Die Finanzaufsicht BaFin hat erneut Testkäuferinnen und -käufer in Wertpapierdienstleistungsinstitute geschickt, um dort verdeckt die Anlageberatung zu prüfen. Es gab gute Ergebnisse, es wurden aber auch teils erhebliche Defizite festgestellt. Auffälligkeiten traten vor allem bei den Pflichtinformationen zutage.
13.07.2023 | 10:31 Uhr von «Felix Scherger»
Bei der zweiten Mystery-Shopping-Aktion der BaFin, dem Follow-up zum Piloten im Juni 2021, stand wieder die Anlageberatung im Fokus. Es ging also vor allem um die Frage, ob die Wertpapierdienstleistungsinstitute ihren Kundinnen und Kunden die gesetzlich vorgeschriebenen Informationsunterlagen aushändigen, also etwa die Geeignetheitserklärung und die Ex-ante-Kosteninformation. „Wir haben diesmal 16 Institute in ganz Deutschland getestet und insgesamt 100 Testkäufe durchführen lassen“, erläutert Christian Bock, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz und zugleich Verbraucherschutzbeauftragter der BaFin.
Aus Sicht von Christian Bock ergibt die aktuelle Aktion „ein gemischtes Bild“: Es habe zwar auch gute Ergebnisse gegeben, etwa bei der seit August 2022 vorgeschriebenen Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen. In einigen Punkten seien die Institute in der Anlageberatung aber deutlich schlechter unterwegs als noch vor zwei Jahren.
Der Pilot sei aufgrund seiner geringen Reichweite nicht repräsentativ gewesen. Das Follow-up sei daher deutlich breiter angelegt. Die BaFin habe die Testkäufe außerdem an eine EU-weite Mystery-Shopping-Aktion zu Kosten und Gebühren gekoppelt, die von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) koordiniert wurde. „Bei der Aushändigung von gesetzlichen Pflichtinformationen in der Anlageberatung haben wir erneut erhebliche Auffälligkeiten festgestellt. Diese sind aber kein zwingendes Indiz dafür, dass es bei diesem Thema branchenweit gravierende Missstände gibt“, unterstreicht Bock.
… lässt die BaFin Banken, Versicherer und andere Finanzdienstleister unerkannt und aus der Perspektive von Kundinnen und Kunden beobachten. Dazu setzt sie geschulte Testkäuferinnen und -käufern ein.
Diese traten bei der zweiten Mystery-Shopping-Aktion, die im dritten Quartal 2022 gestartet wurde, größtenteils als neue Kundinnen und Kunden auf. Bei der Aktion wurden zwei Altersgruppen verwendet: die der 35- bis 50-Jährigen und die der über 60-Jährigen.
Aushändigung von Pflichtinformationen: Auffällig hohe Fehlerquoten
Man müsse einen differenzierten Blick auf die Ergebnisse werfen: In 40 Prozent der Anlageberatungen erhielten Testkäuferinnen und -käufer keine Geeignetheitserklärung und in 67 Prozent keine Ex-ante-Kosteninformation, obwohl beide gesetzlich vorgeschrieben sind (siehe Infokasten „Pflichtinformationen für Anlegerinnen und Anleger“). Zum Vergleich: Bei der Pilot-Aktion im Sommer 2021 wurde bei 22 Prozent der Testkäufe keine Geeignetheitserklärung ausgehändigt und bei 19 Prozent keine Ex-ante-Kosteninformation.
Um diese Ergebnisse einzuordnen, muss man jedoch beachten, dass auch bei dieser Mystery-Shopping-Aktion bei keinem der Anlageberatungsgespräche eine Order erteilt wurde. „Wir können also nicht völlig ausschließen, dass die fehlenden Pflichtinformationen noch ausgehändigt worden wären, wenn das Beratungsgespräch mit einem Orderabschluss beendet worden wäre“, erklärt Bock.
Geeignetheitserklärung
Seit Anfang 2018 erhalten Privatkundinnen und -kunden im Anschluss an eine Anlageberatung eine Geeignetheitserklärung. Dazu sind Banken und Finanzdienstleistungsinstitute aufgrund der zweiten europäischen Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II) und des deutschen Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) verpflichtet (siehe BaFinJournal September 2018).
In der Erklärung müssen Institute schriftlich darstellen, weshalb die ausgesprochene Empfehlung – beispielsweise ein Finanzinstrument zu kaufen oder zu verkaufen –zur Kundin oder zum Kunden passt, also für sie oder ihn geeignet ist.
Kosteninformation
Auch die Ex-ante-Kosteninformation ist laut MiFID II und dem WpHG Pflicht. Sie muss ebenfalls seit Anfang 2018 rechtzeitig vor Ordererteilung zur Verfügung gestellt werden. Institute müssen darin über alle Kosten und Nebenkosten im Zusammenhang mit Wertpapier(neben)dienstleistungen und dem jeweiligen Finanzinstrument informieren (siehe BaFinJournal Juli 2018).
Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen
Seit August 2022 besteht in der Anlageberatung die gesetzliche Pflicht, (potentielle) Kundinnen und Kunden im Beratungsgespräch nach persönlichen Nachhaltigkeitspräferenzen (ESG-Präferenzen) zu befragen. ESG steht für Environment, Social and Governance (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Spricht die Anlageberaterin bzw. der Anlageberater im Beratungsgespräch eine Kauf-, Verkauf- oder Halteempfehlung zu einem Finanzinstrument oder einer Wertpapierdienstleistung aus, so ist sicherzustellen, dass die Empfehlung u. a. zu den persönlichen Anlagezielen der Kundin bzw. des Kunden passen, auch mit Blick auf etwaige Nachhaltigkeitspräferenzen.
Gute Ergebnisse in puncto Nachhaltigkeitspräferenzen und keine Anzeichen für Altersdiskriminierung
Was positiv auffällt: 87 Prozent der Testkäufer sind in der Beratung nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragt worden. Das ist seit August 2022 Pflicht (siehe Infokasten „Pflichtinformationen für Anlegerinnen und Anleger“). Die überwiegende Zahl der ausgesprochenen Empfehlungen entsprach dabei den im Beratungsgespräch geäußerten Nachhaltigkeitspräferenzen.
Und anders als beim (nicht repräsentativen) Mystery-Shopping-Piloten des Jahres 2021 gibt es diesmal keine Anzeichen von Altersdiskriminierung. Beide Testprofile, das der Altersgruppe ab 60 Jahren und das der Altersgruppe von 35 bis 50 Jahren, zeigen ein ähnliches Fehlerbild. Bei der Aushändigung der Ex-ante-Kosteninformation liegt die Fehlerquote bei der Altersgruppe der 35- bis 50-Jährigen mit rund 71 Prozent sogar über der bei der Altersgruppe ab 60. Dort beträgt sie knapp 59 Prozent.
Grafik 1: Resultate der Mystery-Shopping-Aktion
© BaFin / Eigene Erhebung
BaFin sieht weiterhin Verbesserungspotenzial
Für Verbraucherschützer Bock zeigt die Mystery-Shopping-Aktion, dass es „bei der Anlageberatung von in Deutschland agierenden Wertpapierdienstleistungsinstituten nach wie vor Verbesserungspotenzial gibt.“ Vor allem bei den Pflichtinformationen hapere es noch erheblich. Recht gut laufe es hingegen bei der Abfrage der kundenspezifischen Nachhaltigkeitspräferenzen. „Perfekt ist das Ergebnis aber auch hier noch nicht“, fasst Bock zusammen.
Mit der Reaktion der betroffenen Institute ist die BaFin zufrieden: „Meine Kolleginnen und Kollegen aus der Institutsaufsicht sind auf die betroffenen Wertpapierdienstleister zugegangen, und die Institute zeigten sich kooperativ und konstruktiv“, berichtet Bock. Die Dienstleister hätten zugesagt, ihre Prozesse kritisch zu hinterfragen und anzupassen. Zudem wolle man sämtliche Anlageberaterinnen und -berater dafür sensibilisieren, in der Anlageberatung die gesetzlich vorgeschriebenen Informationsunterlagen stets auszuhändigen.
Die BaFin wird die Umsetzung der Maßnahmen überwachen. Und sie wird weitere Testkaufaktionen bei Instituten und Unternehmen durchführen, die sie beaufsichtigt. „Mystery Shopping ist für uns mittlerweile ein probates Aufsichtsinstrument“, erklärt Christian Bock.
Quelle: Bafin - Mystery Shopping: BaFin testet Anlageberatung
Hinweis
Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert.
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