Im Conren Fondsmanager Newsletter erklären Andreas Lesniewicz & Laura Prina-Cerai (CFA), was eine große Normalisierung ist und wie sie sich auf das momentane Weltgeschehen und auf Conren selber auswirkt.
17.04.2023 | 07:54 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren,
für Qualitätsaktien von Familienunternehmen haben sich die
makroökonomischen Vorgaben, nach unserer Meinung, gar nicht so sehr
verändert, wie die vielen Aufregungen in den letzten Wochen und Monaten
uns vielleicht glauben lassen. Hier und da war und ist der Markt vielleicht etwas voreilig.
Wir befinden uns in der, an dieser Stelle, oft beschriebenen Großen
Normalisierung: Normalisierung nach COVID (wie wir leben, arbeiten,
konsumieren), Normalisierung der Zinsen, Normalisierung der Abläufe in
Wirtschaft und Unternehmen... Die einhergehenden Volatilitäten an den Märkten ist eine logische Begleiterscheinung. Das
Problem ist mit dem eines Tauchers zu vergleichen, der nach und nach in
die Tiefe herabgestiegen ist, und nun viel zu schnell – ohne
ausreichenden langsamen Druckausgleich - wieder aufsteigt. Die Gefahr
ist nicht das Zinsniveau per se, sondern wie lange sich das System nach
und nach auf Niedrigstzinsen eingestellt hat und wie schnell die Zinsen
letztes Jahr dann gestiegen sind (in den USA schnellste und prozentual
höchste Zinserhöhung aller Zeiten). Das System bekommt eine
Schockbehandlung. In dieser Großen Normalisierung gibt es klare Gewinner
und klare Verlierer. Viele ökonomische Kennzahlen oder auch
Betrachtungen auf Aktien-Indexlevel sind mit einiger Vorsicht zu
genießen – hinter diesen Aggregaten können große Unterschiede stecken.
Das müssen wir uns immer wieder vor Augen halten.
Auch die hartnäckigen Inflationszahlen im Dienstleistungssektor oder
etwa bei Löhnen können durch die Normalisierung besser verstanden
werden: In den produzierenden Gewerben fußt der aktuelle, momentan
schwer zu deckende, Personalbedarf nicht nur auf der aktuellen
Nachfrage, sondern auch auf dem hohen Backlog, also dem Lieferrückstand,
aus den letzten Monaten und Jahren. Bei vielen Zwischenprodukten, wie
zum Beispiel Halbleitern, ist dieses Abarbeiten bereits wesentlich
weiter. So haben wir Unternehmen im Portfolio, die jüngst fantastische
Zahlen und Aussichten vorgelegt haben, da nun endlich die Lieferketten
wieder funktionieren und sie damit wieder voll produzieren können. Man
sieht das auch in den Produktionszahlen von Autos. Dagegen hat zum
Beispiel Samsung gerade spiegelbildlich eine heftige Gewinnwarnung für
den Bereich Halbleiter herausgegeben – viele Samsung-Kunden kämpfen
nicht mehr mit Lieferengpässen, haben ihre Lager inklusive
Sicherheitspuffer aufgestockt und sind dazu nicht mehr bereit, fast
jeden Preis für Halbleiter zu bezahlen. Die Nachfrage nach
Konsumenten-Elektronik ist eingebrochen. Wir sehen einen
Super-Lager-Zyklus für viele Halbleiter-Segmente.
Für viele Unternehmen sind es nach wie vor keine einfachen
Zeiten: Anteilseigner, Management und Mitarbeiter sind nunmehr seit
Jahren im Dauerkrisenmodus. Doch dieses Jahr kann operativ
ein Lichtblick für viele werden. Gerade für Unternehmen mit
funktionierenden und zukunftsgerichteten Geschäftsmodellen sowie mit
einer starken Bilanz und starker Marktstellung. Nach langem wird sich
hier wohl wieder der Spreu vom Weizen trennen. Ähnlich wie nach der „Dotcom-Blase“ werden es wacklig finanzierte, nicht nachhaltig cashflow-starke Geschäftsideen schwer haben.
In Europa können wir uns zusätzlich freuen, dass die
Energiekrise bisher nicht so schlimm kam, wie befürchtet (keine
Abschaltung von Produktionen, keine Gas-Rationierung an Privathaushalte
wie noch im Sommer 2022 gefürchtet) und, dass China mit dem abrupten
Lock-Down-Ende Hoffnung auf eine neue Wachstums-Lokomotive gibt. Die
fallenden Energiepreise gehen mit einer besseren Stimmung bei
Unternehmen und Konsumenten einher. So steigt die Aktivität bei
Dienstleistungen (nähert sich dem Pre-Covid-Niveau) und der Produktion
(über Pre-Covid, u.a. aufgrund der vielen Produktionsrückstände) in
Deutschland. Europa erwacht also in diesen ersten Monaten des
Jahres aus dem perfekten Sturm im letzten Jahr. Seit Herbst
überraschen die Makro-Nachrichten in Europa konstant positiv.
Die Aktivität im Immobilienmarkt bleibt dagegen schwach (weit
unter Pre-COVID). Man kann wohl hier vielerorts von einer Schockstarre
sprechen. Die Finanzierungskosten haben sich selbst für hochqualitative
Immobilen in Europa etwa verdoppelt.
Die globalen Wachstumsimpulse aus China lassen etwas auf sich
warten, aber die Stimmung wird dort besser, der Dienstleistungssektor
zeigt gute Aktivitätszahlen, die Aktivität im wichtigen Immobiliensektor
nimmt ebenfalls zu und die chinesische Zentralbank agiert expansiv. Die
große Gefahr bleibt hier die Politik – diese greift immer mehr
in die Wirtschaft ein, straft immer öfter einzelne Wirtschaftssektoren
ab. Chinesische Tech-Investoren können hier ein schmerzvolles Lied von
singen, aber auch einzelne Bereiche im Gesundheits- oder Bildungswesen
sind betroffen.
Viele mit dieser Großen Normalisierung einhergehenden großen
Risiken sind ebenfalls offensichtlich: Die jüngste Bankenkrise in den
USA hat das noch einmal deutlich gemacht. Alleine in den USA haben
Banken Buchverluste von über €500 Mrd. aus ihren Holdings von
Staatsanleihen zu verkraften (Quelle: u.a. Bloomberg).Hier sprechen wir von der als sichersten und liquidesten geltenden Anlageform in der Welt. Wie hoch sind dann die tatsächlichen Verluste in weniger regulierten und weniger liquiden Bereichen wie
Immobilien (vor allem Commercial Real Estate und hier vor allem in den
USA), bei Private Equity, Private Debt oder im Schattenbankensystem
generell. Auch wenn Notenbanken, Regulierer und Regierungen, wie nun in
den USA und in der Schweiz gezeigt, sehr schnell bereitstehen, sind die
Gefahren nicht zu unterschätzen. Alleine daher konzentrieren wir uns
weiter auf Qualitätsaktien. COVID-Gewinn-Niveaus können auch schnell
wieder verschwinden. Auf günstige und schnelle Finanzierungen
angewiesene Unternehmen können in einigen Zukunftsszenarien extrem
leiden.
Qualität gibt uns die notwendige Ruhe und Langfristigkeit.
Keinen kurzfristigen Trends nachjagen, nicht kurzfristig versuchen
Märkte zu timen. Denn die Volatilität kann man vielerorts nur als brutal
bezeichnen – das gilt auch für Gewinnentwicklungen bei Unternehmen.
Besonders volatil bleiben aber Staatsanleihen: Nachdem viele
Staatsanleihen entwickelter Länder letztes Jahr zweistellige Verluste
hinnehmen mussten, fällt die Rendite für zweijährige US-Staatsanleihen
vor dem Hintergrund der jüngsten Bankenkrise quasi über Nacht von ca. 5%
auf ca. 4%.
Diese Große Normalisierung ist also recht eindeutig zu erkennen. Eine
zentrale Frage ist wie sehr und wie lange das Wirtschaftswachstum
leiden muss, um die Inflation unter Kontrolle zu bekommen. Das hat
mittelfristig einen großen Einfluss auf die Umsatzentwicklung und
Ertragskraft von Unternehmen. Die Notenbankpolitik rund um
Zinsentscheidungen und Liquiditätsmenge hat einen großen Einfluss auf
das Bewertungsniveau von Aktien – daher ist auch die Wirkung der Bankenkrise auf die Kreditgewährungsdynamik so wichtig. Danach kann eigentlich nur das OldNormal (eine Inflation von um die 2% mit entsprechendem Zinsniveau) oder, zur Krisenbekämpfung (z.B.
eine Schwächung von Bankbilanzen und damit des Bankensystems aufgrund
von Wertberichtigungen von kommerziell genutzten Immobilien), das NewNormal3.0 (wieder extrem niedrige Zinsen und Liquiditätsschwemme) kommen.
In beiden mittel- oder langfristigen Szenarien sollten Qualitätsaktien
von Familienunternehmen zu den Gewinnern gehören.
Der Unsinn kurzfristig auf Aktienindizes zu starren, zeigt sich in
diesem Jahr wiederum in den USA – hier haben wieder die bekannten
Tech-Riesen-Aktien die Performance nachhaltig getrieben. Ohne diese
hätte sowohl der US-Tech-Aktienindex NASDAQ also auch der gesamte
US-Aktienmarkt wesentlich schlechter abgeschnitten. Nach einem sehr
schwierigen 2022, in der auch die Aktienmarktrallye im vierten Quartal
2022 weitgehend verpasst wurde, gehört der US-Technologie-Aktienindex
NASDAQ dieses Jahr zu den klaren Gewinnern. Das spiegelt sich aber auch
in der Bewertung wider: US-Aktien sind aktuell mit einem
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von ca. 22,5 bewertet (nach ca. 18,5 zum
Ende September letzten Jahres), US-Tech-Aktien weisen ein KGV von ca. 29
auf (nach ca. 22,5 zum Ende September letzten Jahres) und europäische
Aktien von ca. 14,5 (nach ca. 12 zum Ende September letzten Jahres).
Auch im aktuellen Portfolio unseres aktiv verwalteten Aktien-Teilfonds
CONREN – Generations Family Business Equity sehen wir die erwartete und
besprochene Große Normalisierung. Hierzu werden in vielen Unternehmen
auch niedrigere Gewinne gehören. Andere Unternehmen werden von dieser
Normalisierung aber weiter profitieren. Die Zahlen der Q4-Gewinnsaison
für das aktuelle Portfolio unseres aktiv verwalteten Aktien-Teilfonds
CONREN – Generations Family Business Equity zeigen dabei noch keinerlei
Krise auf. Über 80% der Unternehmen haben, nach unserer Einschätzung,
gute Zahlen vorgelegt und Märkte positiv überrascht. Auch der Ausblick
bleibt unserer Meinung nach vielerorts gut – auch wenn viele
Unternehmenslenker auf die Normalisierung hinweisen. Dagegen haben nur
20% nicht so gute Zahlen vorgelegt bzw. in der Regel leicht enttäuscht.*
(Disclaimer: Die Zahlen beziehen sich auf die Vergangenheit. Die
Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator
für zukünftige Ergebnisse.) Relevant bleibt aber natürlich der
Ausblick: Hier ist das Bild selbst im Portfolio unterschiedlich. Einige
Unternehmen profitieren von der besagten Normalisierung, da dies in
einigen Bereichen niedrigere Kosten und vor allem weniger Lieferengpässe
bedeutet. Viele haben nach wie vor einen hohen Auftragsbestand (was
nach unserer Meinung die aktuelle Facharbeiter-Knappheit verstärkt).
Andere schauen auf die positiven Indikatoren nach dem Lockdown-Ende in
China. Einige der großen Gewinner der letzten Jahre spüren nun mehr
Gegenwind. Viele Unternehmen spüren dazu den Margendruck deutlicher und
sehen mehr Preiselastizität bei ihren Kunden. Der European Union
Producer Price Index fällt nunmehr seit Herbst letzten Jahres.
In der Aktienmarkt-Rallye seit Anfang Oktober 2022 haben sich die Treiber verschoben: Zunächst
waren die Treiber vor allem die vorangegangene sehr schlechte Stimmung
an den Märkten, die resultierend sehr niedrigen Bewertungen sowie die
Erkenntnis, dass es im perfekten Sturm für Europa vielleicht doch nicht
in allen Bereichen zum Super-GAU kommen wird (zum Beispiel das
Abschalten von Gas für Industrie und Privathaushalt). Das ließ
europäische Aktien mitunter erheblich steigen. Dann folgte im Dezember
letzten Jahres die COVID-Öffnung Chinas und der Markt fing dazu an
verstärkt auf eine baldige, globale Zinswende zu setzen.
Es bleibt bei aller langfristigen Zuversicht Vorsicht geboten:
Es ist nach wie vor keinesfalls sicher, ob wir die Tiefs in diesem
Zyklus schon gesehen haben - trotz der weiteren Normalisierung
von Wirtschaft und Zinsen sowie trotz der guten Aktienkursentwicklung in
den letzten Monaten. Diese Große Normalisierung trifft Unternehmen sehr
unterschiedlich. Und generell birgt jede Investition das Risiko eines
Kapitalverlustes. Wir sehen nach wie vor noch erhebliche Risiken und
bleiben auch daher Qualitätsaktien treu.
Mit herzlichen Grüßen
Andreas Lesniewicz Laura Prina-Cerai (CFA)
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