Die weltweite Energiekrise erschüttert die Energiemärkte und sorgt dafür, dass es entlang der Energie-Wertschöpfungskette Gewinner und Verlierer gibt.
13.01.2022 | 07:22 Uhr
Die weltweite Energiekrise erschüttert die Energiemärkte und wirkt sich auf Haushalte, Unternehmen und Investoren aus. Bislang waren die Strompreise in Europa am stärksten betroffen. Das Problem ist aber nicht ausschließlich ein europäisches und der Preisanstieg könnten sich ohne weiteres auf andere Regionen übertragen.
Einige der Ursachen der Krise, insbesondere die stark wachsende Nachfrage infolge der Wiederöffnung der Volkswirtschaften, sind zyklischer Natur und werden sich letztlich legen. Insgesamt jedoch wird die Volatilität der Preise fortbestehen. Zusammen mit verschärfter Regulierung und Netto-Null-Initiativen eröffnet dies hervorragende Aussichten für Investitionen entlang der Wertschöpfungskette bei sauberer Energie.
Im letzten Quartal des Jahres 2021 trafen externer Faktoren zusammen, die im gesamten Energiesektor eine Welle der Volatilität ausgelöst haben. In Europa hatten nach oben schießende Strompreise verheerende Auswirkungen auf die Energiesysteme auf dem Kontinent. Gleichzeitig haben höhere Preise bei Gas, Öl und Kohle die Krise zusätzlich angeheizt. Noch mehr Sorgen bereitete, dass die Notierungen an den Terminmärkten auf dauerhaft erhöhte Strompreise in den kommenden Jahren hindeuten.
Verantwortlich sind mehrere Faktoren. Zwar war die Nachfrage stärker als erwartet, dennoch liegt das Problem hauptsächlich auf der Angebotsseite. Die Gasreserven sind so niedrig wie nie zuvor, nachdem die Produktion von Windstrom aufgrund schwachen Windes gesunken ist und geringere Regenfälle die Produktionskapazität wichtiger Wasserkraftwerke reduziert hat. Außerdem ist aufgrund internationalen Wettbewerbs und geopolitischer Spannungen ein Auffüllen der Reserven über Importe aus den USA und Russland, Europas traditionellen Handelspartnern in Bezug auf Erdgas, ausgeblieben.
Das im Jahr 2020 gestartete Emissionshandelssystem in der EU hat wie beabsichtigt dazu geführt, dass die CO2-Preise gestiegen sind. Infolgedessen haben sich die Kosten für CO2-intensive Energieproduktion aus Kohle und Gas erhöht. Die Notierung von CO2-Emissionszertifikaten hat bereits ein Rekordhoch erreicht (90 EUR am 8. Dezember 2021). Aufgrund der sinkenden Zahl an CO2-Zertifikaten, Zusagen im Rahmen der COP26 und günstiger Energiepreisentwicklung kann sie nur weiter steigen. Auch wenn ein knappes Angebot die Hauptursache der Entwicklung war, entfielen rund 10-20 % des jüngsten Anstiegs der Strompreise auf die CO2-Bepreisung.
Grafik 1 CO₂ und Strom: Emissions-Bepreisung erhöht Elektrizitätskosten
Quellen: Robeco, Bloomberg
Anhand der Analyse allgemein verfügbarer Daten zum Stromverbrauch aus den Nachhaltigkeitsberichten1 von Unternehmen haben wir berechnet, dass die Stromkosten (bei Annahme von 50 EUR pro MWh) im Durchschnitt 0,4 % der Erträge ausmachen. Aus rein theoretischer Sicht betrügen bei einer angenommenen Verdopplung der Stromkosten bei sonst unveränderten Bedingungen die Auswirkungen auf die Profitabilität rund 2,8 % (0,4 % höhere Kosten auf die durchschnittliche EBITDA-Marge von 15 %). Dabei wären energieintensive Sektoren wie die Grundstoffbranche2 am stärksten betroffen (Effekt >10 %). In den Bereichen Industrie, Nicht-Basiskonsum (einschließlich Autoproduzenten) und Informationstechnologie (einschließlich Halbleiterunternehmen), die weniger energieintensiv sind3, würde der Effekt auf die Profitabilität geringer ausfallen (1-2,5 %).
Um die negativen Auswirkungen höherer Energiepreise zu kompensieren, können Unternehmen Preisabsicherungen vornehmen, langfristige Lieferverträge abschließen oder kommerzielle Abkommen eingehen, bei denen die Preise an bestimmte Rohstoffpreise geknüpft werden. Die Hauptstrategie zur Wahrung der Profitabilität besteht allerdings darin, die höheren Energiekosten an die Konsumenten weiterzugeben. Dies geschieht normalerweise mit einer zeitlichen Verzögerung je nach operativem Rahmen und Wettbewerbsumfeld.
Unternehmen mit größerer Preissetzungsmacht sind imstande, ihre
Absatzpreise zu erhöhen, um gestiegene Energiekosten weiterzureichen.
Umgekehrt bedeutet eine geringere Preissetzungsmacht in Branchen mit
starkem Wettbewerb nicht nur, dass gestiegene Energiekosten nicht über
höhere Absatzpreise weitergegeben werden können, sondern auch größere
negative relative Auswirkungen der Energiepreise auf die Gewinnmargen.
Anbieter von Ausrüstung und Hersteller von Komponenten in den Bereichen Wind- und Solarkraft sind ein Musterbeispiel für Marktsegmente mit starkem Wettbewerb. Die Verknappung von Rohstoffen und höhere Nachfrage nach Stahl, Aluminium und Polysilizium haben die Preise bei Rohmaterialien steigen lassen, die für Anlagen im Bereich erneuerbare Energien benötigt werden. Nach oben schießende Frachtkosten und Lieferverzögerungen haben das Problem verschärft, da hierdurch die Lagerbestände der Produzenten gesunken und die Margen der Lieferanten unter Druck gekommen sind.
Während die öffentliche Hand noch die Auswirkungen auf die
anfälligeren Teile der Gesellschaft abmildern muss, werden die
Auswirkungen höherer Strompreise unseres Erachtens vom Energiesystem
absorbiert werden. Dies sollte als Weckruf für Unternehmen wirken,
schwankende Energiepreise zu vermeiden und den Übergang zu erneuerbaren
Energiequellen zu beschleunigen. Rund ein Drittel der Unternehmen im
MSCI World Index publizieren Daten zum Verbrauch erneuerbarer Energien.
Demnach stammte im Jahr 2020 durchschnittlich 18 % des eingesetzten
Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Mit mehr als 60 % Anteil
erneuerbarer Energien schnitten Finanzdienstleister am besten ab.
Industrieunternehmen lagen deutlich unter dem Durchschnitt; bei ihnen
betrug der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix nur 11 %.
Weitere Sorgen hinsichtlich Stromabschaltungen oder der Kündigung von Verträgen seitens Versorgern werden Investitionen im Bereich Energiespeicherung wie zum Beispiel Batterien und „grünem“ Wasserstoff Schub verleihen. Diese werden auch dazu beitragen, das Problem der schwankenden Produktion von erneuerbaren Energien zu überwinden und sicherzustellen, dass das Energieangebot stets zuverlässig die Nachfrage deckt. Dies schafft einen noch größeren Anreiz für Unternehmen, künftige Risiken dadurch zu reduzieren, dass sie in sauberere Energiequellen und energieeffizientere Geräte investieren. Wir beobachten bereits, dass Unternehmen sich selbst in der Erzeugung erneuerbarer Energien engagieren, anstatt sich lediglich erneuerbare Energie über langfristige Stromabnahmeverträge zu sichern. Während die Produktionskapazität erneuerbarer Energien zunimmt, werden deren Kosten weiter fallen und wettbewerbsfähig mit traditionellen Energiequellen machen, deren Preise weiter steigen.
Grafik 2: Stromkosten: Kosten erneuerbarer Energien sinken gegenüber traditionellen Energiequellen
Quellen: Robeco, Bloomberg
Siehe Fußnote.4
Höhere Energiepreise begünstigen unsere nachhaltigen thematischen Strategien, welche auf die Dekarbonisierung der Sektoren Energie und Industrieproduktion abzielen. Die Unternehmen, in die wir investieren, verfügen über spezielle Vorteile, die sich daraus ergeben, dass sie dem Bedarf nach mehr Energieeffizienz Rechnung tragen. Infolgedessen sollten sie von größerer Nachfrage und höherem Wachstum in der Zukunft profitieren.
1Von den 1.555 Unternehmen im MSCI
World Index haben mehr als die Hälfte Daten zum Energieverbrauch im
Geschäftsjahr 2020 bereitgestellt.
2Annahme einer durchschnittlichen Energieintensität von rund 500 MWh pro 1 Million Euro Umsatz.
3Annahme einer durchschnittlichen Energieintensität von rund 50-60 MWh pro 1 Million Euro Umsatz.
4Die
Grafik zeigt den historischen Mittelwert der Stromgestehungskosten
unterschiedlicher Energiequellen über einen Zeitraum von mehr als zehn
Jahren. Die Kosten von Solarstrom sind im letzten Jahrzehnt drastisch
gefallen und liegen nun unterhalb der Kosten von Erdgas, dem günstigsten
fossilen Brennstoffen. Die Stromgestehungskosten einer bestimmten
Technologie sind das Verhältnis aus den Gesamtkosten über die
Lebensdauer und der Stromerzeugung über die Lebensdauer. Beide Werte
werden auf dasselbe Jahr mit einem Zins diskontiert, der die
durchschnittlichen Kapitalkosten widerspiegelt.
Die Informationen auf der nachfolgenden Website der Robeco Deutschland, Zweigniederlassung der Robeco Institutional Asset Management B.V., richten sich ausschließlich an professionelle Kunden im Sinne von § 31a Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) wie beispielsweise Versicherungen, Banken und Sparkassen. Die auf dieser Website dargestellten Informationen sind NICHT für Privatanleger bestimmt und entsprechen nicht den für Privatanleger maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen.
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