UBS: The End Game?

Steigende Schulden, Alterung der Bevölkerung und schwaches Wachstum – die langfristigen Probleme der Welt sind bekannt. Doch 2017 werden die Märkte nicht nur dadurch bestimmt. Wie schon 2016 dürften sich geldpolitische Massnahmen als entscheidend entpuppen.

22.11.2016 | 12:39 Uhr

Viele Anlegerinnen und Anleger halten einen Neustart für die Finanzmärkte für überfällig. Die Begründung mutet einfach an: Die Märkte haben beständig zugelegt; doch auch die Ungleichheit, die Schulden, die Altersquotienten und die sozialen Spannungen haben zugenommen. Das Wachstum, die Investitionen und die Produktivität sind hingegen schwach. Es scheint, als müsse dringend etwas geschehen.

Wir sollten nicht vergessen, dass nicht allein Notenbanker und Politiker auf die weltweiten wirtschaftlichen Herausforderungen einwirken, sondern auch die wahlberechtigte Bevölkerung. Und die neigt immer häufiger zu radikalen Lösungen. Hierzu ein einfaches Gedankenexperiment: Wird eine Zentralbank, die den lokalen Anleihenmarkt bereits verzerrt hat, angesichts des mangelnden Wachstums die bisherigen Massnahmen beenden – oder wird sie gar beginnen, Aktien zu kaufen? Werden Wähler angesichts der harten Konkurrenz aus Übersee den Status quo bestätigen oder eher zu Protektionismus neigen? Die Antwort darauf und auf viele weitere solcher Fragen wird sich wesentlich auf Ihr Portfolio auswirken.

Das kommende Jahr Im Jahr 2017 werden sich Entscheidungsträger und Wähler mit einer ganzen Reihe von Wechselbeziehungen dieser Art konfrontiert sehen. Die Zentralbanken der Industrieländer haben realisiert, dass die Inflation allmählich steigt, zugleich aber die Beschäftigung unter den Hochständen aus der Zeit vor der Finanzkrise liegt. Chinas Führung weiss, dass sie das Wachstum und die Beschäftigung fördern muss, doch der rasche Anstieg der Verschuldung und der Hauspreise deutet auf eine zugrunde liegende Instabilität hin. In anderen Ländern könnten Politiker, die sich 2017 einer Wahl stellen müssen, zwar Handel und Zuwanderung für das Wachstum positiv einschätzen. Der Brexit und die Wahl Donald Trumps machen aber deutlich, wie stark der Hang zum Protektionismus unter den Wählern inzwischen ist.

Die Entwicklung der Märkte wird wesentlich davon abhängen, auf welche Fragen sich die Entscheidungsträger fokussieren und wie sie diese anpacken werden. Für unseren Anlageprozess ist es daher wesentlich, zu verstehen, mit welchen Entscheidungen am wahrscheinlichsten zu rechnen ist. Wir müssen uns die richtigen Fragen stellen: «Was verrät uns das Verhalten der Entscheidungsträger in der Vergangenheit?», «Was wollen sie erreichen?», «Welche Anreize haben sie zu handeln?»

In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass die Zentralbanken in den USA und Europa auch künftig im Zweifel eher eine zu lockere Geldpolitik verfolgen werden, selbst wenn dies eine höhere Inflation auslöst. Das Verhalten der Zentralbanken seit der Finanzkrise deutet darauf hin, dass Wachstum, Beschäftigung und kurzfristige Unterstützung für die Wirtschaft deutlich Vorrang haben gegenüber Bedenken bezüglich der langfristigen Folgen solcher Massnahmen. Die Vorsitzende der USNotenbank, Janet Yellen, hat dies vor Kurzem erneut bestätigt: Sie sprach davon, die «Konjunktur auf Hochtouren laufen zu lassen» (also mit einer Inflation oberhalb der Zielvorgabe), um das Beschäftigungswachstum anzukurbeln. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi hat seinerseits Warnungen vor negativen Nebenwirkungen seiner Politik zurückgewiesen. Wir werden darauf achten, ob sich 2017 oder in den kommenden Jahren etwas an diesem Vorgehen ändert. Wir glauben aber, dass Aktien Anfang 2017 weiter Unterstützung erhalten, insbesondere in den USA und den Schwellenländern, und dass Anlagen mit einer ansprechenden Rendite weiter gefragt sein werden.

Die Anleger werden sich auch damit befassen müssen, wie sie ihre Portfolios gegen eine steigende Inflation absichern. Die chinesische Regierung muss unbedingt dafür sorgen, dass die Beschäftigung und damit die soziale Stabilität hoch bleibt. Sie hat bewiesen, dass sie fähig und bereit ist, zugunsten der kurzfristigen Stabilität einzugreifen – auf Kosten langfristiger Reformen.

Wir sehen keinen Grund, warum dies 2017 anders sein sollte. Die mittelfristigen Risiken und die Verschuldungsquote werden weiter steigen. Trotzdem erwarten wir, dass die Nachfrage in China relativ stabil bleiben wird und Anlagen, die von diesem Wachstum profitieren, Unterstützung erhalten werden. Zwei unserer Top 10 Ideen haben mit Engagements in den Schwellenländern zu tun.

In welche Richtung sich die Politik entwickelten wird, bleibt auch 2017 der grösste Unsicherheitsfaktor. Der Brexit und die Wahl Donald Trumps haben gezeigt, wie instabil die politische «Mitte» ist. Die Anleger müssen bedenken, dass die wichtigsten Anreize für Politiker Wahlerfolge und eine hohe Beliebtheit sind – nicht das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) oder der Unternehmensgewinne. Vor diesem Hintergrund werden die Anleger den Einfluss von Trumps Wahl auf die Märkte, den immer komplexeren Brexit-Prozess in Grossbritannien, die Wahlen in Frankreich und Deutschland und den weltweit zunehmenden Trend zum Protektionismus sehr genau beobachten müssen. Um mit dieser politischen Unsicherheit umzugehen, sollten die Anleger ihre Portfolios über Länder und Regionen hinweg diversifizieren, damit sie sich geldpolitischen Experimenten einzelner Länder nicht zu stark aussetzen.

Langfristige Perspektive

Langfristig sicher ist nur, dass die Regionen unterschiedliche Wege einschlagen und unterschiedliche Ergebnisse erzielen werden. Diversifikation ist für Anleger daher die beste Möglichkeit, ihr Vermögen in einer Welt der immer komplexeren und schwierigeren Entscheidungen zu schützen und zu mehren.

Die Anleger werden in Erwägung ziehen müssen, in Trends und Anlageklassen zu investieren, die von der Politik weniger stark beeinflusst werden. Die Urbanisierung, das Bevölkerungswachstum und die Bevölkerungsalterung tragen beispielsweise dazu bei, dass Bildung, Gesundheitsdienste und Energieeffizienz stärker nachgefragt werden. Alternative Investments können auch eine Möglichkeit für Anleger sein, die Abhängigkeit von politischen Entwicklungen zu verringern und im gesamten Zyklus Kapitalwachstum zu erzielen.

«The End Game»

Um zu zeigen, wie Veränderungen der Geld-, Fiskal- und Sozialpolitik zusammenwirken und Volkswirtschaften, Märkte und Portfolios beeinflussen, haben wir «The End Game?» (Das Endspiel) entwickelt. Seit der Finanzkrise haben wir im Rahmen unseres Anlageprozesses ständig Simulationen durchgeführt. «The End Game» bietet Ihnen die Chance, in die Rolle eines globalen Entscheidungsträgers zu schlüpfen und eine vereinfachte Version unserer Szenarioanalyse durchzuspielen.

Dadurch wird meines Erachtens besser nachvollziehbar, wie sich politische Entscheidungen, Interaktionen und Iterationen auf Portfolios auswirken. Ich hoffe, dies bildet für Sie den Anstoss, Ihre Anlagen und Diversifikation eingehend zu erörtern.

Machen Sie sich selbst ein Bild auf ubs.com/cio (Das Spiel ist nur auf Englisch verfügbar.)

In Kürze

Bei der Lösung der wirtschaftlichen Probleme in der Welt geht es um Wechselbeziehungen. Die von Politikern und Wählern getroffenen Entscheidungen haben massgebliche Auswirkungen auf Ihr Portfolio. Gewiss ist nur, dass die Regionen jeweils unterschiedliche Entscheidungen treffen werden. Diversifikation ist die beste Möglichkeit, um Ihr Vermögen in einer immer komplexeren Welt zu schützen und zu mehren.

Der komplette Marktausblick 2017 als pdf-Dokument.

Diesen Beitrag teilen: