Schroders: Zeit für inflationsgebundenen Anleihen?

Nachdem inflationsgebundene Anleihen jahrelang bei Research- und Investitionsaktivitäten wenig Beachtung geschenkt wurde, sollten Anleger jetzt, vor allem da der Inflationsdruck steigt, ihr Engagement in dieser Anlageklasse erneut überdenken.

02.11.2016 | 10:03 Uhr

Die extrem lockere Geldpolitik hat zwar zu einer Inflation der Vermögenspreise geführt, den Konsum von Gütern und Dienstleistungen aber wenig beeinflusst. In Kombination mit den niedrigen Rohstoffpreisen, insbesondere den Tiefständen bei Öl, ist die Gesamtinflation auf ein künstlich niedriges Niveau gesunken. Dadurch haben die Inflationserwartungen am Markt nachgelassen, und die Marktteilnehmer haben von weiteren geldpolitischen Anreizmaßnahmen profitiert, indem sie Positionen in Nominalanleihen eingingen, deren Wert gestiegen ist, während die Zinsen bei null Prozent oder im negativen Bereich verharrten.

Da die Geldpolitik jedoch inzwischen ausgereizt und weitgehend ineffektiv ist, wenden sich die politischen Entscheidungsträger nun vermehrt einer expansiven Fiskalpolitik zu, um die Konjunktur anzuregen. Eine umfassende fiskalpolitische Expansion würde sehr wahrscheinlich mit höheren Regierungsausgaben oder Steuervergünstigungen einhergehen, die sich auf die Endnachfrage auswirken. So kann die Wirtschaft zum Beispiel direkt durch die Entwicklung von Infrastruktur angekurbelt werden. Solche Maßnahmen lassen voraussichtlich die Inflation ansteigen und könnten inflationsgebundenen Anleihen Auftrieb geben. Doch müssen Anleger mit entsprechenden Investitionen warten, bis fiskalpolitische Maßnahmen offiziell angekündigt werden?

Inflationserwartungen

Die Erträge inflationsgebundener Anleihen werden an die offiziellen Gesamtinflationsraten angepasst. Die Nachfrage nach diesen Wertpapieren wird allerdings von den Erwartungen bezüglich der künftigen Inflation bestimmt. Derzeit gehen die Finanzmärkte davon aus, dass die niedrigen offiziellen Inflationsraten mittelfristig anhalten werden. Wir sehen darin eine Anlagegelegenheit. Wenn die Inflationserwartungen steigen, was wir für durchaus möglich halten, könnten aktive Anleger davon profitieren.

Der Einfluss der Energiepreise

Einer der wichtigsten Faktoren für die niedrige Gesamtinflation der vergangenen Jahre ist der starke Rückgang der Energiepreise, der vor allem bei Öl zu beobachten war: Zwischen Mitte 2014 und Anfang 2016 sank der Ölpreis um über 60 %. Da die Gesamtinflationsrate auf Basis eines rollierenden Zwölfmonatszeitraums berechnet wird, lässt der Einfluss des rückläufigen Ölpreises mit der Zeit nach – solange der Ölpreis nicht noch weiter sinkt. Tatsächlich hat sich der Ölpreis seit seinem Tiefpunkt von Anfang 2016 um mehr als 50 % erholt, sodass der Einfluss des Ölpreisrückgangs ab dem ersten Quartal 2017 nicht mehr bei der Inflationsberechnung berücksichtigt wird. Die Kerninflation, bei der die Energiepreise nicht enthalten sind, ist derzeit höher als die Gesamtinflation und wenn die Basiseffekte aus der Berechnung herausfallen, dürfte sich die Gesamtinflation der Kerninflation annähern. Der mechanische Effekt der Veränderung der Energiepreise und die rollierende Berechnung der offiziellen Inflationsraten sind zwar wichtige Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt, doch sie allein sind kein ausreichendes Argument für einen wesentlichen und langfristigen Inflationsanstieg.

Voraussetzung: Nachfrageanstieg

Es gibt mehr und mehr Anzeichen dafür, dass der Inflationsdruck weltweit zunimmt: Die Rohstoffpreise, die Faktorpreise und die Anspannung am Arbeitsmarkt schüren wachsende Besorgnis über einen künftigen Inflationsanstieg. Damit sich die Inflation aber nachhaltig erhöht, müsste ein Nachfrageanstieg der Art einsetzen, wie er durch erhöhte Regierungsausgaben entstehen kann.

An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass der jüngste Brexit-Schock, der ohnehin die Inflationserwartungen für Großbritannien nach oben geschraubt hat, da man infolge der Währungsschwäche von einer höheren „importierten Inflation“ ausgeht, die britische Regierung dazu veranlasst hat, ihren Sparkurs zu überdenken. Sie erwägt jetzt offiziell direkte staatliche Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur.

Annäherung der Inflationsfaktoren

In Europa hat EZB-Präsident Mario Draghi die Regierungen wiederholt aufgerufen, Reformen zur Ankurbelung der Konjunktur umzusetzen, und die Bank of Japan hat bekannt gegeben, dass sie anstrebt, ihr Inflationsziel zu übertreffen. In den USA, wo die Präsidentschaftswahlen bevorstehen, ist die Wirtschaftspolitik des republikanischen sowie des demokratischen Lagers auf Expansion ausgerichtet. Somit sieht es ganz danach aus, dass sich die technischen und die politischen Einflussfaktoren für die Inflationserwartungen einander annähern. Investoren, die die Anlageklasse der inflationsgebundenen Papiere weiterhin außer Acht lassen, entgeht damit möglicherweise eine der wichtigsten Anlagechancen.
________________________________________

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen von Michael Lake, Investment Director, Fixed Income, und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.

Dieser Artikel erschien am 01.11.2016 auf Schroders.com.

Diesen Beitrag teilen: