Chief Investment Officer bei Edmond de Rothschild Asset Management, Philippe Uzan, hinterfragt in einer dreiteiligen Analyse was bei Großbritanniens Referendum auf dem Spiel steht. Teil 1: Faktoren, die den Ausgang des Referendums beeinflussen könnten.
06.06.2016 | 13:40 Uhr
Das europäische Projekt ist ebenso sehr durch seine Schwierigkeiten wie durch die Ideen, Prinzipien und Zielsetzungen seiner Gründer geprägt worden. Hinter der Erweiterung der Europäischen Union (EU) auf 28 Mitgliedstaaten standen gute Absichten. Sie hat aber unvermeidlich zu Komplikationen geführt. Die EU ist nicht dafür gemacht, Krisen zu bewältigen. Und doch hat sie es bisher noch immer geschafft, eine Lösung zu finden — auch wenn dies manchmal fast in letzter Minute nach schwierigen Verhandlungen geschah und immer der Eindruck von Improvisation und Unvollständigkeit vermittelt wurde. Jedes neue Problem setzt regelmäßig eine Diskussion über ein mögliches Auseinanderfallen der EU in Gang.
Nach der Euro- und Griechenland-Krise und zuletzt der Flüchtlingskrise, die zu einer Aussetzung des Schengen-Abkommens geführt hat, gibt ein möglicher EU-Austritt Großbritanniens nach dem bevorstehenden Referendum am 23. Juni jetzt erneut Anlass, sich über das Worst-Case-Szenario Gedanken zu machen. Vor allem deshalb, weil es in der Brexit-Debatte nicht allein um rationale Argumente geht: Emotionale und politische Aspekte können ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen. Infolgedessen haben die Argumente für einen Verbleib Großbritanniens in der EU nicht dieselbe Kraft.
Die aktuelle Situation unterscheidet sich grundlegend vom britischen Referendum in 1975, als zwei Drittel der Wähler für einen Verbleib in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) stimmten. Es stimmt, dass 1974 in finanzieller Hinsicht ein katastrophales Jahr für Großbritannien war und die EU inzwischen an Attraktivität verloren hat.
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