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EdR AM: So schlägt sich die Krise auf Dividenden europäischer Unternehmen nieder

EdR AM: So schlägt sich die Krise auf Dividenden europäischer Unternehmen nieder
Dividenden

Ein Kommentar von François Breton und Anthony Penel, Fondsmanager bei Edmond de Rothschild Asset Management.

07.05.2020 | 09:42 Uhr

Die außergewöhnliche wirtschaftliche, politische und finanzielle Situation erfordert eine Neubewertung der Dividendenausschüttung europäischer Unternehmen. Im Vergleich zu früheren Krisen haben Unternehmen schnell auf die aktuelle Lage reagiert: Es wurden Dividenden gekürzt. Vorwiegend wegen Geschäftseinbrüchen mit negativen Auswirkungen auf den Cashflow und einer raschen regulatorischen und politischen Einmischung in die Dividendenpolitik.

Die Märkte haben bereits pessimistische Annahmen über die Auszahlungen europäischer Unternehmen in den kommenden Jahren eingepreist. Vor allem die EuroStoxx50 2020-Dividendenfutures[1] sind seit dem 1. März um satte 50 Prozent eingebrochen und erwarten nun Dividendenauszahlungen, die sich fast halbieren werden.

Es besteht weiterhin Ungewissheit über den Verlauf der Erholung. Investoren müssen zwischen kurz- und langfristigen Aussichten unterscheiden. Eine Dividendenaussetzung ist für die Anleger zwar unangenehm, aber es gibt einen Unterschied zwischen der Verschiebung und Streichung von Dividenden sowie der Kürzung und der völligen Aufgabe von Dividenden. Es sollte auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass die Renditen von Aktien wieder anziehen, sobald sich die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder erholen – je nach Unternehmen im Jahr 2021 oder 2022.

Die europäischen Dividendenrenditen liegen derzeit bei rund 4 Prozent[2]. Die derzeitige Situation bietet Anlegern eine Chance, mittel- bis langfristig in Unternehmen mit aussichtsreichen Dividenden zu investieren – wenn sie die Spreu vom Weizen trennen.

Wir haben die wichtigsten Sektoren – die traditionell interessante Dividenden bieten – umfassend analysiert und anschließend eine Rangliste der Sektoren erstellt. Vor allem die aussichtsreichsten und potenziell nachhaltigsten Dividendentitel wurden auflistet.

Der Analyserahmen von Edmond de Rotschild Asset Management basiert auf vier Hauptrisikofaktoren, die die Dividendenpolitik der Unternehmen belasten:

1. Operationelles Risiko: Unternehmen, die von der Krise besonders hart getroffen wurden, haben einen starken Rückgang ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten erlebt. Vor allem die Tourismus- und Freizeitbranche wurde besonders hart getroffen: Fluggesellschaften, Hotels und Gaststätten. Doch auch Catering-Dienstleister wurden von geschlossenen Schulen und Heimarbeit belastet.

2. Finanzielles Risiko: Einige Unternehmen werden unter der täglichen Verbrennung von Bargeld leiden[3], wie wir es aktuell bei Fluggesellschaften erkennen. Dabei wichtig zu beachten: Leverage, Liquidität, künftige Refinanzierungsfristen und etwaige Covenants. Anleger müssen besonders wachsam sein, wenn eine fragile Bilanz mit einer Verschlechterung des Handels einhergeht. Insbesondere wenn ein Unternehmen seine Dividende bereits in der Vergangenheit schonmal gestrichen hat.

3. Politisches Risiko: Regierungen mischen sich derzeit besonders in die Dividendenpolitik von Unternehmen ein. Die soziale Nachhaltigkeit von Dividenden in einer Zeit des wirtschaftlichen Abschwungs und der zunehmenden Arbeitslosigkeit müssen ebenfalls geprüft werden.

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hat Dividendenzahlungen oder Aktienrückkäufe von Unternehmen vorläufig verboten, die von einer aufgeschobenen Zahlung von Steuern und Sozialabgaben oder einer staatlichen Garantie profitieren dürften. Unternehmen, die auf Teilzeitarbeit zurückgreifen, sind aufgefordert worden, vernünftig zu handeln und mit gutem Beispiel voranzugehen – indem sie keine Dividenden mehr auszahlen. Die französische Regierung scheint daran interessiert zu sein, dass die börsennotierten Unternehmen, an denen sie beteiligt ist – allem voran Orange, EDF, Thales, Safran, ADP, Engie, Airbus und Renault – ihre Dividendenausschüttungen kürzen. Airbus und Safran haben ihre Dividendenausschüttungen für das Geschäftsjahr 2019 bereits gestrichen. Vor diesen Streichungen hat die Regierung mit rund 2,4 Milliarden Euro an Dividenden gerechnet. Weiterhin soll auch die Steuer auf annullierte Dividenden ausgesetzt werden. Dadurch dürfte die Wahrscheinlichkeit steigen, dass die Regierung diesen Zustand im Jahr 2021 nicht verlängern wird.

Deutschland überdenkt derzeit Maßnahmen, um KfW-Darlehen und -Bürgschaften für börsennotierte Unternehmen davon abhängig zu machen, dass sie die Dividendenausschüttungen für das Geschäftsjahr 2019 aussetzen. Bislang ist noch nicht klar, ob es sich dabei um eine Aussetzung auf unbestimmte Zeit oder um eine völlige Streichung handelt.

4. Regulatorisches Risiko: Dies ist vor allem für Finanzwerte von größter Bedeutung und muss ständig überprüft werden. Nach einer vorübergehenden Lockerung einiger regulatorischer Beschränkungen waren der Bankensektor und angeschlossene Unternehmen wie Amundi gezwungen, die Dividendenausschüttungen zu beschränken.

Die nachstehende Tabelle fasst die wichtigsten Ergebnisse unserer Analyse zusammen:

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Quellen:  Erwartete Dividendenrendite[4]: Bloomberg zum 20/04/2020. Die Tabelle fasst die Meinung der Manager und Analysten von Edmond de Rothschild Asset Management zu den verschiedenen aufgelisteten Sektoren anhand von vier Kriterien zusammen: operationelles, finanzielles, politisches und regulatorisches Risiko. Legende: Grün: neutral / Gelb: mäßiges Risiko / Orange: hohes Risiko / Rot: Sehr hohes Risiko.

Der Fokus liegt auf traditionell dividendenstarken Sektoren

Banken 

Der europäische Bankensektor profitierte zunächst von einer gewissen Lockerung der gesetzlichen Vorgaben, um die negativen Effekte zu vermeiden, die eine Liquiditätsverknappung auf die Wirtschaft haben könnte. Doch dann wies die EZB in ihrer Funktion als Regulierungsbehörde sie an, Dividenden bis Oktober 2020 zu verschieben und Pläne für Aktienrückkäufe rückgängig zu machen. Viele Banken außerhalb der Eurozone haben bereits eine Jahres- oder Zwischendividende ausgeschüttet, aber große Banken der Eurozone zahlen im Allgemeinen zwischen Ende April und Ende Mai aus. Sie sind diejenigen, die am stärksten betroffen sind. Der regulatorische und politische Druck ermutigt die Banken in der Regel, ihre Eigenkapitalbasis in Wachstumsphasen antizyklisch zu stärken und die Wirtschaft zu unterstützen, wenn sich das Wachstum verlangsamt. Die expansive Geldpolitik der EZB ist einfach eine Gegenleistung für die damit einhergehende Verpflichtung der Banken, die Wirtschaft zu stärken. Angesichts der enormen Menge an nachrangigen Finanzschulden, die Banken in jüngster Zeit zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen emittiert haben, kann man sich jedoch fragen, ob sie sich in Versuchung bringen lassen werden, Gläubiger gegenüber Aktionären zu bevorzugen. In der Zwischenzeit werden die Banken unserer Meinung nach weiterhin mit einem Niedrigzinsumfeld und einem möglichen Anstieg ausfallender Kredite zu kämpfen haben.

Ölkonzerne

Die Ölgroßkonzerne zahlen traditionell hohe Dividenden aus, aber der Ölpreis ist auf einen historischen Tiefststand eingebrochen. Seit 2015 operieren die Ölgesellschaften mit einem Preis pro Barrel von durchschnittlich 50 Dollar (99 Dollar im Jahr 2013) und haben die operativen Kosten und Investitionen entsprechend angepasst. Sollte das Barrel jedoch auf dem derzeitigen Niveau bleiben, wären alle Großunternehmen gezwungen, die Auszahlungen zu kürzen. Es ist zu beachten, dass einige Unternehmen eine halbjährliche Dividende zahlen und dass andere Unternehmen vierteljährlich auszahlen. Das Risiko einer Kürzung, völligen Streichung und einer Aufschiebung würde einen begrenzten Teil der Dividende betreffen, wenn sich die Krise nicht weiter fortsetzt.

Versorgungsunternehmen

Der Sektor ist traditionell ein großer Zahler von Dividenden. Energieunternehmen wie EDF, Fortum und Uniper haben einen Rückgang der Strompreise um 30 Prozent und einen Rückgang des Volumens um 15 bis 25 Prozent aufgrund nationaler Beschränkungen hinnehmen müssen. Auch der Cashflow wird zwangsläufig betroffen sein. Versorgungsunternehmen sind im Allgemeinen hoch verschuldet. Regierungen sind oft Aktionäre, sodass ein hohes Risiko einer Dividendenkürzung besteht. Am anderen Ende der Risikoskala sind die regulierten Gas- und Elektrizitätsunternehmen in hohem Maße fremdfinanziert – aber kaum oder gar nicht den Marktpreisen oder -volumina ausgesetzt. Ihre Rentabilität wird durch einen Regulierungsvertrag sichergestellt, der eine faire Rendite für den Vermögenswert garantieren soll. Es besteht die Möglichkeit der Einführung von Ad-hoc-Steuern wie es zum Beispiel 2011 Italien versucht hat. Diese wurde jedoch vom obersten Gericht des Landes für verfassungswidrig erklärt und aufgegeben.

Versicherungen

Versicherungskonzerne schütten hohe Dividenden aus und der Kursverfall ihrer Aktien hat die Dividendenrenditen massiv in die Höhe getrieben. Die europäische Regulierungsbehörde EIOPA forderte sie auf, Maßnahmen zur Erhaltung des Kapitals zu ergreifen und bei Dividendenausschüttungen oder Aktienrückkäufen Vorsicht walten zu lassen. Doch aufgrund des Zustands der Bilanzen vieler Versicherungskonzerne entschied sich die EIOPA nicht für die von der EZB gegenüber den Banken angewandte Strategie der harten Hand. Die EIOPA hat nicht die gleiche Zwangsbefugnis wie die EZB gegenüber Banken, aber die nationalen Regulierungsbehörden können immer noch Einfluss auf die Dividendenpolitik nehmen. Italiens Aufsichtsbehörde hat seinen Versicherungsgesellschaften geraten, maximale Vorsicht walten zu lassen. In Frankreich sollen die Aktionäre der CNP bei ihrer Hauptversammlung über eine neue Dividendenpolitik zur Erhöhung der Rücklagen abstimmen.

Es ist zu beachten, dass die deutsche Münchener Rück ihre Dividende als höchst strategisch betrachtet. Sie wurde seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nie gesenkt. Die Unternehmensgruppe passt sich durch Aktienrückkäufe an die aktuellen Bedingungen an.

Telekommunikation
 
Die Aktien der Telekommunikationsbranche sind mit Verbindlichkeiten belastet, aber auch ein starker Geldgeber. Gleichzeitig wird ihre Fähigkeit zur Dividendenausschüttung unverändert bleiben, da diese Krise nur begrenzte operative Auswirkungen haben wird. Das Geschäft mag darunter leiden, aber eine reduzierte Kundenabwanderung sollte weniger Ausgaben für das Marketing bedeuten. Wie bei den Versorgungsunternehmen haben jedoch einige Anbieter wie Orange oder die Deutsche Telekom staatliche Aktionäre. Das Unternehmen Bouygues befindet sich in einer anderen Situation. Das in den Bereichen Telekommunikation, Medien und Bauwesen tätige Unternehmen – seine Bausparte wird Teilzeitarbeit einführen – wird unserer Meinung nach wahrscheinlich seine Sonderdividende streichen und könnte die normale Dividende kürzen.

Immobilien

Ein weiterer Sektor mit hoher Dividendenrendite. Das Bild variiert je nach Marktsegment. Unternehmen, die sich mit Gewerbeimmobilien beschäftigen, sind hohen Risiken ausgesetzt, weil unter anderem der Non-Food-Einzelhandel durch die Lockdowns zum Erliegen gekommen ist. Dasselbe gilt für Eigentümer von Hotelimmobilien, wo die Mieten je nach Nutzung variieren können. Dabei gilt es auch, ein gewisses Mieterausfallrisiko zu berücksichtigen. Die Initiative von Nike ist interessant: Der Sportbekleidungsgigant hat die Ladenbesitzer angehalten, 50 Prozent der Mieten zu kürzen und als Gegenleistung bekommt das Unternehmen dafür ein Anrecht auf die Verkäufe nach der Krise. Andernorts sollten Büroimmobilienbesitzer in großen Geschäftsvierteln oder Eigentümer von Gesundheitsimmobilien wie Kliniken oder Altenheimen in der Lage sein, die Krise zu überstehen und weiterhin Dividenden auszuschütten. Dabei ist zu beachten, dass französische REITS (SIIC[5]) gesetzlich verpflichtet sind, eine Dividende zu zahlen, die mindestens 95 Prozent der Mietgewinne entspricht. Obwohl sie sich an das Gesetz halten, haben einige dieser Unternehmen bereits eine staatsbürgerliche Aktion gestartet, indem sie eine Dividendenkürzung angekündigt haben. Auch die deutschen Immobiliengesellschaften sind verpflichtet, mindestens 90 Prozent der Gewinne auszuschütten.


1 Futures sind Finanzverträge, die den Käufer verpflichten, einen Vermögenswert zu kaufen, oder den Verkäufer, einen Vermögenswert zu verkaufen, und die ein vorbestimmtes zukünftiges Datum und einen vorbestimmten Preis haben.

2 Daten vom 20. April 2020. Quellen: Edmond de Rothschild Asset Management. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein zuverlässiger Indikator für künftige Renditen und ist im Zeitverlauf nicht konstant.

3 Verbrauch von Bargeld.

4 Die Dividendenrendite ist der Geldbetrag, den ein Unternehmen den Aktionären (im Laufe eines Jahres) für den Besitz eines Anteils seiner Aktien, geteilt durch den aktuellen Aktienkurs, zahlt.

Börsennotierte Immobilien-Investmentgesellschaften

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