Die letzten Äußerungen von EZB-Präsident Draghi deuten auf eine erneute Lockerung der Geldpolitik der EZB im Dezember - ein falsche Politik, meint Edgar Walk, Chefvolkswirt des Metzler Asset Management. Eine weitere Lockerung könnte dazu führen, dass die EZB zu einem späteren Zeitpunkt schon wieder früher und stärker auf die Bremse treten müsse als bisher erwartet.
27.11.2015 | 15:25 Uhr
Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit wird die EZB die Geldpolitik am kommenden Donnerstag erneut lockern. EZB-Präsident Draghi äußerte sich zuletzt so eindeutig, dass ein Zurückrudern kaum mehr möglich erscheint. Der Einlagesatz dürfte dabei auf -0,3 % gesenkt und die monatlichen Wertpapierkäufe von derzeit 60 Mrd. EUR auf 70 Mrd. EUR erhöht werden. Die geplante Öffnung der geldpolitischen Schleusen kommt zu einem überraschenden Zeitpunkt. Die Konjunkturdaten verbesserten sich in den vergangenen Monaten, die Kerninflation befindet sich im Aufwärtstrend und die Kreditvergabe zeigt signifikante Erholungstendenzen. Das gegenwärtige Wertpapierkaufprogramm der EZB hat also schon jetzt die gewünschten Effekte und stimuliert die Wirtschaft völlig ausreichend. So sanken die Zinsen in den vergangenen Monaten für Bankkredite und für Unternehmensanleihen.
Die gesunkenen Zinsen bewirkten dabei eine steigende Kreditnachfrage des privaten Sektors. Aufgrund der deutlich niedrigeren Zinsen für Unternehmensanleihen ist es wenig verwunderlich, dass Unternehmen bisher ihre Kredite überwiegend durch die Emission von Anleihen aufnahmen. Insgesamt ist das Kreditwachstum bestehend aus Bankkrediten und Unternehmensanleihen wieder auf das Niveau von vor der Staatsschuldenkrise zurückgekehrt. Es ist somit nicht ersichtlich, warum die Wirtschaft in der Eurozone einen weiteren geldpolitischen Stimulus benötigt.
In diesem Zusammenhang fällt es oft schwer, die Größe des monetären Stimulus im aktuellen Umfeld zu bestimmen. Die implizite Nullverzinsung von Bargeld verhindert, dass die Zentralbanken den Leitzins nennenswert in den negativen Bereich senken können – das wiederum zwingt sie dazu, auf unorthodoxe geldpolitische Maßnahmen auszuweichen, für die es keine historischen Erfahrungen gibt. Mit Hilfe der Optionstheorie lässt sich jedoch der Wert einer Call-Option auf Bargeld ermitteln. Zieht man den Wert der Call-Option vom aktuellen Leitzins ab, erhält man den sogenannten „Schattenleitzins“. Der Schattenleitzins ermöglicht eine Übersetzung der unorthodoxen Maßnahmen in ein Leitzinsäquivalent. Im Endeffekt drückt der Schattenleitzins aus, wie stark die Zentralbank den Leitzins in den negativen Bereich gesenkt hätte in einer Welt ohne Bargeld.
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