Die Bankenaufsichtsbehörde EBA hat untersucht, wie sich die Basel III-Reformen auswirken werden. Der Studie zufolge fehlt es den europäischen Banken massiv an Kapital.
13.08.2019 | 07:30 Uhr
Vor einer Woche hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) die vorläufigen Ergebnisse ihrer Auswirkungsstudie zur finalen Fassung der Reform von Basel III veröffentlicht. Nach und nach entfaltet das Papier seine Wirkung. Die Schlüsse, die die europäischen Banken daraus ziehen, sind nicht gerade ermutigend.
Basel III ist seit Jahren ein Politikum. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat vor neun Jahren vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise die Verschärfung der Eigenkapitalvorgaben für Banken beschlossen. Die Diskussionen um die Maßnahmen begannen jedoch sofort. Schnell war klar: Das Regelwerk sollte nochmal überarbeitet werden. Nach heftig geführter Kontroverse und zum Teil umstrittenen Kompromissen veröffentlichte der Baseler Ausschuss das finale Basel-III-Regelwerk im Dezember 2017.
Ein Streitpunkt blieb trotz offizieller Einigung die Änderung der Vorgaben für die Berechnung der regulatorischen Risikoaktiva (RWA). Die Banken werden darin verpflichtet, Risiken mit Methoden zu bewerten, die sich sehr nah an vorgegebenen Standard-Modellen orientieren. Die Anwendung bankinterner Modelle wird in der Neufassung von Basel III stark eingeschränkt. Ziel dieser Maßnahme ist es, eine bessere Vergleichbarkeit der Institute zu ermöglichen. Gleichzeitig ist diese Regelung eine wichtige Stellschraube für den internationalen Wettbewerb. Letztlich geht es darum, wie viel Eigenkapital eine Bank aufweisen muss, um ihr Geschäft betreiben zu können. Dazu gehört eben die Frage, wie weit Institute in ihren internen Modellen ihre Bilanzrisiken herunterrechnen dürfen. Vereinfacht lautet die Formel: Je niedriger der Risikoanteil, desto weniger Eigenkapital ist erforderlich. Und desto mehr finanziellen Spielraum hat die jeweilige Bank.
Den Streit um den nach diesen Modellen errechneten Kapitalbedarf, den sogenannten „Output Floor“, gewannen letztlich die USA. Die Berechnung der vereinbarten 72,5 Prozent entspricht weitestgehend den US-Standard-Modellen. Seit der Verabschiedung der Reformen kämpfen die europäischen Banken deshalb mit dem Gefühl, einen strategischen Nachteil gegenüber US-Banken zu haben.
Noch sind nicht alle Änderungen des Regelwerks in nationales Recht umgesetzt. Bis zum Jahr 2022 haben die G20-Länder dafür noch Zeit. Für die Einführung des Output-Floors gilt sogar eine Übergangsfrist bis 2027.
In Brüssel sind die Hilferufe der europäischen Finanzbranche nicht ungehört geblieben. Um die Folgen der Basel III-Reform einschätzen zu können, gab die Europäische Kommission im Mai 2018 eine Studie zu den quantitativen Auswirkungen bei der EBA in Auftrag. Die europäische Bankenaufsichtsbehörde veröffentlichte im Juli 2019 ein erstes Eckpunkte-Papier. Seit 5. August ist nun ein umfassenderer Bericht öffentlich verfügbar.
Die Ergebnisse schrecken die Banken wie erwartet auf. So warnt die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) vor erheblichen negativen Auswirkungen, falls die neuen Baseler Eigenkapitalvorschriften tatsächlich in europäisches Recht umgesetzt werden. Vor allem eine Zahl sorgt für Unbehagen: Laut EBA haben europäische Banken einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 135 Milliarden Euro.
„Tatsächlich dürfte der zusätzliche Kapitalbedarf noch deutlich höher liegen“, sagt Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. Denn bislang habe die Studie weder alle aufsichtsrelevanten Komponenten noch die zusätzlichen Kapitalempfehlungen berücksichtigt. Daher werde die Kreditwirtschaft in naher Zukunft noch wesentlich größere Summen auf den internationalen Kapitalmärkten zusammentragen müssen, um die Kapitalanforderungen erfüllen zu können. Die von der EBA vorgeschlagene Umsetzung der Baseler Reform gefährde somit die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand Europas, so Ossig.
Anders als bislang dargestellt, treffe die Reform zudem keineswegs nur die Großbanken, warnt der Bankenverband in einer öffentlichen Stellungnahme. Alle Kreditinstitute seien betroffen, unabhängig von ihrer Größe. In diesem Zusammenhang dürfe außerdem nicht unterschlagen werden, dass die Institute nicht nur in Form von höheren Kapitalanforderungen belastet werden. Die neuen Vorgaben müssten schließlich auch implementiert und fortlaufend angewendet werden – was für kleine und mittelständische Kreditinstitute eine überproportional hohe Belastung bedeute. „Im europäischen Vergleich fallen die Auswirkungen für die deutschen Banken und Sparkassen so noch einmal höher aus“, stellt Christian Ossig fest.
Nach Meinung des Bankenverbandes wird die Reform sich nicht nur negativ auf die Finanzierung von Unternehmen auswirken, sondern auch auf die Immobilienmärkte Europas. Der Grund: Die Immobilienfinanzierung werde durch die Reformen teilweise erheblich verteuert. „Zudem wird es für kleine und mittelständische Unternehmen schwerer, eine gute Finanzierung zu erhalten. Denn hier schlägt die EBA unter anderem vor, den sogenannten KMU-Faktor zu streichen, mit dem bislang die besondere Bedeutung des europäischen Mittelstands berücksichtigt wurde“, so der Verband.
Sollte die Basel III-Reform wie beschlossen umgesetzt werden, sieht der Bankenverband die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kreditwirtschaft in Gefahr. „Es kann nicht sein, dass durch die Umsetzung von Basel III noch einmal zusätzliche Belastungen auf die europäischen Kreditinstitute zukommen, sei es durch einen signifikanten zusätzlichen Kapitalbedarf oder – gerade für kleine und mittlere Institute – durch überproportionale administrative Belastungen. Die europäischen Finanzminister hatten vollkommen zurecht 2016 beschlossen, dies auszuschließen und die europäischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Diese Linie sollte nun auch beibehalten werden“, sagt Christian Ossig.
Fazit: Der beschlossene Kompromiss zur Basel III-Reform war nie unumstritten. Die Studie der EBA hat den Kritikern nun neue Nahrung verschafft. Vielleicht ist nach der Reform ja schon wieder vor der Reform.
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