Andy Acker, Co-Manager der Global Life Sciences Strategie, erläutert, warum Innovation im Gesundheitssektor nicht immer High-Tech sein muss.
09.10.2017 | 17:21 Uhr
Neue Entwicklungen in der Gesundheitsbranche bieten reichlich Gesprächsstoff. Im Mittelpunkt stehen dabei meist aufregende medizinische Fortschritte wie die Gentherapie. Gelegentlich aber gelingt ein Durchbruch in eher unspektakulären Bereichen und manchmal sogar mit der Hilfe von Anlegern. So geschehen unlängst in der Behandlung einer schweren Lungeninfektion, bekannt als nichttuberkulöse Mykobakteriose (NTM).
NTM ist eine durch Wasser übertragene bakterielle Infektion, die chronischen Husten, Müdigkeit, Schmerzen in der Brust und andere Symptome verursachen kann. Die die Krankheit auslösenden Bakterien sind mitunter schwer zu bekämpfen. Gegenwärtig wird Patienten empfohlen, ein Jahr oder länger drei verschiedene Antibiotika zu nehmen. Allerdings wird diese Behandlungsmethode häufig schlecht vertragen und ist zudem nicht sonderlich wirksam. Gelegentlich greifen Ärzte auch auf ein Antibiotikum mit dem Namen Amikacin zurück: Wird es jedoch intravenös verabreicht, kann Amikacin schwere Nebenwirkungen hervorrufen wie Gehörverlust und Funktionsstörungen der Niere.
Ein in der Entwicklung befindliches neues Medikament, das liposomale Amikacin zur Inhalation (ALIS), könnte dem ein Ende bereiten. Auch bei dieser neuen Therapie nehmen Patienten nach wie vor Amikacin. Aber statt wie bisher intravenös*, wird das Antibiotikum mit ALIS über einen Inhalator verabreicht. Das so vernebelte Amikacin gelangt über die Atmung direkt in die Lunge. Damit werden die schädlichen Nebenwirkungen in anderen Teilen des Körpers verringert. Überdies wird das Antibiotikum in ein Molekül, das sogenannte Liposom, verpackt. Die extrem kleinen Teilchen können leicht in das Lungengewebe transportiert werden und die Biofilme der Bakterien durchdringen, die sich dort eingenistet haben.
Clever mitgedacht
Kurz, ALIS ist eine neuartige Möglichkeit, ein altes Medikament wirksamer zu verabreichen. Und die Ergebnisse sind vielversprechend. In klinischen Studien der Phase III hat die Behandlung mit ALIS nach Angaben von Insmed, das ALIS entwickelt, in Kombination mit der Standardmethode drei Mal so viele Patienten von NTM befreit wie die herkömmliche Methode ohne ALIS.
Nicht unerheblich war unser Beitrag. Wir halfen Insmed, das Design der Phase-III-Studie zu verbessern: ein Novum für das Global Life Sciences Team. 2014 befand sich das Unternehmen in der Vorbereitungsphase der Studie mit 100 Patienten, ebenso vielen wie in den erfolgreichen Tests der Phase II. Unsere eigenen statistischen Modelle, mit denen wir versuchen, die Erfolgswahrscheinlichkeit klinischer Versuche vorherzusagen, legten jedoch nahe, dass eine umfangreichere Studie mit mehr Patienten die Erfolgsaussichten deutlich erhöhen würde. Wir diskutierten unsere Ergebnisse mit Insmed, das sich überzeugen ließ und beschloss, die Studie auf über 300 Patienten auszudehnen. Im September veröffentlichte das Unternehmen seine ermutigenden Ergebnisse aus der Phase-III-Studie. Über Nacht schoss der Kurs der Insmed-Aktie um über 100 Prozent nach oben.
Die 10 Prozent aufspüren
Allen Fortschritten in der Biotechnologie zum Trotz gelangen 90 Prozent der in klinischen Studien getesteten Medikamente nie zur Marktreife. Unser Ziel ist es, die 10 Prozent aufzuspüren, die es schaffen. Wie ALIS zeigt, muss man das Netz hierzu weit auswerfen und sich vor allem auf Unternehmen konzentrieren, die mit guten Erfolgsaussichten an Therapien für bislang unbehandelbare Krankheiten arbeiten. Weltweit leiden mehr als 200.000 Menschen an NTM, und ihre Zahl wächst rasant. Die Wirksamkeit von ALIS bestärkt uns in der Erwartung, dass Insmed bereits im ersten Halbjahr 2018 bei der US-Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung beantragen wird. Zulassungsanträge in Japan und anderen Ländern dürften folgen.
Zum guten Schluss könnte ALIS aus einem alten Antibiotikum ein Blockbuster-Medikament machen. Und das nur dank einer neuen Verabreichungsform und einer ausgeklügelten klinischen Studie. Wir nennen das eine Win-Win-Situation für Patienten wie Anleger gleichermaßen.
Glossar:
Intravenös = Verabreichungsmethode, bei der der Wirkstoff direkt in die Vene injiziert wird
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