In Asien spielt die Unternehmensführung (Governance) eine entscheidende Rolle. Wir erläutern, wie sich Corporate Governance bei Anlagen in der Region am besten beurteilen lässt.
13.09.2017 | 08:47 Uhr
Die Anleger von Huishan Dairy, eines an der Hongkonger Börse notierten Molkereikonzerns, verfolgten Ende März ungläubig, wie der Aktienkurs des Unternehmens auf Talfahrt ging.
Aufmerksame Beobachter konnten die Alarmzeichen bereits in den Vormonaten erkennen: So war die Verschuldung untragbar hoch und die Art der Unternehmensführung mit Fragen behaftet.
Anleger, die von dieser Entwicklung überrascht wurden, mussten einen Verlust von 85 Prozent hinnehmen.
Diese Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, den Fokus in der Region auf die Unternehmensführung (Governance) zu richten.
Schwerpunkt Governance in Asien
Aber wie können wir als aktive Anleger die Corporate Governance von Unternehmen beurteilen? Während sich die Anleger in vielen Industrienationen in erster Linie mit ESG-Aspekten (Umwelt, Soziales und Corporate Governance) beschäftigen, liegt unser Augenmerk in Asien vorrangig auf „G“ wie Governance.
Wenn man der Geschäftsleitung eines Unternehmens nicht vertrauen kann, darf man sich auch nicht darauf verlassen, dass der Unternehmensvorstand die richtigen Maßnahmen ergreift, um für die Aktionäre eine langfristige Wertschöpfung zu erzielen. Zuallererst muss man also sicherstellen, dass die Interessen der Geschäftsleitung mit den Interessen der Aktionäre übereinstimmen.
Das Asia-ex-Japan-Equities-Team von Schroders meidet beispielsweise asiatische Staatsbetriebe. Einfach deshalb, weil die Interessen dieser Unternehmen tendenziell auf den Staat und nicht auf die Aktionäre ausgerichtet sind.
Die Umwelt- und Sozialfaktoren werden von unseren Teams in Asien zunehmend als Indikatoren für langfristig nachhaltige Geschäftsmodelle betrachtet.
Wenn Unternehmen im ökologischen und sozialen Bereich mit Problemen zu kämpfen haben, beispielsweise mit Umweltskandalen oder dem Rückruf von Produkten, betrachten wir dies entweder als Möglichkeit, die von den Wettbewerbern genutzt werden kann, um Marktanteile zu gewinnen, oder als Anlass für eine stärkere aufsichtsrechtliche Kontrolle. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Gewinne des Unternehmens auf lange Sicht nicht nachhaltig sind.
Jay Luong, Fondsmanager, Asia ex Japan Equities, sagte:
„Die Unternehmensführung ist ein Kriterium dafür, ob wir in bestimmte Unternehmen investieren können. Damit ist sie Bestandteil unseres Anlageprozesses.
Insgesamt halten wir Ausschau nach Unternehmen, die ihren Aktionären eine beständige und langfristige Wertschöpfung ermöglichen. Aus fundamentaler Sicht bedeutet dies, dass wir Unternehmen ausfindig machen, die eine positive Kapitalrendite (ROIC) (1) abzüglich des gewichteten durchschnittlichen Kapitalkostensatzes (WACC) (2) aufweisen und vorzugsweise attraktiv bewertet sind.
Dabei handelt es sich dann generell um Unternehmen, die wir bevorzugt ins Portfolio aufnehmen. Da wir den Fokus auf die Renditen eines Unternehmens richten, erkennen wir sofort, ob die Unternehmensführung Anlass zu Sorgen gibt – ganz gleich, ob eine orientierungslose Strategie verfolgt wird, überschüssige Barmittel gehortet werden oder auf die Umsetzung keine Nachkontrolle folgt.
Wenn Unternehmen bei ihren Investitionen und Expansionsbestrebungen nicht sorgfältig auf die Renditen achten, meiden wir diese.
Um die Corporate Governance eines Unternehmens zu beurteilen, ziehen wir weitere wichtige Gradmesser heran, darunter die überschüssigen Gewinne und Cashflows. Zudem prüfen wir, ob die Geschäftsleitung diese Erträge auf intelligente Weise reinvestiert oder an die Aktionäre ausschüttet.
Als weiteres positives Kriterium prüfen wir, ob das Unternehmen sein mittelfristiges Wachstumsziel beständig und diszipliniert umsetzt.“
Modellmärkte und Dividenden
Ob ein Unternehmen Dividenden an seine Aktionäre ausschüttet, ist ebenso ein wichtiger Indikator für eine solide Corporate Governance.
Für das Asia-ex-Japan-Equities-Team von Schroders ist die Ausschüttung von Dividenden ein Zeichen dafür, dass die Geschäftsleitung in der Lage ist, ihre Ziele und Budgets zu planen, umzusetzen und diszipliniert daran festzuhalten.
In der Region Asien-Pazifik gibt es einige Länder, in denen die Corporate Governance fest in den Unternehmensprozessen verankert ist. Ein Beispiel hierfür ist Australien, dessen Markt transparent und weiter entwickelt ist.
Beispielsweise verfügt die australische Börse, die Australian Stock Exchange (ASX), über einen Verhaltenskodex und fordert alle börsennotierten Unternehmen dazu auf, diesen zu veröffentlichen und anzugeben, ob sie diesen Kodex einhalten oder nicht.
In anderen asiatischen Märkten sind zweifellos Verbesserungen und erfreuliche Fortschritte festzustellen.
Dazu Jessica Ground, Global Head of Stewardship, ESG:
„Wir ziehen bei diesen Fragen Entscheidungsträger hinzu, zuletzt die Internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO).
Im Oktober 2016 veröffentlichte die Vereinigung ihren Bericht über Corporate Governance in Schwellenmärkten. Darin nannte sie praktische Maßnahmen, die von den lokalen Aufsichtsbehörden umgesetzt werden können, um ein besseres Umfeld zu schaffen.
Schroders gehörte zu den drei Vermögensverwaltern, die einen Beitrag zu diesem Bericht leisteten. Das Fazit bestand darin, dass der Fokus darauf gerichtet werden sollte, die Qualität und Rechenschaftspflicht der Vorstände zu verbessern und sicherzustellen, dass die Vergütung Anreiz bietet, eine langfristige Wertschöpfung zu erzielen. Zudem sollte der Schwerpunkt auf der Verbesserung des Risikomanagements und interner Kontrollen liegen. “
Stewardship Codes
In Korea soll in den nächsten zwölf Monaten beispielsweise ein Stewardship Code eingeführt werden. Dies ist ein gutes Zeichen für einen Markt, der sich seit jeher durch eine miserable Ausschüttungsquote (3) und Dividendenrendite auszeichnet (4).
Bei allem Optimismus sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass der jüngste Trend hin zu höheren Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufen in Korea lediglich von einer kleinen Zahl größerer Chaebols (große koreanische Konglomerate in Familienbesitz) angetrieben wurde.
Es besteht jedoch die berechtigte Hoffnung auf einige spürbare Verbesserungen in den Bereichen Corporate Governance und Kapitaleffizienz.
Grund ist die Erwartungshaltung, dass institutionelle Anleger den Verhaltenskodex einführen und bei der Ausübung ihrer Stimmrechte transparenter vorgehen.
Kleine Schritte wie diese erhöhen die Prognosesicherheit und Transparenz für Investoren. Anleger, die fundierte (und sichere) Anlageentscheidungen treffen möchten, sollten zunächst überprüfen, ob die Corporate Governance eines Unternehmens auf einem soliden Fundament steht.
1 Der WACC (Weighted Average Cost of Capital) entspricht dem durchschnittlichen Betrag, den ein Unternehmen voraussichtlich all seinen Wertpapierinhabern auszahlen wird, um seine Vermögenswerte zu finanzieren. Diese Kosten werden gemeinhin auch als Kapitalkosten eines Unternehmens bezeichnet.
2 Die Kapitalrendite (ROIC) ist eine Finanzkennzahl, die verwendet wird, um nach Berücksichtigung des ursprünglichen Investitionskapitals die Rentabilität und das Wertschöpfungspotenzial von Unternehmen zu messen.
3 Die Ausschüttungsquote entspricht dem Umfang der Dividenden, die den Anteilsinhabern im Verhältnis zu den gesamten Nettoerträgen eines Unternehmens ausgeschüttet werden.
4 Diese Finanzkennzahl gibt Aufschluss darüber, wie hoch die jährlichen Dividendenausschüttungen eines Unternehmens im Verhältnis zu seinem Aktienkurs sind.
Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.
Der Beitrag wurde am 07.09.17 auch auf schroders.com veröffentlicht.
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