhungen oder Währungskriege.

05.02.2016 | 10:44 Uhr

Die größte Sorge 2016?

Was die Börsen anbelangt, ist Johanna Kyrklund überzeugt, dass die Anleger die Risiken rund um China und die Schwellenländer mittlerweile weitestgehend kennen. Dies spiegelt sich zunächst einmal in der unterdurchschnittlichen Wertentwicklung von Schwellenländern im Laufe der letzten Jahren wider. Zudem ist der Verfall der Rohstoffpreise als Grund zu nennen. Allerdings liegt das größere Problem anderswo und bezieht sich ihrer Ansicht nach auf das Wachstum. „Noch nicht so gut eingepreist ist wahrscheinlich die Gefahr, dass der US-Konjunkturmotor ins Stottern geraten könnte“, so Johanna Kyrklund: „Das größte Aktienrisiko für mich? Wenn wir zu bezweifeln beginnen, ob und dass sich die USA unter diesen weltweiten Rahmenbedingungen erholen können.“ Auch Keith Wade hält die Wachstumsprognosen für ungewiss. Sorge bereiten im auch die politischen Ziele und Absichten, speziell in China. Die überraschenden Bewegungen der chinesischen Währung in diesem Jahr waren für ihn „ein großes Signal an die Welt, dass China mit der eigenen Wirtschaftsleistung unzufrieden ist“.

Die Entscheidung der chinesischen Regierung, die Währung als politisches Mittel zu nutzen, war bisher beispiellos und sorgte für enorme Unsicherheit an den Märkten. Das führte zu einer Debatte darüber, ob eine neue Welle von Währungskriegen und Abwertungen anrollen wird oder ob China vor einer harten Landung steht. „Ich selber glaube nicht an eine Rezession in den USA“, sagt Keith Wade und führt weiter aus: „Ich halte die USA immer noch für ziemlich widerstandsfähig. Was wir gerade erleben, ist eine zum Lagerzyklus gehörende Konjunkturschwäche – was alles andere als eine Rezession ist. Auch glaube ich nicht an eine harte Landung in China. Was den Märkten aber Sorge bereitet, sind die Maßnahmen, mit denen das Land versucht, diese harte Landung zu vermeiden.“

Einfluss der Rohstoffschwäche

Ein weiterer Punkt, der beiden Sorge bereitet, ist der Dominoeffekt aus dem Einbruch der Rohstoffpreise. „Wir müssen den potenziellen Stress, der sich durch den Preisverfall für die Rohstoffproduzenten ergibt, wachsam im Auge behalten“, so Johanna Kyrklund. „Bisher war der Rückgang ein chronisches Problem. Aber es könnte zu einem Punkt mit ganz akuten Schwierigkeiten kommen; etwa wenn ein Rohstoffunternehmen ausfällt oder ein ganzes rohstoffproduzierendes Land unter Druck gerät. Solche Risiken haben wir untersucht.“

Chancen an den Aktienmärkten

Johanna Kyrklund sieht den Markt der letzten Jahren zweigeteilt. Auf der einen Seite gab es Nutznießer der quantitativen Lockerung; etwa Titel, denen die Währungsabwertungen in Europa und Japan genützt haben. Oder auch Wachstumstitel in den USA. Auf der anderen Seite hinkten die zyklischeren Titel hinterher.
„Wir bevorzugen immer noch den ersten Bereich und gehen von einer weiteren Unterstützung durch die Zentralbanken aus. Aber wir können nicht mehr so große Risiken eingehen“, sagte sie. „Was wir brauchen, um unsere Portfolios aufzufrischen? Eine Stabilisierung des globalen Wachstums. Alles, was zyklisch ist, wie Schwellenländer oder Rohstofftitel, hilft dem anderen, dem ermatteten Aktienzweig. Dort gibt es nun sehr viel Sustanz und potenziell aufgestaute Renditen. Doch um diese Rendite auszuschöpfen, brauchen wir wirklich ein gewisses Maß an Wachstumsstabilisierung. Im Moment müssen wir einfach geduldig sein, aber im weiteren Verlauf dieses Jahres werden sich Möglichkeiten ergeben.“ 

Comeback der Hochzinswerte

Auch Hochzinsanleihen werden aus Sicht der Multi-Asset-Expertin zunehmend attraktiver.„Wir finden bereits erste Chancen auf Rendite; nicht nur bei Aktien, auch bei Hochzinsanleihen. Bei den Spreads gab es eine Preisanpassung und dieser Bereich wird langsam wieder interessant. Unserer Überzeugung nach bleiben die Zinsen niedrig, sodass die Suche nach Rendite wieder beginnt.“

Der Effekt des starken Dollars

„Einer der Gründe, warum darüber debattiert wird, ob die Fed die Zinsen erhöhen kann oder nicht, ist die niedrige Inflation. Und das ist mit der Stärke des Dollars verbunden“, so Keith Wade. Dabei erläuterte er, dass sich der starke Dollar deshalb negativ auf die Inflation auswirkt, weil er die Importpreise senkt und die Warenpreise niedrig hält. „Das verschafft der Fed eine Atempause. Sie muss die Zinsen im März nicht anheben, wenn sie nicht will – etwa wenn die Politik nicht unter dem Druck steht, ihr Inflationsziel zu verpassen. Allerdings übt der stärkere Dollar einen gewissen Druck auf US-Unternehmen aus und engt die Wirtschaft ein wenig ein. Doch da die USA eine relativ geschlossene Wirtschaft haben, bekommen wir den Effekt des Dollars hauptsächlich bei der Inflation zu spüren." Eine weitere Anhebung im März schließt er nicht aus: „Wenn die US-Notenbank Anzeichen für einen Konjunkturauftrieb sieht, wird sie meiner Ansicht nach im März wieder aktiv werden. Doch aktuell sieht das eher nach Hoffnung aus als nach Realität.“

Johanna Kyrklund sieht einen schwächeren Dollar als Segen für die Märkte. Sie rechnet auch nicht mit einer weiteren wesentlichen Erstarkung und hat ihr Engagement bei Währungen gestreut. „Unser Kernszenario ist, dass der Dollar stark bleibt. Doch wenn die ersten Bedenken über das Wachstum in den USA auftauchen und die Zinanhebungen der Fed vielleicht zu weit gehen, könnte das den Dollar schwächen“, sagte sie. „Das wäre tatsächlich für die Märkte relativ hilfreich, denke ich. Es würde den Druck von China und den Schwellenländern nehmen und die Märkte könnten etwas Luft holen. Ich sehe den Dollar in einer Spanne und glaube nicht an eine signifikante Erstarkung. Wir haben aus Gründen der Risikominderung in andere Währungen gestreut, z. B. in den Yen. Und zum ersten Mal seit vielen Jahren kaufen wir Euro, bei dem wir über lange Zeit eine Short-Position bezogen hatten.“

Welchen Kurs verfolgt die japanische Zentralbank?

Auch beim Thema Japan dreht sich für Keith Wade alles um China. „Japan und China sind große Handelspartner und der Yen ist eine der stärksten Währungen gegenüber dem Yuan. Die japanische Zentralbank wartet darauf, dass die Löhne und Gehälter endlich steigen, damit die Verbesserungen auf Inflationsebene haltbar sind.“ Aber Japan steckt in einer ähnlichen Lage wie die USA. Das heißt, die Stärkung der Währung dämmt die Inflation ein. Das könnte die Bank of Japan nach Ansicht des Schroders-Chefvolkswirts dazu zwingen, tätig zu werden: „Unserer Einschätzung nach könnte die Bank im Frühjahr weitere Lockerungsmaßnahmen in Erwägung ziehen, was den Yen wieder nach unten drücken würde. Damit wären wir erneut beim Szenario eines Währungskrieges angelangt – was meiner Ansicht nach für riskante Anlageklassen relativ schwierig werden dürfte.“

Wie tief kann der Ölpreis sinken?

Saudi-Arabien zieht derzeit die Fäden am Energiemarkt, was für Keith Wade trübe Aussichten beim Öl bedeutet. „Man kann sich die Fundamentaldaten noch so oft anschauen – doch Saudi-Arabien hat ein besonders Ziel: Die Schiefergasindustrie in den USA zurückzudrängen und nötigenfalls ganz aus dem Geschäft zu bringen. Das hält den Ölpreis so lange unten, wie es dauert, um genau das zu erreichen“, so Keith Wade. „Doch wir haben im letzten Jahr gelernt, dass die Schiefergasindustrie sehr viel widerstandsfähiger ist und einen sehr viel niedrigeren Ölpreis verkraften kann, als alle dachten. Daher musste Saudi-Arabien noch viel härter vorgehen.“ Für ihn könnte diese Auseinandersetzung noch eine ganze Weile weitergehen: „Saudi-Arabien verkauft Reserven, gibt Anleihen aus und plant den Verkauf einiger Vermögenswerte. Daher wissen wir, dass sich das Land gerade die Kriegskasse für einen langen Kampf füllt. Ich denke, dass der Ölpreis noch sehr viel länger niedrig bleiben wird. Im Gleichgewicht liegt der Ölpreis wahrscheinlich bei rund 50 US-Dollar pro Barrel. Doch bis dieser Punkt wieder erreicht wird, könnte es noch sehr lange dauern.

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