Schroders: Asien ohne Japan - Ausblick 2017

Im Osten wenig Neues: Kaum Überraschungen bei den Ergebnissen und schleppende (aber wenigstens nicht schlechtere) Nachfrage quer durch die Branchen.

03.01.2017 | 13:50 Uhr


Ausgewählte langfristige Chancen bestehen in Asien –
doch man sollte 2017 auch „das Unerwartete erwarten“.

Die jüngsten Ergebnisberichte asiatischer Unternehmen enthielten kaum Überraschungen und zeichneten insgesamt das Bild einer schleppenden, aber nicht zwangsläufig schlechter werdenden Nachfrage in den meisten Branchen (sowohl in inlands- als auch in eher exportorientierten).

Die Ausnahme waren einige Sektoren in China mit Infrastruktur oder Rohstoffbezug, wo der jüngste, von Krediten angetriebene Aktivitätsschub für Impulse sorgt, die sich unserer Meinung nach als kurzlebig und letztlich vergeblich erweisen werden. Trotz der großen Hoffnungen vieler Asienstrategen erkennen wir Belastungsfaktoren, die sich auf viele Länder und Sektoren in Asien auswirken werden.

Bei Besuchen in der letzten Zeit konnten wir zum Beispiel feststellen, dass philippinische Konsumgüterunternehmen wie viele in der Region unter dem zunehmenden Wettbewerb und einer unerwartet schwachen Endnachfrage leiden, da sich das relativ starke Wirtschaftswachstum nur punktuell bei den Verbrauchern auswirkt.
Die Veränderung der Konsummuster in der Millennial-Generation (die eindeutig nicht auf traditionelle Werbung und Marken anspricht) verstärkt die Schwierigkeiten zusätzlich. Deshalb halten wir die hohen Bewertungen der meisten asiatischen Konsumgüteraktien für unangebracht, denn sie beruhen auf der Annahme, dass diese Unternehmen immerfort ein „sicheres“ Gewinnwachstum von 10 % bis 15 % pro Jahr bieten werden.

Allgemein sind wir der Ansicht, dass sich die Wachstums- und Qualitätsprämien an den asiatischen Märkten schwer rechtfertigen lassen, während der Großteil des übrigen Marktes aufgrund einer schlechten Unternehmensführung und mangelnder Fokussierung auf den Shareholder Value nach wie vor unattraktiv ist.


China kurzfristig: Staatliche Impulse stützen das Wachstum

Auf kurze Sicht wird das chinesische Wirtschaftswachstum durch die aktuellen staatlichen Infrastrukturmaßnahmen unterstützt. Dies sind sehr typische chinesische Impulse, die sich vor allem an Staatsunternehmen richten und direkt oder indirekt von den Banken finanziert werden – sei es über die groß angelegte Emission von Vermögensverwaltungsprodukten oder durch die dubiosen und zunehmend beliebten Programme für öffentlich-private Partnerschaften, die lokale Verwaltungen entwickelt haben, um die Schulden aus ihrer Bilanz herauszuhalten.

Dies verschafft der chinesischen Wirtschaft kurzfristig Auftrieb, der unserer Meinung nach aber bald verpuffen dürfte. Für den chinesischen Aktienmarkt sind die Impulse mittel- bis langfristig negativ, denn mehr verschwenderische Investitionen bedeuten mehr Kapitalvernichtung und mehr notleidende Kredite.

Abbildung 1: Einschließlich der Kreditaufnahmen von lokalen Verwaltungen beschleunigt sich das Kreditwachstum in China rapide – dadurch entstehen mehr Blasen
Kreditwachstum in China
Quelle: Chinesische Zentralbank, Chinabond, Schroders
 
 

China langfristig: japanisches Modell der 1990er als Vorbild

Wir erwarten, dass die chinesische Regierung, ähnlich wie Japan nach der Blase, periodische Konjunkturprogramme einsetzen wird, um der schleppenden, zur Deflation neigenden Wirtschaft aufzuhelfen. Dies wird zu einer rasanten Zunahme der Staatsschulden führen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die chinesischen Behörden vorgeben können, dass sich die Schulden im Privatsektor befinden – über Staatsunternehmen und Investmentvehikel lokaler Verwaltungen –, während recht eindeutig feststeht, dass die hohen und zunehmenden notleidenden Kredite im Bankensystem am Ende in der Staatsbilanz landen werden.

Infolge der fehlenden Reformen und laufender Blasenbildungen nehmen die langfristigen Anfälligkeiten zu. Öffentlich-private Partnerschaften sind nur eine weitere verzerrte Version von Investmentvehikeln lokaler Verwaltungen. Das Diagramm zum Zement- und Stahlkonsum haben wir schon so oft gezeigt. Deshalb wollen wir diesmal nur kurz darauf hinweisen, dass dies eine der größten Blasen ist, die wir in unserer Berufslaufbahn im Investmentgeschäft zu sehen bekommen werden.

Abbildung 2: Durch Impulse verzerrte Zementnachfrage in den letzten acht Jahren
Impulse verzerren Nachfrage in China
Quelle: WIND, CEIC, nationale Statistikbehörde (NBS), China Cement Association (CCA), Digital Cement (DC), Schätzungen von UBS, Oktober 2016.

Wenn wir uns nun den jüngeren Ereignissen zuwenden, wurde der jüngste Anstieg des US-Dollars nach der US-Wahl von der Hoffnung getragen, dass der vom designierten Präsidenten Trump vorgeschlagene Mix politischer Maßnahmen (Steuersenkungen, Deregulierung, Infrastrukturinvestitionen usw.) reflationäre1 Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben und die US-Notenbank Fed dazu veranlassen werde, die Zinsen aggressiver anzuheben. Auf die Märkte der Region Asien ohne Japan wird sich dies unterschiedlich auswirken.

Der Rückkopplungseffekt aus einem stärkeren US-Dollar und höheren US-Zinsen wird in Asien zu einer Verknappung der inländischen Liquidität führen und Dollarschuldnern ohne Währungsabsicherung schwer zu schaffen machen. Der mögliche Abzug von „heißem“ Geld – wie wir ihn erst vor kurzem beobachten konnten, wird Druck auf asiatische Währungen, Inlandsanleihen und Aktienmärkte ausüben.

Anders als in früheren Phasen, in denen die Straffung der Geldpolitik darauf ausgerichtet war, das Wachstum zu bremsen und die Inflation zu zügeln, sprechen wir jetzt davon, dass die US-Notenbank die Stimulation zurücknimmt, da das Wirtschaftswachstum anzieht. Das heißt, dass die USA nach einer Phase des unterdurchschnittlichen Wachstums und der Disinflation in den letzten Jahren jetzt auf ein „normaleres“ Umfeld mit solideren US-Investitionen und einem robusteren Konsum zusteuern.
Wenn dies eintritt (was unserer Meinung nach immer noch fraglich ist), könnte dieser stärkere Wachstumshintergrund tatsächlich dazu führen, dass das Handelsbilanzdefizit der USA wieder steigt, das Exportwachstum in Asien anzieht und sich der Zufluss von US-Dollars nach Asien über diese Kanäle verbessert. Für viele Unternehmen und Branchen in Asien wäre dies vorteilhaft.


Trumps Unberechenbarkeit und der durchwachsene gesamtwirtschaftliche Hintergrund

Was heißt das für die Fonds? Wir richten den Fokus auf technologisch führende Technologieunternehmen in den richtigen Bereichen (Optik, Akustik, Halbleiter), während wir im Konsumbereich sehr vorsichtig sind. Dies gilt insbesondere für den Einzelhandelssektor, wo unserer Meinung nach nur Bedarfsartikelgeschäfte und ausgewählte Modemarken/-anbieter, die sich auf schnelle Mode und neue Stoffe konzentrieren, gute Aussichten haben.
Wir halten uns weiter an die Gewinner im Internetgeschäft: Unternehmen, die Plattformen und Inhalte für die Erlebnisse (und Dienstleistungen) bereitstellen, die zunehmend raffinierter und – für die Konsumenten – zeitraubender werden.

Die schwierigere Frage ist, was wir mit unseren Immobilien- und Telekommunikationsaktien tun sollen, auf die in unserer schönen neuen Welt Herausforderungen zukommen. Da Rendite immer noch Mangelware ist und wir nach wie vor Zweifel an der Wahrscheinlichkeit einer nachhaltigen Reflation haben, glauben wir, dass wir an ihnen festhalten, aber stärker auf Büroimmobilien an Märkten mit knappem Angebot, wie Hongkong, setzten sollten. Im Telekommunikationssektor legen wir den Schwerpunkt auf Industrieländer, in denen eine Konsolidierung stattgefunden hat und Postpaid-Modelle überwiegen (das heißt, feste monatliche Gebühren mit begrenzter Datennutzung).

Andere Sektoren, die uns an sich weiter zusagen, sind das Gesundheitswesen und ausgewählte Markenhersteller, die von Lifestyle-Trends getragen werden (Fahrradfahren) oder neue Technologien einsetzen können, um ihre Produkte erheblich zu verbessern (Elektrowerkzeuge, Autoelektronik). Bei asiatischen Banken sind wir vorsichtig, vor allem in Nordasien (China, Korea, Taiwan), wo unserer Meinung nach signifikante Mengen an faulen Schulden einfach verlängert werden.
Rohstoffaktien halten wir ebenfalls nicht für attraktiv. Wie bereits erwähnt, hängt der Rohstoffverbrauch (insbesondere bei Zement, Stahl und Kohle) stark von der Immobilien- und Infrastrukturblase in China ab (mit Abstand der rohstoffintensivste Sektor weltweit). Das heißt, dass hier strukturell Vorsicht angebracht ist. Es sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es bei asiatischen Rohstoffunternehmen außerhalb von Australien bedeutende ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Probleme gibt.

Alles in allem halten wir es für unmöglich, vorherzusehen, wie sich das gesamtwirtschaftliche Umfeld entwickeln wird. Deshalb sollten sich die Anleger lieber auf die langfristigen Fundamentaldaten der Unternehmen und der Branchen konzentrieren, in denen diese aktiv sind. Während wir das alte Jahr abschließen und den Blick auf das neue richten, können wir angesichts der Marktreaktionen auf die vermeintlichen „Katastrophen“ des Brexit-Votums und der Wahl von Trump im Jahr 2016 unsere Pläne zur Bewältigung gesamtwirtschaftlicher Probleme im Jahr 2017 mit wenigen Worten zusammenfassen: Man muss mit dem Unerwarteten rechnen.


1 Fiskalische oder geldpolitische Maßnahmen, die darauf ausgelegt sind, die Produktion eines Landes zu steigern und die Deflationseffekte einzudämmen.

 

Dieser Artikel erschien am 30.12.2016 bei schroders.com.

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