Janus Henderson: In Schwellenländern auf weniger befahrenen Straßen unterwegs

Glen Finegan, Leiter des in Edinburgh ansässigen Emerging Market Equities Teams, erläutert, wie wichtig es ist, zusammen mit Mehrheitsaktionären zu investieren, deren Interessen mit den eigenen übereinstimmen. Darüber hinaus beschreibt er, warum diese Vorgehensweise in China zu einem von den meisten Fondsanbietern abweichenden Anlageansatz führt.

10.07.2017 | 14:58 Uhr

Als Bottom-up-Anleger bevorzugen wir Qualitätsunternehmen mit starker Erfolgsbilanz, guter Wettbewerbsposition und einem seit Jahren integeren Management. Nach unserer Auffassung ist es bei Anlagen in Schwellenländern besonders wichtig, in Firmen zu investieren, bei denen die Interessen der Mehrheitsaktionäre den eigenen weitgehend entsprechen.

Die Bedeutung gleicher Interessen 

Wie bedeutsam eine weitgehend übereinstimmende Interessenlage ist, wurde jüngst beim Seidenstraßen-Forum (Belt and Road Forum) in Peking einmal mehr deutlich. An dieser auf großes öffentliches Interesse stoßenden Konferenz nahmen zahlreiche Staatsoberhäupter und Minister aus vielen Ländern sowie Repräsentanten internationaler Organisationen teil. Bei dem Symposium zeigte sich, dass viele chinesische Staatsbetriebe unverändert ausgetretenen Pfaden folgen und sich vor allem in den Dienst des Staates stellen.  Will heißen: Viele chinesische Firmen und Staatsbetriebe investieren im Sinne der geopolitischen und wirtschaftlichen Erfordernisse des Landes und weniger, um Renditen für Anleger zu generieren. 

Chinas Initiative zur Belebung der alten Seidenstraße verfolgt seit 2013 ambitionierte Infrastruktur- und Wirtschaftsziele, um das Land besser an andere asiatische Regionen, Europa, Ostafrika, den Mittleren Osten und Russland anzubinden. Für derart ambitionierte Pläne ist eine Unmenge Kapital erforderlich: Schätzungen bewegen sich in einer Bandbreite von vier bis acht Billionen US-Dollar. Die Errichtung der dafür notwendigen Bauwerke und Infrastruktur kann ohne Zweifel derart kolossale Summen verschlingen. Weniger sicher ist jedoch, ob die in dieses zentral geplante Mammutprojekt investierenden Staatsbetriebe für ihre Anteilseigner jemals positive Renditen erwirtschaften werden.

Verstehen, was man im Portfolio hat
Ein Beispiel für nicht rentable Projekte im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative ist die vom Staatsunternehmen Zhongda China Petrol in Kirgisistan, Zentralasien, gebaute Ölraffinerie. Nach der Inbetriebnahme war sie nur zu sechs Prozent ausgelastet, weil sie nicht ausreichend mit Rohöl beliefert werden konnte. In unseren Augen sind weitere große Enttäuschungen vorprogrammiert, denn die Vorzeichen und historischen Beispiele für solche Herkulesprojekte lassen nichts Gutes ahnen. Das bestärkt uns in der Überzeugung, dass wir für eine Anlage Firmen suchen müssen, bei denen unsere Interessen zu denen der Investitionsentscheider passen. Es erklärt auch unsere Zweifel gegenüber einer langen Liste in China börsennotierter und für uns nicht infrage kommender Unternehmen sowie das Missverhältnis zwischen dem hohen Wirtschaftswachstum des Landes und der nur schwachen Rendite aus Anlagen an den lokalen Aktienmärkten.

Führende Unternehmen, die neue Wege einschlagen wollen
Natürlich gibt es in China auch Unternehmen und Entscheider, die bereit sind, die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Mithilfe führender Technologien und weltweit erstklassiger Dienstleistungen können sie sich vom alten Geschäftsmodell im Reich der Mitte mit billigen Arbeitskräften, subventioniertem Kapital und reguliertem Markt verabschieden.



Fuyao glass 
Fuyao Glass ist Chinas größter Autoglashersteller und ein Paradebeispiel für ein solches Unternehmen. Es hat sich im Inland mit rund 60 Prozent eine dominante Marktstellung als Zulieferer für die heimische Autoindustrie erarbeitet.  Inzwischen expandiert das Unternehmen dank der Erfolge seiner Forschungs- und Entwicklungsabteilung in alle Welt, denn seine Produkte erfüllen auch die hohen Anforderungen der Autoproduzenten in Industrieländern. Der Glashersteller verfügt über eine beachtliche F+E-Abteilung und ist mithilfe unablässiger Investitionen in diesem Bereich in der Lage, die strengen Zulassungs- und Sicherheitsbestimmungen der internationalen Autohersteller für Glasscheiben zu erfüllen.

Fuyao Glass muss sich im internationalen Wettbewerb behaupten, was dem Unternehmen gut gelingt. Wie gut, zeigt der unlängst eröffnete Entwicklungs- und Produktionsstandort in Ohio, USA, von wo aus es General Motors und Hyundai beliefert. Weiteres Wachstum erscheint relativ sicher, denn Fuyao Glass hat die internationalen Märkte gerade erst ins Visier genommen.

Starkes Management und gute Unternehmensführung
Neben gefragten Produkten verfügt Fuyao Glass auch über ein hervorragendes Management, und im Erfolg spiegelt sich die gute Unternehmensführung wider.  Gründer und Vorstandsvorsitzender des in Fuzhou 1987 gegründeten Unternehmens ist Cao Dewang, der immer noch in das Tagesgeschäft involviert ist und dabei die Interessen der Minderheitsaktionäre nicht aus dem Auge verliert.

Dies zeigt sich in der Entscheidung, die in Shanghai und Shenzhen gelisteten A-Aktien für inländische und die in Hongkong gelisteten H-Aktien für ausländische Anleger mit gleichen Stimmrechten auszustatten. Zudem achtet der Firmengründer darauf, dass zur Führungsriege des Unternehmens nur sehr erfahrene Manager gehören.

Cao Dewang war zudem maßgeblich an der Gründung der Heren-Stiftung beteiligt, einer wohltätigen Organisation, die Menschen dabei hilft, sich selbst aus der Armut zu befreien. Einige unserer Teammitglieder haben die Stiftung besucht, um die Absichten und Interessen dieser wohltätigen Einrichtung und der dahinter stehenden Organisation besser zu verstehen. Von den auf den eigenen Vorteil bedachten Staatsbetrieben hebt sich Fuyao Glass mit seiner unternehmerischen Vision und den internationalen Wachstumschancen wohltuend ab.

Greatview Aseptic Packaging
Neben Fuyao Glass haben offenbar auch andere chinesische Unternehmen diesen Weg eingeschlagen.  Dazu gehört Greatview Aseptic Packaging, bei dem wir jüngst eine Position aufgebaut haben. Der Verpackungsspezialist scheint sich zwar noch in einer früheren Entwicklungsphase als Fuyao Glass zu befinden, verfügt aber über vergleichbares Wachstumspotenzial. Das Unternehmen wurde von Privatpersonen gegründet und ist auf dem Weg zur Spitzenposition auf dem chinesischen Markt für aseptische Verpackungen. Es ist bestens ausgerüstet, um auch global große Marktanteile zu übernehmen. Greatview Aseptic Packaging liefert ein System und die Materialien zur Verpackung von Lebensmitteln und Molkereiprodukten mit einer Mindesthaltbarkeit von sechs Monaten, ohne dass sie gekühlt werden müssen. Diese Technik ist in Industrieländern weit verbreitet und hat großes Potenzial in Schwellenländern. Gegründet wurde Greatview Aseptic Packaging von ehemaligen Tetra Pak-Mitarbeitern wie Jeff Bi, der als Großaktionär nach wie vor das Unternehmen führt. Aufgrund der Firmenphilosophie, hochwertige Produkte zu niedrigen Preisen anzubieten, hat das Unternehmen in China beachtliche Marktanteile gewonnen.


 
Wichtig dabei: Man ahmt nicht einfach nur erfolgreiche Strategien nach. Greatview Aseptic betreibt in Shanghai ein branchenführendes Innovationszentrum, das einen besonderen QR-Code für aseptische Verpackungen entwickelt hat.  Mithilfe dieses Code können chinesische Verbraucher, die großen Wert auf Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln legen, den Weg des Produkts bis zu seiner Quelle zurückverfolgen. Diese Kombination aus Managementqualitäten und der Selbstverpflichtung zu hochwertigen Produkten ebnet dem Unternehmen Wege zu neuen Märkten und Kunden außerhalb des Landes. So hat es mit dem Bau eines neuen Produktionsstandorts in Deutschland den Sprung auf den europäischen Markt geschafft. Um die hohe Nachfrage in Europa bedienen zu können, wurde mit einer zusätzlichen Produktionslinie die Kapazität verdoppelt.

Anlagechance mit hoher Qualität zu günstigem Preis
Nach einem Besuch bei Greatview Aseptic in Peking im vergangenen Jahr nahmen wir das Unternehmen auf unsere Beobachtungsliste. Eine günstige Kaufgelegenheit bot sich, nachdem wir uns erneut mit der Firmenleitung in Edinburgh getroffen hatten und die Aktie zu einem attraktiven Kurs zu haben war. Angesichts des langsameren Wachstums am chinesischen Markt für Molkereiprodukte konnten wir zu einem Preis kaufen, der einer freien Cashflow-Rendite von sieben Prozent entsprach. In Anbetracht der starken Bilanz und langfristig guten Wachstumsaussichten von Greatview Aseptic auf den internationalen Märkten scheint uns die Bewertung attraktiv. Nach unserem Kauf gab Jardine Strategic Venture Holdings Limited den Erwerb eines 20-prozentigen Anteils über die Börse verbunden mit einem Sitz im Aufsichtsrat bekannt. Dies werten wir als gutes Zeichen für unser Engagement bei Greatview Aseptic.

Als Anlageteam ziehen uns natürlich die weniger stark befahrenen Straßen an. Sie passen zu unserer Anlagephilosophie, aus angemessen bewerteten Qualitätsaktien ein aussichtsreiches Portfolio aufzubauen. Mit unserem fünfjährigen Anlagehorizont blenden wir kurzfristige Entwicklungen und Geschehnisse aus, denn wir sind überzeugt, dass Aktienindizes keine gute Richtschnur für erfolgreiche Anlagen sind. Darin unterscheiden wir uns von den meisten unserer Wettbewerber. Wir freuen uns auf die kommenden Beiträge, in denen wir auf unser Portfolio, den Anlageprozess und die Anlagephilosophie des Fonds näher eingehen werden.



Anmerkung: Die Aktienbeispiele dienen ausschließlich der besseren Veranschaulichung und geben keinen Hinweis auf die vergangene oder künftige Performance oder die Erfolgsaussichten einer speziellen Anlagestrategie. Die Bezugnahme auf einzelne Wertpapiere stellt weder ein Angebot oder eine Aufforderung zu Ausgabe, Verkauf, Zeichnung oder Erwerb des Wertpapiers dar, noch ist sie Teil eines solchen Angebots oder einer solchen Aufforderung.

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