Drehen die Frühindikatoren in der Eurozone? Eurozone: Ist der Konjunkturboden erreicht? USA: Fed-Protokoll im Fokus. Großbritannien: Schlechteste BIP-Statistiken der Welt.
17.08.2012 | 16:14 Uhr
Eurozone: Ist der Konjunkturboden erreicht?
In der kommenden Woche werden die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes (Donnerstag) für die Eurozone im August veröffentlicht. Sowohl der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor als auch der für die Industrie signalisierten im Juli mit Werten von 47,9 und 44,0 rezessive Tendenzen in der Eurozone. Immerhin verlangsamte sich das Tempo der Kontraktion im Dienstleistungssektor in den vergangenen Monaten – im Mai notierte der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor noch bei 46,7. Im Gegensatz dazu verschlechterte sich die Wachstumsdynamik in der Industrie kontinuierlich und erreichte im Juli den bisherigen Tiefpunkt. Es bestehen unserer Ansicht nach gute Chancen für eine Erholung der Einkaufsmanagerindizes in den kommenden Monaten und damit für eine Verlangsamung des Schrumpfungstempos der Wirtschaft in der Eurozone. Insbesondere der schwache Euro dürfte zunehmend positive Effekte auf den Export haben. Darüber hinaus beruhigten sowohl die Senkung des EZB-Einlagesatzes auf 0 % als auch die Rede von EZB-Präsident Draghi die Finanzmärkte. Der gestiegene Risikoappetit ürfte auch den Konjunkturoptimismus der Unternehmen etwas beflügelt haben.
USA: Fed-Protokoll im Fokus
In den USA intensivierte sich zuletzt die Debatte um einen neuen geldpolitischen Stimulus. Die Fed wurde vom Gesetzgeber dazu verpflichtet, für sowohl Preisstabilität als auch für eine niedrige Arbeitslosenquote zu sorgen. Die Inflation erscheint derzeit unter Kontrolle und erzeugt daher keinen Handlungsbedarf. Im Gegensatz dazu verharrt die Arbeitslosenquote immer noch bei über 8 %, während die Fed eine Arbeitslosenquote von 5–6 % für mittelfristig angemessen hält. Es besteht aus Sicht der Fed immer noch eine hohe zyklische Arbeitslosigkeit, die ein Einschreiten erforderlich macht. Die zuletzt in der Tendenz guten Konjunkturdaten sowie die politische Neutralität der Fed sprechen aber dafür, dass die Fed QE3 wohl erst nach den Präsidentschaftswahlen beschließen wird. Das Protokoll der letzten Fed-Sitzung (Mittwoch) dürfte sicherlich die Diskussion über die konkrete Ausgestaltung eines neuen geld-politischen Stimulus beinhalten. Ansonsten werden noch die Auftragseingänge (Freitag) veröffentlicht.
Großbritannien: Schlechteste BIP-Statistiken der Welt
In Großbritannien müssen regelmäßig die BIP-Statistiken in einem so großen Umfang revidiert werden wie in keinem anderen Land. Forschungsergebnisse zeigen sogar, dass die erste Schätzung des BIP in der Eurozone ein besserer Indikator für das Wirtschaftswachstum in Großbritannien ist als die erste Schätzung des BIP der eigenen UK-Statistikbehörde. Diese schlechten BIPStatistiken in Großbritannien können daher die extreme Divergenz zwischen einem guten Arbeitsmarkt und einer offiziellen BIP-Schätzung von -0,7 % im zweiten Quartal erklären. Es ist nach den vergangenen Erfahrungen davon auszugehen, dass das BIP (Freitag) für das zweite Quartal 2012 in den kommenden Jahren sukzessive nach oben revidiert wird.
Wann verlieren Bundesanleihen den Status als sicherer Hafen?
Seit dem Lehman-Schock im Jahr 2008 ist eine interessante Entwicklung am deutschen Rentenmarkt zu beobachten. Die Bonitätsrisiken haben beispielsweise gemessen am CDS-Spread zugenommen, die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen ist jedoch gefallen.
Steigende Bonitätsrisiken und fallenden Renditen – wie passt das zusammen?
Rendite in % und CDS-Spread in Basispunkte
Darüber hinaus waren deutsche Bundesanleihen seit Ausbruch der Krise durchgängig negativ mit dem Aktienmarkt korreliert, das heißt: Bundesanleihen wurden von den Anlegern als sicherer Hafen gesehen. Aufgrund der zahlreichen deutschen Hilfsmaßnahmen sowie der Target2-Salden stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Bundesanleihen ihren Status als sicherer Hafen verlieren könnten. Eine aktuelle Studie kommt zu dem Schluss, dass wegen der europäischen Staatsschuldenkrise und des Risikos eines Auseinanderbrechens des Euros das sogenannte „Katastrophenrisiko“ gestiegen ist. Eine Katastrophe wird dabei als ein Rückgang des BIP von mehr als 10 % definiert. Ein Eintreten der „Katastrophe“ würde massive Gewinneinbrüche bei den Unternehmen und erhöhte Kreditausfallrisiken bei Unternehmen, Konsumenten und Staaten bedeuten. Aufgrund des erhöhten Katastrophenrisikos ist auch das Kreditausfallrisiko (gemessen beispielsweise am CDS-Spread) für Bundesanleihen leicht gestiegen, für alle anderen Vermögensklassen ist das Gewinn- bzw. Kreditausfallrisiko jedoch deutlich stärker gestiegen, sodass Bundesanleihen im Vergleich zu anderen Assetklassen an Attraktivität gewonnen haben.
Historisch lag das Katastrophenrisiko bei 3,8 % pro Jahr. Unterstellt man in einem Modellrahmen einen moderaten Anstieg auf 5 %, kann man allein dadurch einen Renditerückgang um 70 bis 80 Basispunkte bei Bundesanleihen unabhängig von den Fundamentaldaten erklären.
Deutschland könnte jedoch immer stärker in den Sog der europäischen Staatsschuldenkrise gezogen werden und immer größere Hilfsleistungen zusagen.
Dadurch müsste sich zwangsläufig das Kreditausfallrisiko für Deutschland verschlechtern. So haben beispielsweise spanische und italienische Staatsanleihen schon ihren Status als sicherer Hafen verloren und werden als risikoreiche Assets – wie Aktien – gehandelt, was man an der veränderten Korrelation zum Aktienmarkt ablesen kann. Die Korrelation ist nämlich von negativ auf positiv gesprungen. Interessanterweise lag die kritische Schwelle, die diesen Sprung ausgelöst hat bei fast allen Rentenmärkten bei einem CDS-Spread-Niveau von 200.
Frankreich und Belgien konnten den Status als sicherer Hafen wieder zurückgewinnen
CDS Spread in Basispunkte
Seit der Zinssenkung der EZB und der Rede von Draghi sind die CDS-Spreads von Belgien und Frankreich wieder unter 200 Basispunkte gefallen. Damit hat sich auch in beiden Ländern die Korrelation zwischen Renten- und Aktienmarkt von tendenziell positiv auf negativ verändert. Beide Länder konnten somit ihren Status als sicherer Hafen zurückgewinnen. In Deutschland ist der CDS-Spread auf 60 gefallen und hat damit einen großen Abstand zur kritischen Schwelle von 200 Basispunkten. Deutschland ist also derzeit weit entfernt, den Status als sicherer Hafen zu verlieren.
Grafik-Quellen: Thompson Reuters Datastream
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