Die Golfstaaten haben wirtschaftlich lange von hohen Ölpreisen profitiert, in den vergangenen Jahren mussten sie sich aber der neuen Realität mit niedrigen Ölpreisen anpassen. Um ihre Abhängigkeit von Öl zu reduzieren, bemühen sich die Golfstaaten, ihre wirtschaftlichen, politischen und sozialen Strukturen zu reformieren.
29.05.2017 | 11:00 Uhr
Infolge des Ölpreiseinbruchs seit Mitte 2014 verzeichnete Saudi-Arabien 2015 und 2016 ein Haushaltsdefizit in Höhe von 15 Prozent bzw. 13 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts. Was die Sache noch verschlimmert, ist, dass der Krieg im Jemen sehr kostspielig ist und die Regierung vermutlich zusätzlich belasten wird. Während unseres Besuchs in Riad, der Hauptstadt von Saudi-Arabien, zeigte sich jedoch, dass die Regierung bereits sehr umfassende Pläne angestoßen hat, um sowohl die kurzfristigen als auch die strukturellen Wirtschaftsprobleme in den Griff zu bekommen. Das Königreich hat zwei große Pläne: die Vision 2030 und das Nationale Transformationsprogramm 2020 (NTP 2020). Die Vision 2030 adressiert im Wesentlichen die strukturellen Probleme, sodass das Land in Zukunft nicht mehr von Schwierigkeiten im Rohstoffbereich abhängig ist. Diese Initiative wird von umfangreichen Reformen im Privatsektor flankiert. NTP 2020 wurde im Juni 2016 in Verbindung mit der Vision 2030 ins Leben gerufen und legt die Ziele dar, die bereits bis 2020 erreicht werden sollen, vor allem ein ausgeglichener Haushalt. Ein in der Geschichte des Landes beispielloser Vorgang ist es, dass alle Reformen öffentlich angekündigt wurden und alle Beteiligten zur Verantwortung gezogen werden. Was noch wichtiger ist: Der zweite Thronfolger Mohammed bin Salman al-Saud, der Sohn von König Salman, trägt die direkte Verantwortung für diese Pläne, was deutlich macht, dass sie oberste Priorität haben. Wir halten die vorgeschlagenen Reformen aufgrund der eingeschränkten Wirtschaftsstruktur und der sozialen Brisanz für mutig und ambitioniert. Es wäre bereits eine klare Erfolgsgeschichte, wenn nur die Hälfte der geplanten Reformen umgesetzt würde.
Bahrain belegt unter den fünf Golfstaaten, die wir besucht haben, den höchsten Rang im Ease of Doing Business Ranking 2017 der Weltbank und zählt zu den Ländern, die die Vorschriften für Unternehmen am meisten verbessert haben. Aber nicht nur die geschäftliche Seite schneidet gut ab: Bahrain wird vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zudem als Land mit einem „sehr hohen Index menschlicher Entwicklung“ eingestuft. Während unseres Besuchs in Bahrain erlebten wir eine anständige Infrastruktur und ein liberales Geschäftsumfeld. Der wichtigste Wettbewerbsvorteil Bahrains ist sein leichter und schneller Zugang zu anderen Golfstaaten, insbesondere Saudi-Arabien, der größten Volkswirtschaft der Region. Zudem sind die Geschäftskosten relativ niedrig, z.B. die Mieten für Büros und Industrieland, während die Arbeitskräfte im Vergleich zu den anderen Golfstaaten sehr gut ausgebildet sind. Allerdings hat Bahrain wegen seines begrenzten Öl- und Gasreichtums den höchsten Breakeven-Ölpreis der gesamten Golfregion (schätzungsweise 107 US-Dollar pro Barrel im Jahr 2015). Daher ist es ermutigend, zu sehen, dass die Regierung bereits verschiedene Reformmaßnahmen ergriffen hat, darunter Subventionskürzungen für Fleisch, Wasser und Strom, die Liberalisierung der Kraftstoffpreise und Steuererhöhungen auf Alkohol und Tabak. Zudem haben Bauvorhaben, die vom Golf-Entwicklungsfonds (Gulf Development Fund, GDF) mit 10 Mrd. US-Dollar finanziert werden, den Investitionsdruck auf die Regierung verringert und auch einen Konjunktureinbruch verhindert. Die zuletzt bewilligten Zuschüsse, z.B. für die Erweiterung des Flughafens und den Ausbau des Energiesektors, machen deutlich, dass der Golfkooperationsrat Bahrain weiterhin Mittel zukommen lässt.
Der größte Vorteil Kuwaits ist das enorme Staatsvermögen, das auf 500 Mrd. US-Dollar geschätzt wird – mehr als das Vierfache des Bruttoinlandsprodukts des Landes. Kraft Gesetzes muss die Regierung jährlich mindestens 10 Prozent aller Staatseinnahmen in den Fonds für künftige Generationen (Future Generations Fund, FGF) einzahlen. Auf diese Weise hat das Land über Jahre hinweg große Gewinne aus dem Ölexport angespart. Dieser umsichtige Umgang mit dem Ölreichtum äußert sich in einer beachtlichen Kreditstärke, die einen erheblichen Puffer für niedrigere Energiepreise bietet, sogar über einen längeren Zeitraum. Ein anderer wichtiger Unterschied zwischen Kuwait und den anderen Golf-Ländern ist, dass sich sein parlamentarisches Regierungssystem in einem fortgeschrittenen Stadium befindet. Vor allem bei Steuerreformen können die Spannungen zwischen Parlament und Regierung den Fortschritt bei wichtigen Themen blockieren. Allerdings ist es ist unserer Meinung nach auch die Stärke des Systems, dass alles, was vereinbart wurde, auf starken Rechtsgrundlagen basiert. Im Übrigen begrüßen wir die geplante erste Eurobond-Emission Kuwaits. Sie dürfte die Transparenz verbessern und nötige Reformen im Land beschleunigen.
Mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 73.653 USD im Jahr 2015 (Weltbank) ist Katar eine der reichsten Nationen der Welt. Katar hat Anfang der 1990er Jahre stark in Flüssiggas investiert, und diese Investitionen zahlen sich jetzt aus. Ausgehend von diesem großen Erfolg hat Katar begonnen, seine Wirtschaft zu diversifizieren – Qatar Airways ist ein Beispiel für ein Top-Unternehmen – und seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Geplant ist die Errichtung einer Wissenswirtschaft, in der lokale Privatsektoren auf internationales Know-how und Erfahrungen zurückgreifen können. So besitzt Doha Universitäten von Weltklasse. Der jüngste Ölpreissturz wird die Staatseinnahmen beeinträchtigen, aber er wird die Diversifikationspläne des Landes vermutlich nicht ins Wanken bringen, da Katar im Laufe der Zeit beachtliche finanzielle Puffer aufgebaut hat. Unterdessen ergreift die Regierung zudem verschiedene fiskalische Reformmaßnahmen, z.B. Subventionskürzungen bei Kraftstoff, Wasser und Strom, wobei die meisten Maßnahmen zuerst bei im Land lebenden Ausländern greifen. Aktuell sind in Katar von insgesamt 2,6 Millionen Einwohnern nur 300.000 einheimische Bürger. Demzufolge werden die Fiskalreformen kaum soziale Unruhe hervorrufen, und Katar dürfte politisch stabil bleiben. Gleichzeitig verbessern sich Katars Auslandsbeziehungen zu anderen Golfstaaten aufgrund des diplomatischen Auftretens des Emirs weiter.
Oman ist wahrscheinlich das bestgehütete Geheimnis der Region. Im 19. Jahrhundert war Oman eine regionale Handelsmacht und errichtete seine überseeischen Kolonien, die bis an die ostafrikanische Küste reichten. Diese Expansion nach Übersee führte jedoch zu Konflikten im Heimatland. Die Omanis haben ihre Erfahrungen gemacht, deshalb scheinen sie sich heute lieber zurückzuhalten. Trotz der starken Abhängigkeit von Öleinnahmen hat Oman gutes Potenzial, seine Wirtschaft erfolgreich zu diversifizieren, z.B. in den Bereichen Tourismus und Logistik. Ein weiteres einzigartiges Merkmal von Oman sind seine breit gefächerten Auslandsbeziehungen. Oman ist ein Mediator zwischen dem Iran, dem Golf-Kooperationsrat und den USA. Im Gegensatz zu anderen Golf-Ländern, die sehr starke bilaterale Beziehungen mit den USA zu haben scheinen, hat Oman auch eine gute Beziehung zu China aufgebaut. Oman und China haben eine lange Handelsgeschichte. Da Maskat schon immer ein wichtiger internationaler Hafen war, haben omanische Seefahrer, die bis zum 10. Jahrhundert bis nach China gesegelt waren, viele chinesische Tonwaren importiert. Heute plant China die Entwicklung einer Industriestadt mit Investitionen in Höhe von 10,7 Mrd. US-Dollar in der Nähe des Hafens von Duqm mit einigen Megaprojekten, darunter der Bau einer Ölraffinerie mit einer Kapazität von etwa 230.000 Barreln pro Tag. Auch wenn Oman unter globalen Anlegern weniger bekannt ist, ist das Land ein vernünftiger Anleiheemittent mit ausreichenden Ressourcen und ausländischem Beistand, um volatile Phasen zu überstehen.
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